Zwei Opern in einem Erzählstrang: Prager Staatsoper verknüpft „Pagliacci“ mit „Cavalleria rusticana“
In der Prager Staatsoper wird derzeit die letzte Premiere der Spielzeit vorbereitet. Es handelt sich dabei um eine Neuinszenierung der Opern „Pagliacci“ von Ruggiero Leoncavallo und „Cavalleria rusticana“ von Pietro Mascagni. Vor der Generalprobe traf Martina Schneibergová mit dem Inszenierungsteam zusammen.
In fast allen Opernhäusern der Welt werden die beiden Opern an einem Abend aufgeführt. Dabei wird in der Regel Mascagnis „Cavalleria rusticana“ als die erste und „Pagliacci“ als die zweite Oper gespielt. Für die Prager Staatsoper entschied sich Regisseur Ondřej Havelka jedoch, die beiden Stücke in der umgekehrten Reihenfolge zu spielen. Er habe zudem die Idee für interessant gehalten, die beiden Opern miteinander zu verbinden und sie als eine Geschichte zu erzählen, merkte Havelka an:
„Ich dachte, dass die Figur, die die beiden Stücke verbindet, Tonio sein könnte. Wir haben ihn mit etwas Frechheit auch in der zweiten Oper von Alfio auf Tonio umgetauft. Im Finale von ,Pagliacci‘ ist er derjenige, der die Tragödie verursacht. Denn er fordert den eifersüchtigen Canio auf, sich zu rächen. Tonio wird mit der Zeit – und jetzt folgt schon die zweite Oper ,Cavalleria rusticana‘ – zu einem bedeutenden Mann in dem Städtchen. Er hat Macht und Geld und ist zum Bösewicht geworden.“
Havelka erklärte, er habe sich bei der Inszenierung von neorealistischen Filmen inspirieren lassen…
„Ich verstehe den Verismus in den Opern als eine Parallele zum Neorealismus, der sich zuerst in der Literatur und anschließend ab den 1940er Jahren in der Kinematografie durchgesetzt hat. Ich liebe diese Filme. Wir haben uns bemüht, dass die Inspiration durch die neorealistischen Filme im Bühnenbild und in den Kostümen ein wenig spürbar wird.“
Über die Neuinszenierung sprach Radio Prag International auch mit dem künstlerischen Leiter des Opernensembles der Prager Staatsoper und des Nationaltheaters, Per Boye Hansen:
Herr Hansen, wie haben Sie den Regisseur und Musiker Ondřej Havelka kennengelernt?
„Er ist einer der ersten Regisseure, denen ich in Tschechien begegnet bin. Kurz nach der Wiedereröffnung der Staatsoper im Januar 2020 hat er eine Wiederaufnahme von ‚La Bohème‘ gemacht. Ich habe eine Gruppe neuer, junger Sänger zusammengestellt und er hat mit ihnen sehr intensiv gearbeitet. Es war sehr schön, ihn bei der Arbeit zu beobachten. Wir kamen schnell ins Gespräch und haben uns entschieden, etwas gemeinsam zu machen. Ich dachte, dass diese zwei Stücke ihm ganz gut liegen könnten. Er inszeniert sie nun auf eine traditionelle, aber sehr professionelle Art und dass schätze ich sehr.“
Havelka kam auf die Idee, die beiden Opern durch eine der Figuren miteinander zu verbinden. Was halten Sie von diesem Ansatz?
„Ich finde es sehr interessant, den Tonio und den Alfio als eine Person darzustellen. Es gibt auch kurze Filmaufnahmen, die das dem Publikum erklären sollen. Die Videos werde ich jedoch selbst erst bei der Generalprobe sehen.“
Wie haben Sie die Besetzung ausgesucht?
„Die Besetzung habe ich schon vor ein paar Jahren zusammengestellt. Wir haben zwei junge tschechische Sängerinnen engagiert, die die Partien von Nedda und von Santuzza singen. Schon als Denys Piwnickyi in der Oper ,Plameny‘ mitwirkte, war mir zudem bereits klar, dass er Canio singen könnte. Die Rollen sind sehr dramatisch, man muss deshalb ganz tolle Schauspieler finden. Ich bin nun sehr gespannt auf das Ergebnis.“
Die erste Premiere der beiden Opern findet am Donnerstag, 15. Juni, um 19 Uhr in der Staatsoper statt. Die zweite Premiere folgt am 17. Juni. Für die beiden Vorstellungen gibt es noch Restkarten.