10. Todestag von Alexander Dubcek

Alexander Dubcek

Alexander Dubcek - wer kennt den Namen des Politikers nicht, der auch in Westeuropa zur tragischen Symbolfigur des Prager Frühlings wurde. Dem unscheinbar wirkenden Kommunisten verdankte die Tschechoslowakei Ende der 60er Jahre eine kurze Spanne relativer Freiheit. Mit Dubceks Wahl zum Parteivorsitzenden im Januar 1968 begann der sog. Prager Frühling, der durch den Einmarsch von Warschauer Pakt-Truppen im August 1968 ein abruptes Ende fand. Dubcek selbst fiel in Ungnade der neuen Parteispitze. Die Samtene Revolution brachte ihm im November 1989 ein politisches Comeback.

Alexander Dubcek
Alexander Dubcek - wer kennt den Namen des Politikers nicht, der auch in Westeuropa zur tragischen Symbolfigur des Prager Frühlings wurde. Dem unscheinbar wirkenden Kommunisten verdankte die Tschechoslowakei Ende der 60er Jahre eine kurze Spanne relativer Freiheit. Mit Dubceks Wahl zum Parteivorsitzenden im Januar 1968 begann der sog. Prager Frühling, der durch den Einmarsch von Warschauer Pakt-Truppen im August 1968 ein abruptes Ende fand. Dubcek selbst fiel in Ungnade der neuen Parteispitze. Die Samtene Revolution brachte ihm im November 1989 ein politisches Comeback. Unbestritten ist Dubceks Verdienst am Prager Frühling, doch inzwischen sind hierzulande Stimmen zu hören, die seine Rolle bei der Zerschlagung der Reformbewegung kritisieren. Vor 10 Jahren, am 7. November 1992, erlag Alexander Dubcek den Verletzungen, die er bei einem Autounfall Anfang September `92 erlitten hatte. Aus diesem Anlass wollen wir nun einen Blick auf diese umstrittene Persönlichkeit der tschechoslowakischen neuzeitlichen Geschichte werfen.

Zur Welt kam Alexander Dubcek am 27. November 1921 im slowakischen Uhrovec als zweiter Sohn begeisterter Kommunisten. Seine Kindheit und Jugend verbrachte Dubcek in der Sowjetunion. Hier wollten die idealistischen Dubceks beim Aufbau des Sozialismus helfen. 1938 kehrten sie in die Tscehchoslowakei zurück. Kurz darauf wurde das Münchner Abkommen unterzeichnet. Als überzeugte Kommunisten beteiligten sich Vater und Söhne Dubcek nach der Entstehung des faschistischen slowakischen Staates 1939 am Widerstand. Mit 18 Jahren trat Alexander Dubcek in die bereits illegale Kommunistische Partei der Slowakei ein. Im August 1944 beteiligte er sich am slowakischen Nationalaufstand gegen die Faschisten - sein Bruder Julius fiel in jenen Augusttagen. Das Kriegsende erlebte der 23jährige Alexander als Widerstandskämpfer in der Slowakei.

Zunächst schien sein Leben einen völlig normalen Lauf zu nehmen, Dubcek arbeitete im westslowakischen Trencin in einer Fabrik. Nach der Machtergreifung der Kommunisten im Februar 1948 begann die politische Karriere des zukünftigen ersten Mannes der tschechoslowakischen Kommunisten. Nach Ämtern auf Kreisebene folgte Mitte der 50er Jahre ein Studium an der Parteihochschule in Moskau. 1960 wurde der damals 39jährige Dubcek in das Zentralkomitee der slowakischen Kommunistischen Partei gewählt, 1963 war der unscheinbare Dubcek bereits erster Sekretär der slowakischen Kommunistischen Partei und hatte einen Platz im ZK der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei.

Mitte der 60er Jahre nahmen in der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei die Diskussionen über zu ergreifende wirtschaftliche Massnahmen zu. Zwei Lager standen sich gegenüber: das der Reformisten und das des Parteivorsitzenden Antonin Novotny, der jegliche Reformen ablehnte. Ende 1967 spitzten sich die innerparteilichen Auseiandersetzungen zu - Novotny trat zurück. Ein neuer, provisorischer Parteivorsitzender musste schleunigst gefunden werden, der die Partei bis zum nächsten Kongress führen sollte. Der Slowake Dubcek schien der geeignete Kandidat für diese Übergangszeit zu sein. Dubcek gehörte zwar zu den Kritikern der alten Parteiführung und forderte Reformen, andererseits entsprach er dem Bild eines typischen Apparatschiks, der seine politische Karriere Schritt für Schritt innerhalb der Partei gemacht hatte. Im Januar 1968 wurde Dubcek Vorsitzender der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. In den Wochen und Monaten nach seiner Wahl erlebte die Tscehchoslowakei ihren Frühling.

Die Zensur wurde aufgehoben, Meinungs-, Versammlungs- und Reisefreiheit wurden respektiert, politische Parteien und Vereinigungen, die zuvor verboten gewesen waren, begannen erneut zu existeren. Kommunistische Hardliner wurden abgelöst, eine neue Regierung gebildet. Im April `68 verabschiedete die neue Parteispitze ein "Aktionsprogramm" zur Lösung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme. In einer Rundfunkansprache charakterisierte Dubcek seine Vorstellungen wie folgt:

"Wir haben Ihnen versprochen, dass wir an der Entwicklung, die im Januar begonnen hat, festhalten. Damals setzten wir uns zur Aufgabe, in unserer Heimat eine sozialistische Gesellschaft mit menschlichem Antlitz aufzubauen, die zutiefst demokratisch, sozial gerecht und modern orientiert sein soll. Eine Gesellschaft, die sozialistische Werte mit nationalen vereint, in der unsere Bürger nach ihrem Wissen und Gewissen souverän über ihr eigenes Schicksal entscheiden können."

Die Parole vom "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" begeisterte die Bevölkerung. Innerhalb weniger Wochen wurde Dubcek zur beliebtesten Persönlichkeit im Lande. Die Veränderungen und Reformen in der Tschechoslowakei verfolgten die sozialistischen Bruderstaaten jedoch mit Argwohn. Wiederholt kam es zu Treffen von Dubcek mit führenden Kommunisten aus den Warschauer Pakt-Staaten. Das Ende des Prager Frühlings kam am 21. August 1968:

Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch Warschauer Pakt-Truppen wurde die Partei- und Regierungsspitze am 22. August nach Moskau verschleppt. Hier erwarteten Dubcek und seine Mitstreiter erniedrigende Verhandlungen. An deren Ende stand das sog. Moskauer Protokoll, das die Niederlage des Reformkurses besiegelte. Damals wie heute werfen und warfen viele enttäuschte Tschechen und Slowaken Dubcek vor, er habe in dieser Situation versagt. Er hätte seine Unterschrift unter das Protokoll verweigern können, das u.a. die Stationierung sowjetischer Truppen in der Tschechoslowakei beinhaltete. Dubcek kehrte aus Moskau als gebrochener Mann zurück. In einer Rundfunkansprache nach seiner Rückkehr versagte seine Stimme:

"Liebe Zuhörer, ich bitte Sie die an einigen Stellen entstandenen Pausen zu entschuldigen. Wir alle, die wir in den letzten Tagen in Moskau verhandelt haben, sind Ihnen zutiefst dankbar für die mutige kommunistische Arbeit, durch die Sie in den letzten Tagen eine Eskalation der Situation verhindert und die Einheit unserer Völker bewahrt haben."

Die Normalisierung hielt ihren Einzug. Im April 1969 trat Dubcek von seinem Amt als Parteichef zurück. Einige Monate war Dubcek Vorsitzende des neuentstandenen föderativen Parlaments. In dieser Funktion unterzeichnete er ein umstrittenenes Gesetz, das sog. Schlagstock-Gesetz, das ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten erlaubte. Die Unterschrift unter dieses Gesetz brachte ihm weitere Kritiker ein, erselbst bereute später seine Unterschrift. Ende des Jahres 1969 wurde Dubcek als Botschafter in die Türkei abgeschoben. Alle Versuche der neuen Parteispitze, den unzwischen unliebsamen Kollegen zur Emigration zu zwingen, scheiterten. Dubcek kehrte über Umwege in seine Heimat zurück. Nach seinem Parteiausschluss 1970 arbeitete Dubcek bis zu seiner Pensionierung 1985 bei der Forstverwaltung in Bratislava. Aus der Politik hatte er sich vollständig zurückgezogen. Einige Male schrieb er kritische Briefe an Präsident Gustav Husak und die Regierung, doch aktiv beteiligte sich Dubcek in keiner Bürgerrechtsbewegung, auch die Charta 77 unterzeichnete er im Gegensatz zu anderen Politikern der 68er Generation nicht.

Dubcek am 24. November 1989
Die Samtenen Revolution im November 1989 brachte Dubcek ein bejubeltes politisches Comeback. Hunderttausende begrüssten die Symbolgestalt des Prager Frühlings begeistert, in Prag hielt Dubcek seine erste Rede nach zwei Jahrzehnten des erzwungenen Schweigens:

"Liebe Mitbürger! In dieser wichtigen Zeit, die wir alle erleben, bitte ich Sie, Ruhe zu bewahren. Der Verlust auch nur eines Menschenlebens wäre tragisch. Ich bin überzeugt, dass die Wahrheit siegen wird."

Doch aus einem glorreichen Comeback und dem Einzug in die Prager Burg als neuer Präsident wurde nichts. Dubcek war in seinen Gedanken und Vorstellungen beim Sozialismus mit menschlichen Antlitz stehengeblieben und träumte von einer Vollendung des Prager Frühlings - doch von dem wollte 20 Jahre später niemand mehr etwas hören. Nicht Dubcek wurde zum Präsident der demokratischen Tschechoslowakei gewählt, sondern Vaclav Havel. Mehr oder weniges als Trostpflaster wurde Dubcek am 28. Dezember 1989 zum Vorsitzenden des föderalen Parlaments gewählt.

Bei der feierlichen Enthüllung einer Gedenktafel am Tschechoslowakischen Rndfunk hatte Dubcek im August 1990 22 Jahre nach dem Prager Frühlng die Möglichkeit, sich für die damals geleistete Unterstützung zu bedanken:

"Liebe Freunde, wir stehen an einem Ort, der sich tief in die Herzen der Tschechen und Slowaken geschrieben hat. Zutiefst verbeuge ich mich vor allen bekannten und unbekannten Mitarbeitern des tschechoslowakischen Rundfunks, ohne deren aufopfernde Arbeit der einheitliche Geist des Widerstandes und der Diziplin nicht vorstellbar gewesen wäre."

Glücklich wurde Dubcek auf diesem Posten in der für ihn völlig neuen Zeit nicht. Vielen war der ehemalige Kommunist ein Dorn im Auge. Eine neue politische Heimat fand Dubcek schliesslich bei den slowakischen Sozialdemokraten, zu deren Vorsitzenden er gewählt wurde.

Anfang September 1992 kam das Auto, in dem Alexander Dubcek sass, von der Strasse ab. Fünf Wochen später, am 7. November 1992, erlag Dubcek in einem Prager Krankenhaus seinen Verletzungen. Sofort machten Gerüchte von einem möglichen Attentat die Runde. Drahtzieher wurden in jenen Wochen, in denen über die Teilung der Tschechoslowakei verhandelt wurde, sowohl in Prag als auch in Bratislava vermutet. Dubcek wurde damals als heisser Kandidat für das Amt des slowakischen Präsidenten gehandelt. Zur Aufklärung des Unfalls hatte das slowakische Parlament eine Sonderkommission gebildet, auch die tschechische Polizei befasste sich gründlich mit dem Autounfall. Im Febraur 2000 wurde das endgültige Urteil gefällt: den Autounfall verursachte Dubceks Fahrer, der zu schnell gefahren war - Beweise für einen möglichen Anschlag wurden nicht gefunden.