35 Kilometer Bücher: Nationalbibliothek eröffnet neues Zentraldepot
Die Tschechische Nationalbibliothek dient als die zentrale Bibliothek in Tschechien. Sie hat ihren Hauptsitz im Barockareal des ehemaligen Jesuitenkollegs Klementinum. Da die Kapazitäten der historischen Gebäude nicht mehr ausreichen, wurde am Stadtrand von Prag ein neues Depot erbaut. Kurz vor der vollständigen Inbetriebnahme des modernen Außenmagazins wurde dort vorige Woche ein Tag der offenen Tür veranstaltet. In seinem Rahmen konnten sich die Besucher auch einige Räumlichkeiten anschauen, die sonst für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind.
„Im Rahmen dieses Projektes haben wir die Aufgabe, 8,3 Prozent der Bohemica, die die Nationalbibliothek besitzt, zu digitalisieren. Es handelt sich hierbei um etwa 50.000 Bände – also um etwa 13 Millionen Seiten, die jährlich digitalisiert werden sollen. Dieser Prozess wird auch in Zukunft weitergeführt. Denn die Buchbestände wachsen ständig an, und wir müssen den Schnitt von 8,3 Prozent einhalten. Im Laufe eines Jahres kommen etwa 100.000 neue Buchposten hinzu. Der Prozess wird eigentlich nie vollendet sein.“
Bohemica sind alle Veröffentlichungen aus den früheren Böhmischen Ländern, der Tschechoslowakei und der heutigen Tschechischen Republik. Laut Böhm liegt der Anteil digitalisierter Bücher in der Nationalbibliothek im Übrigen niedriger als in den vergleichbaren Einrichtungen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder Norwegen.„Diese Länder haben aber auch viel früher mit der Digitalisierung ihrer Fonds begonnen. Neben der Digitalisierung der Bohemica haben wir in diesem Jahr auch noch ein weiteres Projekt gestartet, im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft mit Google: Es ist die Digitalisierung alter Bücher und Handschriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert.“
Im neuen Zentraldepot sind rund zwei Millionen Bände gelagert. Künftig soll zudem die ältere Halle des Außenmagazins modernisiert werden, wo momentan etwa drei Millionen Bücher aufbewahrt sind. Insgesamt sollen nach dem Umbau des älteren Gebäudes in Hostivař bis zu zehn Millionen Bücher gelagert werden können.Links vom Eingang in das Gebäude geht es in den Studiensaal. Er erinnert an den so genannten „Brüsseler Stil“, der nach der Expo in Brüssel 1958 benannt ist. Auf verstellbaren Tischen können auch Dokumente mit größerem Format ausgebreitet werden. Ebenso steht hier eine Handbibliothek zur Verfügung. Hanuš Hemola ist stellvertretender Direktor der Nationalbibliothek, er ist für die Verwaltung der Bücherfonds zuständig:
„Den ersten Kontakt zur Nationalbibliothek werden Interessenten auch weiterhin über die Zentrale im Klementinum pflegen. Hier im Zentraldepot befinden sich der Nationale Konservierungsfonds und die Konservierungsfonds des 19. Jahrhunderts. Aus diesen Fonds werden die Bände oder Dokumente nur in dem Fall ausgeliehen, wenn es das gesuchte Dokument weder im Klementinum, noch in einer anderen Bibliothek in Tschechien gibt. Dann wird der Besucher zu uns ins Zentraldepot geschickt. Hier kann er mit unseren Mitarbeitern dann vereinbaren, was er wann brauchen wird - und unsere Angestellten werden die Dokumente für ihn nach Bedarf zur Verfügung stellen.“ Als Laie misst man die Kapazität eines Depots nach Bänden oder Büchern. Hanuš Hemola zufolge ist der Begriff „Band“ aber nicht ganz korrekt, auch wenn er benutzt wird. In der Fachsprache sprechen die Bibliothekare von „Bucheinheiten“.„Das kann auch eine Ansichtskarte, ein Mikrofilm oder ein großer Foliant sein. Es handelt sich nicht immer um richtige Buchbände.“
Um deutlicher zu machen, wie viele Bucheinheiten im vergangenen Jahr aus dem Klementinum nach Hostivař transportiert wurden, sagt Hemola: Alle Bände aneinandergereiht würden eine 35 Kilometer lange Schlange bilden.
Das neue Zentraldepot der Tschechischen Nationalbibliothek befindet sich in der Straße Sodomkova Nr. 2 in Prager Stadtteil Hostivař.