100 Jahre Sport: Tschechen und Slowaken holten über 4500 WM-Medaillen

Tschechische Sportler (Foto: ČTK / Ondřej Deml)

In knapp vier Wochen ist es soweit, dann feiert man hierzulande den 100. Jahrestag der Gründung der Tschechoslowakei. Ein Bestandteil des Jubiläums sind auch 100 Jahre Sport in Böhmen und Mähren, knapp 70 davon im Verbund mit der Slowakei.

Tschechische Sportler  (Foto: ČTK / Ondřej Deml)

Miloš Zeman  (Foto: ČTK / Ondřej Deml)
Solch eine Ansammlung von nationalen Sportlegenden hat es wohl noch nie gegeben. Am vergangenen Freitag lud Präsident Miloš Zeman die erfolgreichsten Athleten zu einem Essen auf die Prager Burg, und der Tag klang mit einer abendlichen Gala der Sportler aus. Obwohl die Sieger von einst und heute es gewohnt sind, im Rampenlicht zu stehen, war das Stelldichein der Crème de la Crème aus dem Bereich Sport für die meisten Anwesenden doch etwas Besonderes. Auch für die Olympiasiegerin und zweifache Weltmeisterin im Skilanglauf, Kateřina Neumannová:

„Allein nur wenn man hierher in den Vorhof der Prager Burg kommt und auf die Persönlichkeiten des tschechischen Sports aus vergangenen Zeiten und der Gegenwart trifft, dann genießt man den Moment. Man hält inne und ist stolz, dass man dazugehört. Es ist eine wunderbare Gelegenheit, um sich zu vergegenwärtigen, was uns gelungen ist. Und es sollte Ansporn sein für die Jugend, den Staffelstab zu übernehmen und künftig oft noch Ähnliches zu erreichen, was wir in der Vergangenheit geschafft haben.“

Kateřina Neumannová  (Foto: ČTK / Ondřej Deml)
Kateřina Neumannová errang ihren größten Erfolg bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin, als sie die abschließende Skilanglaufkonkurrenz der Frauen über 30 Kilometer gewann. Damals war sie 33 Jahre alt, Turin war ihre fünfte und letzte Teilnahme bei Olympia. Das Küken der tschechischen Olympiamannschaft bei den Spielen in Norditalien war die seinerzeit erst 18-jährige Martina Sáblíková. Nur ein Jahr später begann die famose Siegesserie der Eisschnellläuferin: Sáblíková ist seitdem dreifache Olympiasiegerin und 17-malige Weltmeisterin geworden. Bei der Gala in Prag verwies sie indes darauf, wie wichtig für sie und ihre Karriere die direkte Begegnung mit Neumannová in Turin war:

„Das waren meine ersten olympischen Spiele. Das Rennen von Kateřina habe ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Ich konnte daher sehen, wie sie den letzten Abhang heruntergerauscht ist und bis zum Ziel noch einmal alles aus sich herausgeholt hat. Dieser Kampfgeist hat mich angestachelt und mir die Motivation für meine eigene Karriere gegeben. Und dafür danke ich dir, Kateřina.“

Kateřina Neumannová: „„Allein nur wenn man hierher in den Vorhof der Prager Burg kommt und auf die Persönlichkeiten des tschechischen Sports aus vergangenen Zeiten und der Gegenwart trifft, dann genießt man den Moment. Man hält inne und ist stolz, dass man dazugehört.“

Apropos Idole. Wie wichtig diese für die Motivation und Selbstfindung heranwachsender Sportler sind, weiß auch der tschechische Eishockey-Superstar Jaromír Jágr:

„Wenn du etwas erreichen willst, brauchst du Vorbilder. Du musst dich für die Sportler interessieren, die erfolgreich waren oder es noch sind. Du musst dir von ihnen abschauen, was sie machen, wie sie trainieren, sich ernähren und anderes mehr. Und dann musst du versuchen, ihnen nachzueifern.“

Jaromír Jágr hat dies nicht nur getan, sondern stets noch etwas länger und härter trainiert als alle seine Mitspieler. Denn es war stets sein Ziel, einer er besten Eishockeycracks der Welt zu werden. Das hat der heute 46-Jährige eindrucksvoll geschafft: Er ist nach dem Kanadier Wayne Gretzky der zweitbester Scorer aller Zeiten in der nordamerikanischen National Hockey League. In der NHL eroberte er zweimal den begehrten Stanley Cup und darüber hinaus noch zehn individuelle Trophäen. Mit der tschechischen Nationalmannschaft wurde Jágr zudem zweimal Weltmeister und erkämpfte mit seinen Mitspielern 1998 den sensationellen Olympiasieg in Nagano.

Jaromír Jágr  (Foto: ČTK / Ondřej Deml)
Der absolute Held jenes Olympiasieges aber war Torhüter Dominik Hašek. Auch er spürt bis heute, dass dieser Triumph die Menschen in Tschechien in schier grenzenlose Begeisterung versetzt hat:

„Das Olympiaturnier in Nagano hat unseren Menschen wirklich riesige Freude bereitet. Und das haben meine Mitspieler und ich auch so verinnerlicht. Denn es passiert uns öfter, dass uns Leute grüßen, ansprechen und auch Fotos zeigen mit einigen Momentaufnahmen. Mir gefällt dabei besonders, dass sich fast alle von ihnen noch genau daran erinnern können, wie sie dieses Turnier durchlebt haben.“

Hašek und Jágr waren indes nicht die einzigen aus der großen Schar von Eishockeyspielern, die neben dem Olympiasieg zudem noch zwölf WM-Titel erkämpft haben, davon sechs zusammen mit den Slowaken. Mehrere von ihnen waren beim Empfang auf der Prager Burg und der Gala am Freitag mit von der Partie, was Jágr freute:

Jaromír Jágr: „Wenn du etwas erreichen willst, brauchst du Vorbilder. Du musst dich für die Sportler interessieren, die erfolgreich waren oder es noch sind. Du musst dir von ihnen abschauen, was sie machen, wie sie trainieren, sich ernähren und anderes mehr. Und dann musst du versuchen, ihnen nachzueifern.“

„Ein Sportler, der erfolgreich sein will muss die Geschichte seiner Sportart kennen. Ich bin sehr erfreut darüber, dass ich zu dieser Aktion eingeladen wurde. Ich habe dadurch die Möglichkeit, Sportlern zu begegnen, die mir die Richtung in meiner Karriere aufgezeigt haben, die meine Idole waren.“

Im Vergleich zum Eishockey hat es der zweite sehr populäre Sport in Tschechien schwerer, um auf sich aufmerksam zu machen – es geht um den Fußball. Denn in keiner anderen Mannschaftssportart ist die Konkurrenz wohl stärker als hier. Dennoch haben es die Kicker mehrfach geschafft, für Aufsehen zu sorgen. 1934 und 1962 wurde die tschechoslowakische Nationalmannschaft jeweils Vizeweltmeister, 1962 und 2003 wurden Josef Masopust und Pavel Nedvěd mit dem Goldenen Ball für Europas Fußballer des Jahres geehrt, 2005 und 2012 gewannen insgesamt drei tschechische Spieler mit ihren englischen Vereinen die Champions League. Ein Erfolg ragt jedoch noch ein wenig heraus: Der Gewinn der Europameisterschaft 1976 in Belgrad, als die tschechoslowakische Mannschaft im Finale das deutsche Team mit 3:2 im Elfmeterschießen besiegte. Dabei wurde Antonín Panenka mit seinem Elfmeter-Lupfer buchstäblich zur Legende.

Emil Zátopek  (links). Foto: Roger Rösling,  Deutsche Fotothek,  CC BY-SA 3.0
Wenn von herausragenden Leistungen tschechischer Sportler weltweit die Rede ist, dann fällt in der Regel immer wieder ein Name: Emil Zátopek. Der vierfache Olympiasieger im Langstreckenlauf wurde wegen seines unorthodoxen Laufstils auch als „Lokomotive aus Prag“ bezeichnet. Und ein solcher Antrieb war Zátopek dann letztlich auch für die tschechische Leichtathletik und den Sport insgesamt hierzulande, sagt Sportfunktionär Martin Doktor:

„Meiner Meinung nach sind die drei Läufe, die Emil Zátopek 1952 bei den Olympischen Spielen in Helsinki gewonnen hat, die größte Leistung, die ein tschechischer Sportler je vollbracht hat. Solch einen Erfolg wird wohl kaum einer wiederholen können. Diese Leistung hat den tschechischen Sport in der Welt berühmt gemacht und wirkt bis heute nach.“

Martin Doktor selbst ist zweifacher Olympiasieger im Kanurennsport. Beide Goldmedaillen erkämpfte er 1996 in Atlanta. Ebenfalls mit zweimal Olympiagold dekoriert ist Speerwerferin Barbora Špotáková. Die 37-Jährige ist noch aktiv, hat jedoch in diesem Jahr zum zweiten Male eine Babypause eingelegt. Auch Špotáková bemerkte auf der Gala, wie motivierend es für sie ist, mit Dana Zátopková ein Vorbild aus den eigenen Reihen zu haben:

Martin Doktor: „Meiner Meinung nach sind die drei Läufe, die Emil Zátopek 1952 bei den Olympischen Spielen in Helsinki gewonnen hat, die größte Leistung, die ein tschechischer Sportler je vollbracht hat. Solch einen Erfolg wird wohl kaum einer wiederholen können.“

„Ich habe mich im Wesentlichen schon von ihr inspirieren lassen. Zum Beispiel von der Kontinuität ihres Anlaufes. Doch man könnte noch viele andere Dinge finden.“

Dana Zátopková ist die Witwe des vor 18 Jahren verstorbenen Emil Zátopek. Die 96-Jährige fehlte aus gesundheitlichen Gründen beim Sportlertreff am Freitag. Ihren Speerwurf-Olympiasieg 1952 in Helsinki errang sie damals noch mit einem simplen Holzspeer. Dass Speerwerfen seither aber eine tschechische Domäne ist, belegen unter anderem die drei Olympiasiege und drei WM-Titel von Weltrekord-Inhaber Jan Železný.

Eine weitere Sportart, in der sich Tschechinnen und Tschechen seit Jahr und Tag immer wieder hervorragend repräsentieren, ist Tennis. Auf den Courts dieser Welt haben sie drei Mal den Davis Cup der Herren und zehn Mal den Fed Cup der Damen geholt. Und sie hatten und haben auch mehrere großartige Einzelspieler, genannt seien hier nur die neunfache Wimbledonsiegerin Martina Navrátilová, der achtfache Grand-Slam-Gewinner Ivan Lendl oder die übrigen Wimbledonsieger Jan Kodeš, Jana Novotná oder Petra Kvitová.

Brüder Jan und Jindřich Pospíšil  (Foto: Archiv der Brüder Pospíšil)
Viele weitere Sportler, die sich um den tschechischen Sport verdient gemacht haben, gäbe es noch zu nennen. Dafür aber reicht die Sendezeit leider nicht aus. Zusammenfassend aber kann man konstatieren: Bei sämtlichen Weltmeisterschaften haben tschechische Sportler insgesamt 4585 Medaillen gewonnen, davon glänzen 1139 golden. In der tschechischen Sport-Union (ČSU), die Veranstalter der Gala war, sind nahezu 1,3 Millionen Mitglieder registriert. Der stärkste Verband mit fast 320.000 Mitgliedern sind die Fußballer, etwas über 109.000 Aktive gibt es beim Eishockey. Leider immer etwas unerwähnt bleiben indes die Athleten in den sogenannten Randsportarten. Stellvertretend für sie sei zum Abschluss dieser Sendung noch ein Bruderpaar hervorgehoben, das in seiner Disziplin wirklich Fabelhaftes geleistet hat: Die Rede ist von den Brüdern Jan und Jindřich Pospišíl, die im Radball nicht weniger als 20 Weltmeistertitel errungen haben. Davor kann man nur den Hut ziehen. Trotz ihrer sagenhaften Erfolgsbilanz sind die zwei Brünner jedoch bodenständig und bescheiden geblieben wie eh und je. Und so freuten sich die beiden über 70-Jährigen nicht nur über die zahlreichen Begegnungen mit den Besten ihrer Zunft in den anderen Sportarten, sondern auch über jedes Autogramm. Jindřich Pospišíl hat dabei auch die Unterschrift von Tennis-Olympiasieger Miloslav Mečíř ergattert:

„Er war für uns auch ein Star, ohne Frage. Sowohl Jan Kodeš als auch Miloslav Mečíř waren Tennisspieler, die wir bewundert haben. Vielleicht war es umgekehrt genauso. Für mich ist es eine Ehre, Mečíř um ein Autogramm zu bitten. Das habe ich zur Erinnerung.“

Autor: Lothar Martin
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