Zwangsarbeiterentschädigung aus Österreich: Ein Projekt wird abgeschlossen

Die politische Wende des Jahres 1989 machte es möglich: Durch den Fall des Eisernen Vorhangs wurden bislang eingefrorene Elemente der gemeinsam europäischen Geschichte plötzlich aufgetaut. Die Anschließende Neubewertung mancher bilateraler Verhältnisse brachte auch viele neue Konflikte - gerade in den Beziehungen zwischen Deutschland oder Österreich und ihren Nachbarstaaten. Doch das wieder aufkeimende Gespräch brachte auch viel neue Verständigung. Und es wurden einige konkrete und nicht immer leichte Projekte zu einem positiven Abschluss gebracht. Darunter die Entschädigung von ehemaligen Zwangsarbeitern. Der österreichische Versöhnungsfonds hat vorige Woche in Prag eine Bilanzpressekonferenz zu den Entschädigungszahlungen abgehalten. Gerald Schubert war dort und hat den nun folgenden "Schauplatz" gestaltet:

Vergangenes Unrecht wieder gut machen? Vielleicht ein unmögliches Unterfangen. Vor der möglichen Unmöglichkeit zu resignieren ist aber nicht Jedermanns Sache. Und so gibt es doch eine Menge von Projekten, deren Initiatoren die Augen vor der Geschichte nicht verschließen und Wunden dort heilen möchten, wo das heute noch möglich ist.

Manchmal sind diese Projekte politisch hochkarätig besetzt, und manchmal geht es dabei auch um sehr viel Geld. Dass auch Umfangreiches zum Ziel kommen kann, das bewies nun der österreichische Versöhnungsfonds. Er hat Menschen, die während der nationalsozialistischen Diktatur auf dem Gebiet des heutigen Österreich als Zwangsarbeiter eingesetzt worden waren, finanziell entschädigt. Eine symbolische Geste, für Viele dennoch vor allem eine späte Genugtuung. Konkret für knapp 130000 Frauen und Männer aus über 60 Ländern.

Mehr als 11000 davon kommen aus Tschechien, sie erhielten zusammen etwa 30 Millionen Euro. Die Partnerorganisation bei der Abwicklung des Projekts war auf tschechischer Seite der Rat für die Opfer des Nazismus. Ihr Vorsitzender, Oldrích Stránsky, sagte vorige Woche bei der Abschlusspressekonferenz im Prager Außenministerium:

"Diese Entschädigung ist eine freiwillige Leistung Österreichs, und das schätzen wir sehr hoch. Ich will bei dieser Gelegenheit ausdrücklich betonen, dass die Zusammenarbeit hervorragend war. Und zwar aus folgendem Grund: Österreich ist an die ganze Sache von Anfang an sehr großzügig herangetreten, und meiner Meinung nach auch sehr unbürokratisch. Diese Tatsache muss man würdigen, und ihr ist auch der erfolgreiche Abschluss zu verdanken."


Der österreichische Versöhnungsfonds war bei der Schlussveranstaltung in Prag durch seinen Generalsekretär, Botschafter Richard Wotava, vertreten. Gab es bei der Abwicklung des Projekts irgendwelche Schwierigkeiten? Etwa in Form von unterschiedlichen Vorstellungen darüber, wem nun Geld zusteht oder nicht? Dazu Richard Wotava gegenüber Radio Prag:

"Nein, da gab es überhaupt keine Probleme! Die Kriterien sind ja im Versöhnungsfonds-Gesetz klar definiert. Und wenn diese Kriterien gegeben waren, dann haben wir die Auszahlungen vorgenommen. Die tschechische Partnerorganisation war in dieser Hinsicht besonders korrekt. Sie war manchmal sogar überkorrekt. Wir haben in einigen Fällen sogar von uns aus Höherstufungen vorgenommen, wenn wir den Eindruck hatten, dass die Kategorie zu niedrig ist."

Solche "Kategorien" gab es drei. Opfer, die unter KZ-ähnlichen Bedingungen Sklavenarbeit verrichten mussten, erhielten eine einmalige Zahlung von etwa 7500 Euro. Zirka 2500 Euro bekamen die, die in der Industrie eingesetzt waren. Und 1500 Euro ehemalige Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft. Die Anträge wurden von beiden Seiten genau überprüft, von den mehr als 12000 wurden schließlich etwa 11000 positiv erledigt. Richard Wotava:

"Ich scheue mich nicht, das nochmals zu wiederholen: Von den sechs Partnerorganisationen, die der österreichische Versöhnungsfonds hat, hat die tschechische am besten gearbeitet. Ohne Zweifel. Das war auch immer der Eindruck meines Kollegen Botschafter Schmid, der sehr oft nach Prag gekommen ist, um die so genannten Stichproben vorzunehmen. Manchmal kamen auch Vertreter der tschechischen Partnerorganisationen nach Wien, und wir haben die Stichproben in Wien gemacht. Jedenfalls hat sich auch Botschafter Schmid immer äußerst lobend über die korrekte und präzise Arbeit der tschechischen Partnerorganisation geäußert."

Das Geld kam zu etwa 60 Prozent von der Republik Österreich und zu etwa 30 Prozent aus der österreichischen Wirtschaft. Knapp 10 Prozent steuerten die Bundesländer bei. Das Gesetz, das die Einrichtung des Versöhnungsfonds ermöglichte, wurde im Jahr 2000 mit Unterstützung aller österreichischen Parlamentsparteien beschlossen. Hat Botschafter Wotava auch eine dementsprechende Unterstützung aus der Bevölkerung verspürt?

"Absolut. Ich habe relativ viele Vorträge in Österreich gehalten. Denn wir haben natürlich auch Interesse daran, dass so eine Aktion, die ja letztlich erhebliche Beträge von österreichischen Steuerzahlern umfasst, in der Bevölkerung auch anerkannt wird. Wenn man den Menschen den Zweck des Gesetzes erklärt, und wenn man erklärt, dass zum ersten Mal überhaupt etwas für Zwangsarbeiter getan wurde, dann ist die Akzeptanz voll da. Wir haben eigentlich nie anders lautende Stimmen vernommen. Und wenn, dann waren das unbedeutende Raunzereien. Aber bei meinen Vorträgen und den anschließenden Diskussionen konnte ich immer eine vollkommene Akzeptanz feststellen - wenn man den Gesetzessinn erklärt hat."


Tschechischer Botschafter in Wien war während eines Großteils der Laufzeit des Projektes Jirí Grusa, der auch als Schriftsteller bekannt und nun Präsident des internationalen PEN-Klubs ist. Auch er erinnert sich heute an eine gute Zusammenarbeit zwischen Tschechien und Österreich, zwischen dem Rat der Opfer des Nazismus und dem österreichischen Versöhnungsfonds:

"Auf dieser Ebene war das von Anfang an atmosphärisch in Ordnung, fast schwerelos. In diesem Sinne war das eine konsequente positive Arbeit, was ich in meiner politischen Karriere nicht so oft erlebt habe. Sowohl die Österreicher wie auch die tschechischen Institutionen haben das Motto dieser Psychologie nie verlassen. Und das ist ja in anderen Bereichen nicht immer der Fall gewesen."

Grusa hat sich in den langen Jahren, die er als tschechischer Botschafter in Wien gearbeitet hat, immer wieder mit der Aussöhnung beider Länder und ihrer komplizierten, stets miteinander verschränkten Geschichte auseinandergesetzt. Nun, auf der Abschlusspressekonferenz des österreichischen Versöhnungsfonds, hat Radio Prag ihn gefragt, ob es auch in der Geschichte Schlusspunkte gibt.

"Die Geschichte kennt keine Schlusspunkte. Sie ist immer wieder wiederholbar, und das ist ihr Unglück. Aber die Geschichte kennt Doppelpunkte. Das heißt, wenn Sie nach einem Satz einen Doppelpunkt machen, dann bekommen Sie einen Dialog. Aus dem Monolog wird ein Dialog, und das ist uns gelungen. Diese monologische Art, vom Anderen zu verlangen, er müsse etwas tun, oder die Vorwürfe, dass das historische Gedächtnis des Anderen zu kurz ist, das ist das Problem dieses Raumes. Die Österreicher waren uns hier einen Schritt voraus."

Das war der ehemalige tschechische Botschafter in Wien - und der Schlusspunkt hinter unseren heutigen Schauplatz.