Zugsicherung: Tschechische Bahnen stellen erste Lok mit nachgerüstetem ETCS-System vor

In Tschechien gab es in den vergangenen Jahren mehrere schwere Zugunglücke mit Todesfolge. Das Zugbeeinflussungssystem ETCS hätte einige dieser Tragödien verhindern können. Dieses wurde nun bei der ersten Lok der Tschechischen Bahnen (ČD) nachgerüstet.

Foto: Vít Šimánek,  ČTK

Die Lokomotive wurde in der vergangenen Woche vorgestellt. Das Fahrzeug ist das erste der Tschechischen Bahnen, bei dem das europäische Sicherungssystem ETCS nachträglich eingebaut wurde. Tomáš Businský vom staatlichen Eisenbahnverkehrsunternehmen erklärte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks, was das System kann – und was nicht:

„Im Grunde genommen ist das eine sehr einfache Schnittstelle. Der Lokführer erhält Informationen darüber, wie sich das Fahrzeug im jeweiligen Geschwindigkeitsabschnitt verhält. Er kann dann darauf reagieren. ETCS wird also nicht den Lokführer als Fahrer des Zuges ersetzen.“

Michal Krapinec | Foto: Verkehrsministerium der Tschechischen Republik

Doch auch wenn das European Train Control System – so die Langform der englischen Bezeichnung – nicht das Steuern übernimmt: Im Falle einer Gefahrensituation kann es eine Zwangsbremsung des Zuges einleiten. Das Risiko für frontale Zugzusammenstöße wird so merklich reduziert. In den kommenden Jahren soll das System nach und nach ausgebaut werden, erklärt Michal Krapinec, Generaldirektor der Tschechischen Bahnen:

„Der 1. Januar 2025 steht als Termin fest. Die Eisenbahnkorridore sind sozusagen Autobahnen für Züge. Von diesem Datum an werden dort ausschließlich Fahrzeuge mit ETCS unterwegs sein.“

Bordgerät | Foto: Vít Šimánek,  ČTK

So lautet zumindest der Plan. Diese Hauptkorridore umfassen etwa die Strecke von Děčín / Tetschen über Prag und Brno / Brünn bis nach Břeclav / Lundenburg, also vom Nordwesten des Landes bis in den Südosten.

Bei einigen Lokomotiven, die die Tschechischen Bahnen in den vergangenen Jahren gekauft haben, ist das Sicherheitssystem bereits ab Werk verbaut. Das Staatsunternehmen will in den kommenden Jahren zudem fast 250 neue Lokomotiven mit ETCS anschaffen. Der Großteil der Fahrzeuge wird aber im Nachhinein mit der Zugsicherung ausgestattet – wie eben auch im Falle der gerade vorgestellten Lok. 400 Fahrzeuge will das Staatsunternehmen auf diese Art und Weise sicherer machen.

Doch auch die anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen müssen nachrüsten. So sagte etwa Emil Sedlařík, Sprecher des privaten Beförderers Leo Express:

Radim Jančura | Foto: Šárka Ševčíková,  Tschechischer Rundfunk

„Die Zuggarnituren von Leo Express sind derzeit nicht mit ETCS ausgestattet. Wir werden Aufträge dafür vergeben. Wieviel uns das kosten wird, hängt von den Angeboten ab.“

In einer deutlich besseren Position ist Regiojet, der andere große private Zugbetreiber hierzulande. „Regiojet hat derzeit rund 40 Lokomotiven. Da der Großteil davon absolut neu ist, sind 30 Fahrzeuge bereits mit ETCS ausgestattet“, sagt der Leiter von Regiojet, Radim Jančura, in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks und fügt hinzu: „Zudem verhandeln wir aktuell über den Einkauf 22 weiterer Lokomotiven.“

Doch damit die Züge sicher durch Tschechien rollen, muss auch das Streckennetz überarbeitet werden. Bisher ist ETCS lediglich auf zehn Kilometern im Echtbetrieb. Auf weiteren 560 Kilometern wird das Zugbeeinflussungssystem noch getestet. Tschechien hat jedoch eines der dichtesten Eisenbahnnetze Europas. Die Gesamtlänge beträgt fast 10.000 Kilometer. Wie die Strecken nachgerüstet werden sollen, erklärt Nela Friebová von der tschechischen Eisenbahnverwaltung (SŽ):

Nela Friebová | Foto: Eisenbahnverwaltung

„Die Hauptstrecken, die zum transeuropäischen Verkehrsnetz TEN-T gehören, werden wir bis 2030 mit dem europäischen Sicherungssystem ausstatten. Dies verlangt auch die Europäische Union.“

Der Plan der tschechischen Regierung sieht vor, bis 2032 über die Hälfte des Eisenbahnnetzes mit ETCS auszustatten. Bis 2040 sollen schließlich alle Strecken damit ausgerüstet sein. Die Gesamtkosten werden vom tschechischen Staat auf 90 Milliarden Kronen (3,6 Milliarden Euro) geschätzt. Diese Summe muss das Land aber nicht selber tragen – an den Kosten beteiligt sich nämlich auch die Europäische Union.

Autoren: Ferdinand Hauser , Luděk Hubáček
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