Zwangsarbeiter-Entschädigung

Es war eines der heikelsten politischen Themen des zwanzigsten Jahrhunderts: Die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter durch die deutschen Unternehmen. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende tat sich auf diesem Gebiet quasi gar nichts und ein Großteil der mehreren Millionen Zwangsarbeiter war bereits gestorben. Doch dann, rechtzeitig vor Ende des Jahrhunderts, schien endlich die Lösung erreicht. Am 16. Februar 1999 einigten sich 16 große deutsche Unternehmen auf die Gründung der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft. Ziel der Initiative war die Entschädigung der noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter. Wegen des hohen Alters der Zwangsarbeiter sollte schnelle und unbürokratische Hilfe geleistet werden. Als Voraussetzung bat man sich seitens der beteiligten Unternehmen Rechtsicherheit, also die Abweisung aller Einzel- und Sammelklagen vor amerikanischen Gerichten aus. Warum trotz der guten Vorsätze vom Februar 1999 auch bis heute, zwei Jahre danach, noch kein Pfennig von der Stiftungsinitiative an die ehemaligen Zwangsarbeiter gezahlt wurde und wie man dieses Manko auf tschechischer Seite beurteilt, erfahren Siein diesem Schauplatz von und mit Olaf Barth.

Tatsächlich wurde auch die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" schon bald nach der Einrichtung der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft ins Leben gerufen. Dann aber begannen die Schwierigkeiten. Die deutschen Unternehmen waren keineswegs so eifrig zu zahlen bereit, wie anscheinend zunächst angenommen. Bis zum heutigen Tag hat die Stiftungsinitiative anstatt der ursprünglich geplanten 5 Mrd. DM erst 3,6 Milliarden DM gesammelt und dieses Geld verwaltet immer noch die Initiative der deutschen Wirtschaft. Viele große Konzerne lehnten es kategorisch ab, Solidarität zu zeigen und ihr Scherflein zum gerechten Zweck beizutragen. Woran das seiner Meinung nach liege, wollten wir wissen. Der tschechische Regierungsbevollmächtigte für Entschädigungsfragen, Jiri Sitler, antwortete, er glaube: Ob die Tatsache, dass die deutsche Wirtschaft die zugesicherte Summe noch nicht zusammen hat, bedeutet, dass sie nicht zu ihrer Verantwortung steht, fragten wir den Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski: Jiri Sitler äußerte hingegen auf die gleiche Frage - also ob die deutsche Wirtschaft nicht zu ihrer Verantwortung stehe: Nicht nur die tschechischen Entschädigungsberechtigten werden langsam unruhig. Denn laut dem tschechischen Regierungsbevollmächtigten, Jiri Sitler, sterben jeden Tag ca. 15 ehemalige Zwangsarbeiter und schon rund 13 000 seien in den zwei Jahren seit Stiftungseinrichtung verstorben.

In der Gründungserklärung der Stiftungsinitiative heißt es u.a., es ginge im Hinblick auf das Alter der Betroffenen darum die Gelder schnell und unbürokratisch zu zahlen. Seitdem sind allerdings zwei Jahre vergangen. Lediglich die Bundesregierung zahlte bisher den bei Stiftungsgründung zugesagten Anteil des deutschen Staates von 5 Milliarden DM in die Stiftungskasse ein.

Ob in diesem Fall nicht Eile geboten sei und wann also mit der Auszahlung der Entschädigungen begonnen werde, wollten wir von Herrn Gibowski wissen: Aber welches sind die Voraussetzungen? Die in den USA für die Sammelklagen der ehemaligen Zwangsarbeiter gegen deutsche Konzerne zuständige New Yorker Richterin, Shirley Wohl Kram, hat ihre Entscheidung über eine Zurückweisung der Sammelklagen aber zunächst zurückgestellt. Sie möchte von der deutschen Wirtschaft vor ihrem Entscheid u.a. wissen, wann die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" über die 5 Milliarden DM verfügen wird. Nach Einschätzung des Beauftragten der Bundesregierung zur Klärung der Entschädigungsfragen, Otto Graf Lambsdorff, verzögert sich somit der Beginn der Auszahlung an die ehemaligen Zwangsarbeiter um mindestens zwei Monate und beginnt demnach erst im Mai. Enttäuscht über diese erneute Verzögerung zeigte man sich auf Seiten der ehemaligen Zwangsarbeiter und wandte sich mit der Bitte um Unterstützung an Bundeskanzler Gerhard Schröder. Nicht nur der Verband Tschechischer Zwangsarbeiter, sondern auch verschiedene tschechische Diplomaten äußerten in der vergangenen Woche, ihre Unzufriedenheit darüber, dass man in Deutschland mit der Auszahlung der Entschädigung noch nicht begonnen hätte. Eine symbolische Aktion befürwortet auch Jiri Sitler. Auf die Frage, ob die Initiative in diesem Fall zu sehr auf den Paragraphen des Vertragswerkes herumreite, antwortete er: Und ein solches Vorgehen der Stiftungsinitiative wäre dementsprechend: Darauf antwortet Wolfgang Gibowski leicht ungehalten: Der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft", Dieter Kastrup, machte den Vorschlag, die Wirtschaftsinitiative möge doch einen Teil des bereits gesammelten Geldes auf die Stiftungskonten einzahlen - um wenigstens den sprichwörtlichen "Good Will" zu beweisen. Auch Graf Lambsdorff äußerte sich dahingehend. Wolfgang Gibowski, der Sprecher der Initiative, lehnte dies allerdings ab: Die New Yorker Richterin Wohl Kram hat der Stiftung und der Initiative bis zum 28. Februar Zeit gegeben, um ihre Fragen zu beantworten. Danach will sie eine Entscheidung über die Zurückweisung der Sammelklagen treffen. Was erwartet Jiri Sitler, wird es nun endlich zu einem Abschluss der Rechtssache kommen ? Mit seiner Zurückhaltung hat Jiri Sitler wahrscheinlich auch recht, denn wie vergangene Woche bekannt wurde, haben amerikanische Anwälte inzwischen weitere Sammel-, aber auch Einzelklagen eingereicht - u.a. auch gegen den amerikanischen Konzern IBM. Jiri Sitler äußerte zu einer vermeintlichen Verzögerung der Entschädigung durch die IBM- Klage unlängst, es sei schlichtweg unverständlich, wie eine Klage gegen ein amerikanisches Unternehmen die Entschädigungszahlungen deutscher Unternehmer verzögern könne. Dennoch: Auch durch diese Klage droht erneutes Ungemach. Wolfgang Gibowski erklärt weshalb: Und er präzisiert weiter: Abschließend bleibt jenseits aller Gesetze und Rechtsstreitigkeiten jedoch die Frage zu klären, ob die Taktiererei bzw. Paragraphenreiterei der deutschen Wirtschaft deren internationalem Ansehen nicht doch Schaden zugefügt hat. Dazu noch einmal Jiri Sitler:

Autor: Olaf Barth
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