Zu Fuß, mit dem Zug oder in der Schule: Zittau und Liberec kommen sich näher
Im Dreiländereck Deutschland – Polen – Tschechien nehmen die gemeinsamen Kontakte an Bedeutung zu. Ob im Schulwesen, in der Kultur, im Tourismus oder am Arbeitsmarkt – in allen Bereichen spielen die Staatsgrenzen eine immer geringere Rolle. Nun wollen die Politiker in der Region die Kooperation noch einmal vertiefen.
„Wir haben im Moment 37 Gewerbeanmeldungen in Zittau, das sind kleinere und größere mittelständische Firmen. Wir können derzeit allerdings noch keinen Trend erkennen, welches Gewerbe besonders interessant ist. Von tschechischer Seite besteht auch eine starke Nachfrage nach Eigentum, also nach Häusern wie auch Wohnungen. Es besteht zudem großes Interesse an Plätzen in den Kindertagesstätten, und einige tschechische Kinder gehen bei uns auch in die Schulen.“
Bildung über die Grenze hinweg scheint mittlerweile besonders attraktiv. In der deutschen Grenzregion ist schon ein Netzwerk von Schulen aller Stufen entstanden. Es nennt sich „Schkola“. i Kinder und Jugendliche aus Deutschland, Tschechien und Polen lernen dort gemeinsam die jeweiligen Sprachen der Nachbarn, und das durchgängig ab dem Kindergarten bis in die zwölfte Klasse. Der Unterricht erfolgt vorrangig durch Muttersprachler. Am Zittauer Christian-Weise-Gymnasium wird das Tschechische als Fremdsprache angeboten, wobei den Unterricht tschechische Lehrer führen.Von der Schulbank in die Amtsstube
Nun wollen sich aber auch deutsche und tschechische Behörden grenzüberschreitend stärker vernetzen. Vor kurzem haben Zittau und Liberec / Reichenberg, beziehungsweise die Euroregion Neiße, dafür eine europäische Finanzspritze in Höhe von 200.000 Euro bekommen. Dieses Geld soll unter anderem dafür eingesetzt werden, dass Beamte in der jeweils anderen Stadt hospitieren können. Außerdem werden Workshops veranstaltet. Thomas Zenker:
„Wir haben ein größeres Projekt, bei dem wir den gesamten Raum zwischen Zittau und Liberec auf Potentiale in der Zusammenarbeit untersuchen. Wir schauen uns an, warum sie möglicherweise nicht genutzt werden. Und wir versuchen zu prüfen, in welcher Form wir Hindernisse aus dem Weg räumen können, die davon abhalten, die Potenziale zu nutzen.“Diesem Ziel sollen unter anderem auch statistische Daten dienen, die die Euroregion Neiße in beiden Nachbarländern sammelt und bewertet. Einige werden schon seit vielen Jahren regelmäßig veröffentlicht, zum Beispiel die Preise für Lebensmittel oder Dienstleistungen. Jaroslav Zámečník ist Sekretär der Euroregion Neiße:
„Wir vergleichen zum Beispiel die Arbeitslosigkeit in unseren Nachbarregionen. Im Kreis Liberec lag diese 2016 bei acht Prozent, also weit über dem Durschnitt in Tschechien. Im Großen Landkreis Görlitz, zu dem auch Zittau gehört, sind bis zu 17 Prozent der Menschen ohne Beschäftigung. Beim Gehalt sind jedoch die Zahlen umgekehrt: Auf der tschechischen Seite verdient man durchschnittlich 1000 Euro, in der Oberlausitz 2700 Euro. Daneben wollen wir auch die Altersstruktur, die Geburtenrate, die Anzahl der Sozialeinrichtungen oder Schulen kennenlernen – das alles sind wichtige Grundlagen für politische und wirtschaftliche Entscheidungen. Man kann dann zum Beispiel die Struktur der Sozial- und Gesundheitseinrichtungen auf beiden Seiten besser koordinieren.“
Zusammenarbeit daheim und unterwegs
Zusammen mit ihren tschechischen Partnern haben die Zittauer fünf Bereiche für die weitere Kooperation ausgewählt: Wohnen, Bildung, Tourismus, Umwelt und Mobilität. So entstand in Zittau zum Beispiel die Idee, einige leerstehende Wohnungen oder Häuser im städtischen Besitz jenen Tschechen anzubieten, die zur Arbeit in die Stadt pendeln oder in Immobilien investieren wollen. Jetzt schon haben viele Menschen aus dem Nachbarland ein heruntergekommenes Haus gekauft und renoviert. In Zittau leben bisher nur etwa 150 Tschechen ständig, die Zahl der Pendler liegt um ein Vielfaches höher. Dies ist jedoch ein schwieriges Thema, bekennt der Oberbürgermeister. Denn es soll nicht der Eindruck entstehen, dass die Zittauer die Menschen aus dem Nachbarland absaugen wollen. Zu den weiteren Themen gehört zum Beispiel der Oder-Neiße-Radweg. Er startet bei der Neiße-Quelle im Isergebirge und läuft über Liberec zur tschechisch-deutschen Grenze. In diesem ersten Abschnitt müssen die Radfahrer einige Steigungen bewältigen. Weiter führt er aber flach an der deutsch-polnischen Grenze entlang bis zur Ostsee. Im Dreiländereck glaubt man, dass der Radweg das Potenzial hat, eines der attraktivsten Freizeitangebote der Region zu werden. Es geht um Unterkünfte und Restaurants entlang der Strecke. Jaroslav Zámečník:„Der Radweg existiert zwar, stellenweise ist er aber im Dreiländereck nicht in einem optimalen Zustand. Zwischen Chrastava und Hrádek nad Nisou führt er zum Beispiel über Landstraßen mit Autoverkehr, wir möchten aber eine eigene Trasse nahe dem Fluss einrichten. Bekanntlich wird die Attraktivität eines Radwegs beeinträchtigt, wenn parallel der Straßenverkehr pulsiert. Deswegen ist das auch ein gemeinsames Thema von Zittau und Liberec.“
Mit dem Zug schneller ankommen
Während das Straßennetz im Dreiländereck in den letzten Jahren dank den Förderungen durch die EU deutlich verbessert wurde, bleibt die Bahnverbindung zwischen Zittau und Liberec weiter ein Problem. Die Züge pendeln im Stundentakt zwischen beiden Städten, und das auf geneinsamen Auftrag der Kreisverwaltung in Liberec und des deutschen Verkehrsverbundes „Zvon“. Die Strecke führt aber über drei Kilometer auch durch Polen, wo die Schienen in einem katastrophalen Zustand sind. Deswegen schleichen die Züge dort mit Tempo 30. Das verlängert nicht nur die Fahrzeit, sondern gefährdet auch die Anschlussverbindungen in Zittau. Zwar wurde mit Polen verhandelt, doch bisher ohne Erfolg – obwohl die Behörden für die Durchfahrt jedes Zuges eine Gebühr kassieren. Die Tschechen und Deutschen möchten nun den polnischen Abschnitt aufkaufen und auf gemeinsame Kosten renovieren lassen. Dazu müssen aber noch viele juristische Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Jaroslav Zámečník findet allgemein, dass die Zusammenarbeit mit Polen in vielen Bereichen noch Luft nach oben hat – im Vergleich zur Kooperation mit Sachsen. Warschau stoppte vor zwei Jahren zum Beispiel das Projekt eines Grenzwanderwegs von der Böhmisch-Sächsischen Schweiz über Iser- und Riesengebirge bis zu den Beskiden. Für Hunderte Menschen, die auf beiden Seiten an dem Projekt gearbeitet hätten, sei dies eine große Enttäuschung gewesen, sagte damals Zámečník. Nun bedauert er, dass Polen auch beim neuesten Projekt von Zittau und Liberec außen vorbleiben müssen.„Das liegt daran, dass die Förderungen aus grenzüberschreitenden Programmen nur bilateral genutzt werden können. Ein Projekt für drei Länder ist leider nicht möglich. Würde es so etwas geben, hätten die Polen sicher daran teilgenommen. Wir pflegen zum Beispiel gute Kontakte zur Stadt Bogatynia, die auf drei Seiten an Tschechien und Deutschland grenzt und mit dem restlichen Polen nur durch einen engen Landstreifen verbunden ist. Es tut mir leid, dass Bogatynia keine Förderung aus diesem Projekt bekommen kann.“
Dabei sind seit Neuestem auch mehr kleinere polnische Kommunen an der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit interessiert. Ein Beispiel ist ein kleines Projekt von Hrádek nad Nisou und Bolesławiec. Beide Kleinstädte wollen für ihre Schüler gemeinsame sportliche Aktivitäten organisieren.