Treffen mit einer lebendigen Legende

Miroslav Zikmund in der Mitte

Berühmt und bewundert kann einer wohl schon zu Lebzeiten sein, zur Legende hingegen wird man eher im Laufe einer langen Zeit, nachdem man sein irdisches Dasein längst beschlossen hat. Jitka Mladkova glaubt jemand zu kennen, der jedoch schon beinahe sein Leben lang beides symbolisiert. Mehr erfahren Sie in ihrem folgenden Feuilleton:

Vor einiger Zeit habe ich in meiner Mailbox einen elektronischen Brief aus Deutschland gefunden, der mit folgenden Worten eingeleitet wurde: "Ich wende mich an Sie mit einigen Fragen über die auch bei uns immer noch bekannten Weltreisenden Hanzelka und Zikmund. Mein Großvater gab mir ihre Reiseberichte, als ich noch ein kleiner Junge war ...." Es war ein langer Brief, aus dem eindeutig hervorging, wie sich seinem Absender die erwähnte Lektüre tief im Gedächtnis eingeprägt hat. Doch nicht nur um Erinnerungen ging es. Der mittlerweile zum Familienvater gewordene Bewunderer der berühmten tschechischen Globetrotter hat uns einen ganzen Katalog von Fragen geschickt. Ihre Beantwortung setzte jedoch detaillierte Kenntnisse voraus, über die weder ich noch meine Kollegen verfügten. Das Recherchieren wiederum müsste echt mühsam sein, dachte ich mir. Und so kam es, als ich kürzlich auf Reisen durch Südmähren war, dass ich einen Abstecher nach Zlin machte und dort, nach vorheriger Anmeldung versteht sich, an der Tür der Villa von Miroslav Zikmund klingelte. Nun stand mir der Mann gegenüber, der gemeinsam mit dem im Vorjahr verstorbenen Jiri Hanzelka insgesamt 18 Reiseberichte schrieb, die in elf Sprachen übersetzt wurden und in einer Gesamtauflage von über sechs Millionen erschienen sind. Fast drei Stunden lang konnte ich den mal mit Enthusiasmus, mal nachdenklich oder aber auch mit etwas Nostalgie präsentierten Erinnerungen des 84jährigen Miroslav Zikmund lauschen. Es war dies natürlich nur ein winzigkleiner Ausschnitt aus den unzähligen faszinierenden Begegnungen mit Menschen verschiedenster Kulturen und mit der oft auch unberechenbaren Natur. Doch auch diese kurze Zeit reichte mir, um zu verstehen, dass dieser charismatische Mann Zeitzeuge einer Welt ist, die es nicht mehr gibt - in Afrika, Lateinamerika und anderswo. Den ersten Zeitwandel jedoch erlebten Zikmund und Hanzelka im eigenen Land. 1947 sind sie aus einer noch demokratischen Tschechoslowakei zu ihrer ersten Weltreise aufgebrochen. Drei Jahre später sind sie in ein totalitäres Land zurückgekehrt! Warum? Auf diese Frage gab mir mein Gastgeber, der sich eindeutig zu den vom Gründervater der Vorkriegstschechoslowakei T.G.Masaryk definierten Lebenswerten bekennt, eine simple Antwort: wir hatten ja hier unsere Familienangehörigen und die Verpflichtungen gegenüber der Autofirma Tatra Koprivnice, die die Reise gesponsert hat! 1964 schrieben Zikmund und Hanzelka aufgrund ihrer Sibirien-Reise den bekannten Bericht Nummer Vier. Die wahrheitsgetreu geschilderte Realität in der damaligen Sowjetunion schockierte die Staats- und Parteiführungen in Prag und Moskau, doch wagte man es nicht, die im In- und Ausland höchst populären Weltreisenden entsprechend den damaligen Gepflogenheiten kurzerhand zu verhaften. Nach 1968 kam aber das endgültige Aus für die beiden. Sie durften weder reisen, noch Bücher publizieren bzw. öffentlich tätig sein. Sie durften nur leben! Als ich nach fast drei Stunden das Zliner Domizil Miroslav Zikmund´s verließ, wusste ich: Ich bin einer lebendigen Legende begegnet!