60 Jahre Antarktis-Vertrag: Tschechien ist Konsultativstaat mit eigener Polarstation

Mendelstation in der Antarktis (Foto: Kamil Láska, Archiv der Masaryk-Universität)

Vor 60 Jahren trat der Antarktis-Vertrag in Kraft. In dieser internationalen Übereinkunft vom 23. Juni 1961 ist festlegt, dass die unbewohnte Antarktis zwischen 60 und 90 Grad südlicher Breite ausschließlich friedlicher Nutzung vorbehalten bleibt. Dabei geht es vor allem um die wissenschaftliche Forschung. 1962 trat auch die Tschechoslowakei dem Abkommen bei. Als deren Nachfolger gehört die Tschechische Republik zu den sogenannten Konsultativstaaten, die ebenfalls sämtliche Regelungen zur Nutzung des südlichsten Kontinents treffen.

Tschechische Wissenschaftler betreiben in der Antarktis die Mendel-Polarstation. Sie liegt auf der James-Ross-Insel und wird seit einigen Jahren regelmäßig von Forscherteams der Masaryk-Universität in Brno / Brünn genutzt. Deswegen wurde Tschechien im Jahr 2014 in den Kreis der Konsultativstaaten aufgenommen. Forscher Pavel Kapler:

„Nur einige Staaten haben ein Stimmrecht über diesen Kontinent, der größer ist als Europa. Und nur 29 Länder mit diesem Stimmrecht entscheiden darüber, wie in der Antarktis beispielsweise der Fischfang geregelt wird, ob vor Ort Bodenschätze abgebaut werden können oder ob Touristen dorthin kommen dürfen. Unter ihnen ist Tschechien das jüngste Land mit Mitspracherecht. Unsere Zugehörigkeit zu diesem elitären Klub beruht darauf, dass wir auf der Antarktis ein anspruchsvolles Forschungsprogramm verfolgen.“

Pavel Kapler  (Foto: ČT24)

Pavel Kapler von der Masaryk-Universität ist der Manager des tschechischen Antarktis-Programms und hat selbst bereits an neun Expeditionen teilgenommen. Ein Thema im Rat der Konsultativstaaten ist auch die Modernisierung der Forschungsstationen und ihre Ökologisierung. Derzeit werde aber ebenso über die Aufnahme weiterer Mitgliedsstaaten oder den Bau neuer Polarstationen diskutiert, so Kapler:

„In diesem Jahr wird über die Errichtung einer neuen Station für das türkische Forschungsprogramm in der Antarktis verhandelt. Das ist das große Thema, das gegenwärtig vorangetrieben wird.“

Die tschechischen Polarforscher-Teams reisen regelmäßig seit 2003 in die Antarktis. Die Expeditionen werden von der Brünner Masaryk-Universität organisiert. Auf dem zumeist noch vereisten Terrain rund um den Südpol untersuchen sie die Einflüsse des Klimawandels und der einzelnen Ökosysteme des Kontinents. Doch nicht nur dies. An den Forschungen nehmen Experten aus mehr als 30 Fachgebieten teil, angefangen von den Meteorologen über die Biologen, bis hin zu den Geologen und Paläontologen. Letztere wollen demnächst ihre neuesten Funde nach Tschechien bringen:

„Wir erwarten die Ankunft eines Transports mit wertvollen paläontologischen Proben. Sobald sie in Tschechien eingetroffen sind, wird die Öffentlichkeit über diese verblüffenden Funde informiert, die von tschechischen Geologen im Rahmen unseres Antarktis-Programms entdeckt wurden.“

Gregor-Mendel-Polarstation  (Foto: Kamil Láska,  Archiv der Masaryk-Universität Brno)

In der Vergangenheit haben die tschechischen Wissenschaftler in der Antarktis schon mehrere außergewöhnliche Dinge entdeckt. Erinnert sei nur an Fossilien des mesolithischen Meeresechsen-Plesiosauriers oder an Tierpilze. Wegen der Corona-Pandemie war die vorjährige tschechische Polarexpedition auf die Zahl von acht Forschern beschränkt. Sie erfüllte die gesteckten Ziele und kehrte im März dieses Jahres heim. Weitere Aufgaben sind bereits geplant, darunter der Umbau der zweiten tschechischen Station auf der Nelson-Insel. Pavel Kapler:

„In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität in Brünn arbeiten wir zurzeit an dem Konzept einer völlig neuen Station, in der wir gleichzeitig die neueste Technologie für unsere Forschungsarbeit präsentieren wollen. Diese Technologie soll vorrangig aus Tschechien kommen und wesentlich dazu beitragen, dass die Belastung für die Umwelt durch die Forschung deutlich reduziert wird.“

Der Antarktis-Vertrag wurde übrigens schon 1959 von zwölf Signatarstaaten auf einer Konferenz in Washington beraten, bevor er zwei Jahre später in Kraft trat. Er hat große politische Bedeutung, weil er der erste internationale Vertrag nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war, der die Prinzipien der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen fixierte.

Autoren: Lothar Martin , Štěpán Sedláček
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