Zwischen Monteuranzug und Vorlesung - die Hochschule von Skoda Auto in Mladá Boleslav
Das Industrieunternehmen Skoda Auto hat in den letzten Jahren eine eigene Hochschule mit staatlich anerkanntem, akademischen Abschlussgrad aufgebaut. Diese ungewöhnliche Hochschule, Skoda Auto Vysoká Skola, möchten wir Ihnen in der heutigen Ausgabe des Wirtschaftsmagazines vorstellen. Dazu begrüsst Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, am Mikrofon in Prag Jürgen Siebeck.
Die Prorektorin für Lehre und Forschung, Dipl.-Ing. Alena Chromcová, legt Wert auf die Feststellung, dass ihre Hochschule im Prinzip jedem Tschechen und auch Ausländern mit Sekundärschulabschluss offen steht. Dies bestätigt auch Magister Petr Sulz, der neben seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule für die Bereiche Organisation und Studienplanung verantwortlich ist:
"Unsere Schule hat jetzt 212 Studenten und davon sind etwa 20 Skoda Mitarbeiter. Fünf Studenten arbeiten bei anderen Gesellschaften. Wir planen in Vollkapazität zwischen 300-350 Studenten zu haben."
In diesem Jahr hatten sich etwa 200 Abiturienten um einen Studienplatz am Skoda Auto College beworben. Nach der Aufnahmeprüfung in Mathematik und einer Fremdsprache (Deutsch oder Englisch) wurden die besten 100 Kandidaten zum Studium zugelassen. Weibliche Studenten machen zur Zeit etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus.
"Unser Studienprogramm dauert 3,5 Jahre. Die Studenten studieren sechs Semester und ein Semester machen sie ein Praktikum."
Dieses Praktikum verlängert die Studiendauer bis zum Bakkalaureat im Vergleich zu anderen Hochschulen um ein halbes Jahr.
Vom Inhalt her dominieren im Studium "Wirtschaft und Management" mikro- und makroökonomische Fragen, Buchhaltung, Grundlagen des Rechts und die Vermittlung von zwei Fremdsprachen sowie von Computerkenntnissen. Immer wieder werden in das Studium Erfahrungen aus der direkten praktischen Anwendung eines Automobilkonzerns sowie seiner Zulieferbetriebe integriert. Frau Magister Lenka Stejskalová, die Leiterin des Bereiches Fremdsprachen an der Hochschule, nennt die beiden Studiengänge, die zur Zeit bei Skoda angeboten werden:
"Wir bieten zwei Spezialisierungen an: erstens Betriebswirtschaft und Betriebsmanagement und dann Betriebswirtschaft und Handelsmanagement. Die Lehrveranstaltungen werden in einer großen thematischen Bandbreite von einem Team von 10 Vollzeitmitarbeitern und zusätzlich von zahlreichen Dozenten und Professoren anderer Hochschulen aus dem In- und Ausland angeboten. Daneben gibt es noch Vorträge von Experten in den verschiedensten Sachgebieten oder in den neuesten Technologien, die im Blick auf praktische Erfahrungen wichtig sind. Hier profitieren wir als Teil der Firma Skoda Auto natürlich vom leichteren Zugang zu den Topmamanagern der Automobilindustrie. Zugleich erlaubt uns dies sowie die noch überschaubare Zahl der Studenten, ihnen ein flexibles, auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmtes, möglichst optimales Studienprogramm anzubieten. Einen besonderen Stellenwert nehmen auch die Fremdsprachenausbildung und die kurzen oder längeren Auslandsaufenthalte der Studenten ein - Intensivsprachkurse oder Praktika in unseren Partnerfirmen VW in Wolfsburg, Seat in Spanien, in England bei Bentley oder einer der Zulieferfirmen. Ein Student war sogar im letzten Jahr in den USA beim einem Programm für künftige Führungskräfte der Industrie. Auch im wissenschaftlichen Bereich und bei konkreten Projekten nutzen wir die Kooperation mit dem Ausland - mit Fachhochschulen oder Universitäten in Deutschland, Polen, den Niederlanden und in den USA."
Soweit Magister Stejskalová. Etwa 20 % der Studenten machen ihr halbjähriges Praktikum im Ausland. Allgemein werden an die Studenten die gleichen, wenn nicht sogar höhere Leistungsanforderungen gestellt wie an die Studenten der staatlichen Hochschulen Tschechiens. Im Unterschied zu diesen müssen die Skoda-Studenten aber Studiengebühren von jährlich fast 1.000 Euro bezahlen.
"Unsere Studenten zahlen 29.000 Kronen pro Jahr. Wir finden das relativ günstig für die Studenten, die zum Beispiel in Mladá Boleslav oder der näheren Umgebung wohnen, weil es günstiger ist als in Prag zu studieren."
Denn dort sind die Mieten auch für Studenten sehr hoch. Magister Sulz bedauert zwar, dass die Skoda-Hochschule im Unterschied zu den öffentlichen Universitäten vom Staat keinerlei Zuschüsse für den sozialen Bereich der Studenten (Unterkunft und Verpflegung) erhält. Aber er weist daraufhin, dass ihre Studenten bei Arbeiten im Unternehmen einen ausreichenden Verdienst erzielen könnten. Zudem würde ihnen die Studienliteratur weitgehend kostenfrei zur Verfügung gestellt. Prorektorin Chromcová hat die Gesamtkosten der Hochschule im Blick:
"Die Studiengebühren von 29.000 Kronen pro Jahr sind nicht ausreichend, um unser Budget zu decken. Das Unternehmen Skoda Auto ist zu etwa 50% an der Deckung unserer direkten Kosten beteiligt. Darüber hinaus werden natürlich noch die Räume und vieles mehr zur Verfügung gestellt. Unsere Studenten bekommen weder die Garantie eines Arbeitsplatzes bei Skoda nach ihrem Studium, noch haben sie eine Verpflichtung während oder nach ihrem Studium hier zu arbeiten. Es gibt keine Verpflichtungen, aber es gibt Chancen. Unseren Studenten werden von der Firma interessante Arbeitsmöglichkeiten angeboten und sie können auswählen. Ein Beispiel aus der jüngster Zeit ist die Mitarbeit von unseren Studenten bei der Entwicklung und Markteinführung eines Global Positioning Systems (Navigationssystems) in Skoda Wagen."
Die ersten Absolventen der Skoda Auto Hochschule werden ihr Studium im Jahr 2004 abschließen. Von ihnen erwartet man nach Frau Magister Stejskalová:
"Die Graduierten unserer Hochschule sollten ihre Sprachkenntnisse unter Beweis stellen können, gute Kenntnisse im wirtschaftlichen Bereich, in den Technologien und den Natur- bzw. Ingenieurwissenschaften haben. Sie sollten in der Lage sein, in verschiedensten Abteilungen einer Firma zu arbeiten, ob in der Fertigung, in der Forschung und Entwicklung, genauso wie im Marketing und Verkauf. Natürlich wird sich im Laufe des Studiums und vor allem der Praktika sowie bei der Examensarbeit, die meist aus den Praktika heraus entsteht, eine gewisse Spezialisierung entwickeln. Sie können in der Automobilindustrie arbeiten oder sich mit einer eigenen Firma selbstständig machen. Wir versuchen, ihnen im Studium und möglichst praxisnah die erforderlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, so dass sie die Gewissheit haben, die Studiengebühren und ihren Lerneifer in eine erfolgreiche zukünftige berufliche Karriere investiert zu haben."
Die Studenten können auch auf dem Bakkalaureat-Abschluss aufbauen und an einer staatlichen Hochschule weiter auf einen Magister- oder Doktoratsabschluss hinarbeiten. Vom Leistungsniveau der Studenten ist man in der Hochschulleitung sehr angetan und die regelmäßigen Umfragen unter den Studenten belegen, dass auch sie weitestgehend zufrieden sind.
Prorektorin Chromcová unternimmt einen Ausblick in die Zukunft der Hochschule:
"Wir können sagen, dass wir drei Hauptpläne haben: wir würden gern ein Programm für einen noch höheren Bildungsabschluss ausarbeiten, den Magistergrad. Dann möchten wir unseren Bakkalaureat-Grad auch als Fernstudium offerieren und in Zukunft unsere Studiengänge auch in anderen Sprachen als Tschechisch anbieten können."
Damit beenden wir den Besuch bei der Skoda Auto Hochschule in Mladá Boleslav und auch das heutige Wirtschaftsmagazin. Aus Prag verabschiedet sich von Ihnen Jürgen Siebeck.