„1968: Die Tschechoslowakei“: Tschechische Schriftsteller diskutierten über Prager Frühling

Seit einiger Zeit tauschen sie sich wieder aus, die Schriftsteller Milan Kundera und Václav Havel, und zwar auf den Seiten der tschechischen Zeitung für Literatur „Literární noviny“. Ihr Thema: der Prager Frühling 1968. Damit setzen sie eine Polemik fort, die sie schon vor 40 Jahren begonnen hatten. Unter dem Motto „1968: Die Tschechoslowakei“ diskutierten am Montag auch einige andere renommierte tschechische Schriftsteller auf dem 18. Prager Schriftstellerfestival.

Es war eine hochkarätige Runde von Zeitzeugen, die bereits zur Zeit des Prager Frühlings als renommierte und kulturpolitisch exponierte Schriftsteller galten, wenn auch in etwas unterschiedlichen Positionen. Einige waren Mitglieder der kommunistischen Partei, einige nicht, alle waren allerdings davon überzeugt, dass vieles im tschechoslowakischen Staat faul ist. Der Versuch, den Stand der Dinge während des Prager Frühlings zu ändern, scheiterte 1968. Die Schriftsteller Ludvík Vaculík, Ivan Klíma, Jiří Gruša, Antonín Liehm und Arnošt Lustig fielen allesamt in Ungnade der neokonservativen Machthaber. Mit Ausnahme von Ludvík Vaculík, Autor des bedeutenden Manifestes der 2000 Worte, gingen sie in die Emigration. Was hat für sie der Prager Frühling 1968 bedeutet? Das war die zentrale Frage ihrer Debatte und hier sind einige Antworten:

Ivan Klíma
„Eine wunderbare Wandlung von der großen Enttäuschung zur größten Hoffnung.“

So erinnert sich der jüdisch-tschechische Schriftsteller Arnošt Lustig an die wenigen Monate in 1968, die er als „schönste Tage“ seines Lebens bezeichnet. Ein Versuch um die Verbindung des Unverbindbaren, nämlich des Sozialismus und der Demokratie, war der Prager Frühling für Ivan Klíma. Und worin sieht er dessen Bedeutung?

„Zum Ersten war es eine absolute Diskreditierung des sowjetischen Modells des Sozialismus. Zum Zweiten war es eine Inspiration für Gorbatschow, der später noch einmal versuchte, den Kommunismus zu reformieren. Daran, wie es ausgefallen war, kann man sich vorstellen, wie es hierzulande weiter gegangen wäre, wenn es die sowjetische Militärintervention nicht gegeben hätte.“

Jiří Gruša hat hierzu mit der für ihn typischen Ironie die Bezeichnung „brüderliche Hilfeleistung“ geprägt. So haben nämlich die Kommunisten den Überfall der Sowjetpanzer präsentiert. Wem half also damals die Invasion?

„Den westlichen links-orintierten Intellektuellen, damit sie Grün werden können und aufhörten, rot zu werden.“

Für Antonín Liehm, Publizist, Cineast und Herausgeber der „Lettre International“ in Paris, hat der Prager Frühling mit der so genannten Tauzeit, zu der 1958 ein Signal aus Moskau gegeben wurde, zehn Jahre gedauert. Es sei die große Zeit der tschechischen Literatur, des Theaters und Films, aber auch eines bedeutenden Reifeprozesses in der Gesellschaft gewesen. Und insgesamt:

„Der Prager Frühling ist die Spitze eines Eisbergs gewesen, der am 21. August 1968 versenkt wurde.“