Zum Todestag von Jiri Hanzelka

Jiri Hanzelka

Im nun folgenden Geschichtskapitel erinnert Katrin Bock an den im Februar verstorbenen Weltreisenden Jiri Hanzelka. Am Mikrofon sind Ditha Baierova und Martina Schneibergova.

Es gibt wohl kaum einen Tschechen oder eine Tschechin, die sie nicht kennen: Jiri Hanzelka und Miroslav Zikmund. Die beiden Weltreisenden gehören zu den tschechischen Helden des 20. Jahrhunderts. Ihren Reportagen aus Afrika oder Südamerika lauschte Ende der 1940er und zu Beginn der 50er Jahre wohl die ganze Nation im Rundfunk. Im Februar verstarb einer der beiden des populären Duos, Jiri Hanzelka, im Alter von 82 Jahren. Grund genug, einmal an die Reisen und das Leben von Hanzelka und Zikmund zu erinnern.

Es war sozusagen Liebe auf den ersten Blick, als sich Jiri Hanzelka und Miroslav Zikmund bei ihrer Einschreibung für die Prager Universität auf dem Gang zum ersten Mal begegneten. Beide träumten bereits damals, im Jahre 1938, von einer Reise um die Welt. Auf diese wollten sie gleich nach Beendigung des Studiums gehen. Doch wie so oft, machte die Geschichte erst einmal einen Strich durch die Rechnung. Am 17. November 1939 wurden alle tschechischen Hochschulen von den deutschen Okkupanten auf unbestimmte Dauer geschlossen. Hanzelka und Zikmund arbeiteten in den folgenden Kriegsjahren in der Landwirtschaft bzw. als Buchhalter. Doch ihren Traum liessen sie nicht aus den Augen: systematisch bereiteten sie sich auf die geplante Weltreise vor. In Bibliotheken studierten sie alles, was sie bekommen konnten: Landkarten, Reiseberichte, Statistiken, Wetterberichte, Handelsberichte und vieles mehr. Zudem begannen sie Sprachen zu lernen, denn die beiden wollten so weit wie möglich ohne Dolmetscher auskommen

1946 konnten die beiden Freunde ihr Ingenieursstudium endlich beenden. Nun galt es die Reisevorbereitungen zu konkretisieren und vor allem einen Sponsor zu finden. Zikmund und Hanzelka wussten genau, welche Ziele ihre reise haben sollten: zum einen wollten sie tschechische Produkte in aller Welt vermarkten und durch den Krieg unterbrochene Handelsbeziehungen wieder aufnehmen. Deshalb beschlossen sie, nur tschechische Produkte mit sich zu nehmen. In ihrem Buch: "Mit dem Tatra durch Afrika" schilderten sie ihre Ausrüstung wie folgt:

"Messgeräte, Thermometer, Höhenmeter, Fernglas, Photoapparat, Koffer, Wäsche, Anzüge, Schuhe, Schlafsäcke und andere Ausrüstungsgegenstände nahmen wir mit dem Gewissen mit, dass sie alle "Made in Czechoslovakia" sind."

Ausserdem nahmen sich die beiden vor, über ihre Reise regelmässig zu berichten, sei es in Form von Artikeln oder Rundfunkreportagen. Ihr heimisches Publikum sollte stets auf dem Laufenden sein. Ihre Reportagen waren ein Grund für die enorme Beliebtheit des reisenden Duos. Schliesslich nahmen sich die beiden vor, einen Film über ihre Reise zu drehen ­ nun, es wurden drei abendfüllende Filme und x Wochenschauen.

Nun galt es, einen Sponsor zu finden. Die beiden planten, mit einem tschechischen Auto auf Weltreise zu gehen. Nach langem Abwägen beschlossen sie, dass der Tatra 87, der Wagen, mit dem in der Regel Minister unterwegs waren, der geeignete Wagen für ein solches Vorhaben sei:

"Unabhängige Federung, stromlinienförmige Karoserie, Motor hinten, Luftkühlung ­ selbst ein Laie hätte keinen anderen Wagen gewählt als den Tatra 87."

So erläuterten die beiden in ihrem Buch ihre Entscheidung.

Den beiden gelang es, die Besitzer der Tatra-Fabrik von der Ernsthaftigkeit ihres Vorhabens zu überzeugen - diese stellte den beiden ein Exemplar ihres serienmässig hergestellten Personenwagens. Der sorgte in Afrika oft für Menschenaufläufe, wie die beiden in ihrem Buch beschrieben:

"Gleich in Casablanca begann das Problem. Dort hatten wir unser Auto auf dem Hauptplatz geparkt, ohne die Handbremse angezogen zu haben. Als wir nach einer halben Stunde zurückkamen, fanden wir das Auto zehn Meter weiter, umringt von einer Menschenmenge. Der Volksmund in Afrika hat unserem Auto unzählige Namen gegeben: fliegender Wagen, U-Boot, Flugzeug ohne Flügel, Amphibienfahrzeug, Rennauto. Ein Fährmann weigerte sich entschlossen, uns überzusetzen ­ schliesslich sei unser Fahrzeug ein U-Boot, erklärte er."

Wenn Sie das Aussehen des Tatra 87 kennen, wundern Sie diese Reaktionen wohl nicht - für alle, die die QSL-Karten von Radio Prag sammeln: in der Serie von 1998 ist das Auto von Hanzelka und Zikmund abgebildet. Heute befindet es sich im Technischen Nationalmuseum in Prag

Am 22. April 1947 brachen Jiri Hanzelka und Miroslav Zikmund zu ihrer lang geplanten Traumreise in Prag auf. Doch vieles verlief anders als geplant. Die grösste Veränderung im Reisevorhaben brachte der Februar 1948. Damals ergriffen die Kommunisten in Prag die Macht. Überall wurden die Botschafter ausgewechselt und die neue Garnitur war dem Vorhaben der beiden Weltreisenden nicht gerade positiv eingestellt. Ausserdem war der Tatra-Betrieb verstaatlicht worden. Die neue Betriebsleitung forderte die beiden auf, sofort in die Heimat zurückzukehren. Doch Zikmund und Hanzelka dachten nicht daran. Wie geplant setzten sie nach Südamerika über. Erst die Grenze zu den USA bildete das Aus ihrer ersten Weltreise. Die US-Amerikanischen Behörden weigerten sich in der Atmosphäre des beginnenden Korea-Krieges den zwei Bürgern eines kommunistischen Land ein Visum zu erteilen. Hanzelka und Zikmund kehrten nach über zwei Jahren nach Prag zurück. Hier wurden sie als Helden empfangen- immerhin hatten sie als erste überhaupt mit einem serienmässig hergestellten Personenauto Afrika von Kairo nach Südafrika durchfahren.

In den folgenden Jahren schrieben die beiden sechs Bücher - allesamt Bestseller und unzählige Artikel. Und so machten sich die beiden daran, ihre nächste Reise zu planen. Diese sollte sie durch Asien, Australien, Japan und die UdSSR führen. Am 22. April 1959 starteten Zikmund und Hanzelka ihre zweite grosse Reise, die fünfeinhalb Jahre dauerte. Diesmal waren die beiden schon professionelle Reisende. Der Tatra 87 wurde durch einen leichten LKW, den Tatra 805 ausgetauscht. Die beiden waren auch nicht mehr allein. Ein Arzt und ein Mechaniker waren mit an Bord. Auch diesmal erreichten sie nicht alle ihre Ziele: für Australien, den Iran und China erhielten sie kein Visum, Ihr Ziel, Japan erreichten die beiden. Ihre Rückreise führte sie durch die damalige UdSSR. Nach ihrer Rückkehr veröffentlichten Zikmund und Hanzelka zahlreiche Reisebeschreibungen- auch diesmal waren ihre Bücher stets Bestseller.

Es begann die Zeit des Prager Frühlings. Jiri Hanzelka gehörte zu den engagierten Reformkommunisten, einige Zeit wurde er als möglicher neuer Präsident gehandelt. Wahrscheinlich wäre Hanzelka in den schweren Tagen nach der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Wahrschauer Pakt-Staaten im August 1968 ein besserer und standhafterer Präsident gewesen als der gewählte General Svoboda. Im Gegensatz zu diesem kritisierten Hanzelka und Zikmund den Einmarsch der Russen öffentlich und wollten sich mit diesem nicht abfinden. Für die beiden Weltreisenden hatte diese Einstellung schwere Folgen: ihre Reisen wurden ebenso verboten, wie ihre Bücher. Diese wurden aus allen öffentlichen Bibliotheken und Buchläden gezogen. Doch verschweigen konnte die neue Zeit Zikmund und Hanzelka nicht. 6,5 Millionen Exemplare ihrer Bücher kursierten im Lande ­ wer wollte die alle vernichten? Und so gehörten die Reiseberichte der beiden auch zur Zeit der Normalisation in den 70er und 80er Jahren zu Lektüre aller. Eines ihrer Bücher kam sogar in einer Samizdat-Ausgabe heraus. Das Publikationsverbot der beiden ist wohl auch der Grund, warum im Rundfunkarchiv keine einzige der vielen Rundfunkreportagen der beiden erhalten ist ­ schade!

Hanzelka begnügte sich nicht, dem Treiben der neuen Machthaber nur zu zuschauen. Er gehörte Anfang des Jahre 1977 zu den Erstunterzeichnern der Charta 77, der Bürgerrechtserklärung, die der damaligen tschechoslowakischen Regierung die Verletzung von Menschenrechten vorwarf. Nun war es für den engagierten Bürger unmöglich, eine Arbeit zu finden. Überall wies man ihn ab, bis er als Gärtner in Prag eine Anstellung fand. Hier erlebte er die Samtene Revolution von 1989. Zunächst engagierte sich Hanzelka im Bürgerforum, war Berater der ersten tschechischen Regierung, doch dann zog er sich zurück. Die Revolution war für ihn, den damals 69jährigen, zu spät gekommen. Seine Gesundheit war zu angeschlagen, um auf weitere Reisen zu gehen. Die letzten drei Jahre seines Lebens verbrachte Hanzelka in einem Prager Krankenhaus.

Die Reiseberichte von Zikmund und Hanzelka begeisterten über drei Generationen tschechischer Leser, insbesondere zu Zeiten, als das Reisen in exotische Länder etwas unvorstellbares war, bildeten die beiden ein Fenster zur Welt ­ und sie beschrieben eine sich verändernde Welt. In ihren Berichten schilderten die beiden nicht nur die Schönheiten der Natur, sondern auch das Erwachen der Völker in Afrika, das sie gerade zu jener Zeit bereisten, als sich der Kolonialismus seinem Ende näherte. Die Verhältnisse in den asiatischen Republiken der Sowjetunion beschrieben sie Anfang der 60er Jahre so kritisch, dass dieser Bericht erst 1990 das erste Mal erscheinen konnte. Falls Sie das Reisefieber gepackt hat und Sie mehr über Zikmund und Hanzelka und ihre Reisen durch über 80 Staaten erfahren wollen, dann sollten Sie im mährischen Zlin die 1996 eröffnete Ausstellung besuchen. Und damit sind wir am Ende unseres heutigen Geschichtskapitels, in dem Sie die Original-Erkennungsmelodie der beliebten Rundfunkreportagen von Zikmund und Hanzelka hörten.