25 Jahre Charta 77 und "Anticharta"

Genau 25 Jahre ist es her: Am 07. Januar 1977 veröffentlichten drei der führenden europäischen Zeitungen - Le Monde, The Times und die Frankfurter Allgemeine Zeitung - das kurz zuvor erschienene legendäre erste Dokument der Dissidentenbewegung Charta 77. Der an das kommunistische Regime gerichtete Appell zur Einhaltung der Menschenrechte war zu diesem Zeitpunkt bereits von 242 Menschen unterzeichnet worden. Die kommunistische Presse entfachte am selben Tag, als die Weltöffentlichkeit auf die neuentstandene Bürgerrechtsbewegung aufmerksam wurde, eine Kampagne gegen die Unterzeichner der "Charta" - ohne freilich deren Gründungsdokument jemals im Original-Wortlaut zu zitieren. Silja Schultheis berichtet.

Unter der Überschrift "Wessen Interesse ist das?" prangerte das Parteiorgan "Rude Pravo" am 7. Januar 1977 erstmals öffentlich die "Chartisten", also die Signatare der Charta 77, an. Als eigentlicher Auftakt der darauf folgenden Kampagne gilt jedoch der in derselben Zeitschrift fünf Tage später unter dem Titel "Gescheiterte und Usurpatoren" veröffentlichte Artikel, in dem es u.a. heißt, das erste Dokument der Charta 77 sei "von einer kleinen Gruppe aus den Reihen der gescheiterten reaktionären tschechoslowakischen Bourgeoisie und der gescheiterten Organisatoren der Konterrevolution von 1968 auf Bestellung antikommunistischer und zionistischer Zentralen gewissen westlichen Agenturen übergeben worden". Es handele sich um eine antisozialistische demagogische Schmähschrift. Es folgten Verhaftungen, Verhöre und Landesausweisungen der "Chartisten". Ihren Höhepunkt erreichte die Kampagne schließlich am 28. Januar 1977 mit der Unterzeichnung der sog. "Anticharta" durch zahlreiche namhafte Künstler im Prager Nationaltheater. Einen Tag später wurde die "Anticharta" in der Parteizeitung "Rude Pravo" veröffentlicht.

Es handelte sich um ein öffentliches Bekenntnis zu dem herrschenden kommunistischen Regime und zugleich eine Verurteilung der Gründungsideen der Charta 77. Einige der Künstler, die sich damals von den Kommunisten für die öffentliche Zur-Schau-Stellung der Charta 77 einspannen ließen, distanzierten sich nach 1989 von ihrem damaligen Verhalten. So bekannte beispielsweise Oscarpreisträger Zdenek Sverak, Regisseur des weltweit erfolgreichen Filmes "Kolja", bereits 1990, er habe damals Angst gehabt und schäme sich bis heute für sein Verhalten.

Zur Erinnerung an die Ereignisse im Prager Nationaltheater vor 25 Jahren hat Senatspräsident Petr Pithart - selbst Signatar der Charta 77 - für den 29. Januar im Senat ein Treffen anberaumt, an dem nicht nur ehemalige "Chartisten", sondern auch deren Helfer aus der "Grauzone" der antikommunistischen Tätigkeit, die öffentlich nicht in Erscheinung getreten sind, teilnehmen sollen. Radio Prag hält Sie darüber auf dem Laufenden.