6,5 Millionen Ausländer 2006 in Tschechien zu Gast - Enge Kooperation in Textilbranche
Das Jahresende naht, es wird Bilanz gezogen. Im Wirtschaftsmagazin machen wir Sie daher mit einigen interessanten Zahlen des auslaufenden Jahres 2006 vertraut. Außerdem können Sie erfahren, wie kleinere und mittlere Textilunternehmen aus Böhmen und Sachsen aus existenziellen Gründen eng zusammenarbeiten.
Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft
Die Tschechische Handelsinspektion hat von Januar bis November fast eine Million Fälschungen im Wert von nahezu einer Dreiviertelmilliarde Kronen (ca. 27 Millionen Euro) beschlagnahmt. Und 80 Prozent davon sind CDs und DVD. Bei Markenkleidung hingegen wurden wesentlich weniger Falsifikate sichergestellt. Was zum Jahresende mit diesen Dingen geschieht, dazu sagte die Sprecherin der Inspektion, Miloslava Fleglova:
"Im Falle der Audio- und Video-Tonträger wird alles vernichtet. Bei Textilien, Schuhen und anderen Produkten aber kommt es darauf an, ob sich das Markenlogo als Symbol des geistigen Eigentums entfernen lässt. Wenn das möglich ist, dann können diese Sachen im Einklang mit dem Gesetz noch zu humanitären Zwecken genutzt werden."
Kaum mehr auf das alte, sondern schon eher auf das neue Jahr schauen die Arbeiter und Angestellten der Tschechischen Eisenbahnen (CD), die mit ihren 57.000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber des Landes sind. Denn im Jahr 2007 dürfen sie mit einer ähnlichen Lohnerhöhung wie in diesem Jahr rechnen. In welcher Höhe sie ausfallen wird, dazu sagte CD-Sprecher Ales Ondruj:
"Zum Ende des Jahres wird der durchschnittliche Lohn bei den Tschechischen Eisenbahnen rund 21.900 Kronen betragen. Und dieser Durchschnittslohn wird um 5,6 Prozent ansteigen."Etwas angestiegen ist auch die Zahl der ausländischen Touristen, die in diesem Jahr die Tschechische Republik besuchten. Allerdings trifft das nicht auf die Hauptstadt Prag zu, da eine spezielle Klientel nicht mehr so in Scharen an die Moldau fliegt, wie das noch im vergangenen Jahr der Fall war. Um welche Gruppe von Touristen es sich dabei handelt, das verrät uns der Analytiker der Agentur Mag Consulting, Jaromir Beranek:
"In diesem Jahr beherbergen sämtliche Unterkünfte der Tschechischen Republik mehr als 6,5 Millionen ausländische Touristen. Lediglich in Prag werden weniger Gäste untergebracht. Das ist vornehmlich auf den Rückgang von Vergnügungsreisen britischer und irischer Männervereine zurückzuführen. Dieser Rückgang, der bei rund einem Prozent liegt, hat jedoch relativ große Auswirkungen auf den Tourismus in Prag. In mehreren Fällen ist es zu Preissenkungen für Übernachtungen gekommen und in vielen Fällen ist auch die Auslastung der Prager Unterkünfte zurückgegangen."Die tschechische Hauptstadt rechnet allerdings für den bevorstehenden Jahreswechsel noch mit dem bereits gewohnten Ansturm von mehr als 100.000 Touristen, die die urwüchsige Gemütlichkeit der Prager Kneipen und das sonstige Flair an der Moldau zu schätzen wissen. Dann sollte auch die Prognose der Agentur Czechtourism aufgehen, die für das auslaufende Jahr einen dreiprozentigen Zuwachs an ausländischen Besuchern vorausgesagt hat.
Hinter die Fassade geschaut
Tschechien und Deutschland sind nicht nur Nachbarstaaten, nein sie können auch in so manchem Wirtschaftszweig auf nahezu identische Traditionen verweisen. Zum Beispiel in der Textilindustrie, die von jeher sehr stark in Nord- und Nordwestböhmen auf tschechischer Seite und in Sachsen auf deutscher Seite angesiedelt ist. Doch die politische Wende im Jahr 1989 brachte auch und besonders hier in der Region diesseits und jenseits der Grenze zwischen Vogtland und Lausitzer Gebirge einen wirtschaftlichen Einschnitt mit sich. Klaus Hähl von der Handwerkskammer Chemnitz beschreibt ihn so:"Nach der Wende ist durch Billigproduktionen aus China, durch Billigimporte aus anderen Ländern und durch Auslagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer plötzlich die Basis für die Textilindustrie in Sachsen entzogen worden. Die Großbetriebe wurden liquidiert und die Textilindustrie basiert jetzt mehr auf kleineren bis ganz kleinen Betrieben auf beiden Seiten der Grenze."
Diese kleineren Textilbetriebe müssen sich im Zweitalter der Globalisierung mit ganz anderen Voraussetzungen und Hürden herumschlagen, als sie es in ihrem vorherigen Umfeld gewohnt waren. Um die Auftragslage zu verbessern oder um überhaupt herauszufinden, welche Produkte am Markt gefragt sind und wo und wie sich diese dann auch absetzen lassen, sind gute Kontakte, sowohl in- als auch ausländische, heute notwendiger denn je. Deshalb haben die regionalen Industrie- und Handels- bzw. Wirtschaftskammern zu beiden Seiten der Grenze längst eigenständige Kontaktzentren eingerichtet, um die Anbahnung und Führung von Kontakten zu intensivieren. Das Kontaktzentrum für sächsisch-tschechische Wirtschaftskooperation bei der IHK Südwestsachsen in Plauen feierte in diesem Jahr schon sein 10-jähriges Jubiläum. Dessen Leiterin, Elke Magera, verriet uns daher auch, aus welchen Beweggründen heraus man es 1996 gegründet hat:
"Angefangen hat das damit, dass bei uns in Plauen sehr viele Anfragen in Richtung Tschechien aufgrund der Grenznähe angekommen sind. Daher hat man sich entschieden, explizit etwas für die Bearbeitung dieser Anfragen zu tun. Es gab damals die Förderung über Interreg 2, die man genutzt hat, um dieses Büro aufzubauen. Danach gab es dann immer wieder neue Projekte, die auf dieses vorhergehende Projekt aufgebaut haben."Mittlerweile hat sich aus dem Knüpfen von Kontakten und dem Austausch von Informationen längst eine fruchtbare Kooperation zwischen böhmischen und sächsischen Unternehmern entwickelt. Elke Magera nennt wesentliche Aspekte der Zusammenarbeit:
"Konkrete Beispiele sind dort anzutreffen, wo gespart werden soll. Das geht unter anderem soweit, dass tschechische Arbeitskräfte genutzt werden, die bei uns nicht mehr ausgebildet werden. Die gibt es in Tschechien noch in verschiedenen Branchen, nicht nur in der Textilindustrie. Es gibt aber noch weit mehr Ressourcen, die man verwerten kann, zum Beispiel der Ankauf von preiswerteren Ausgangsmaterialien. Ich denke aber, dass die ganze Palette an Möglichkeiten, die hier angeboten wird, letztlich auch ausgenutzt wird."
Klaus Hähl weiß, worin denn heutzutage überhaupt die Chancen für die kleineren und mittleren Textilbetriebe in ihrem Überlebenskampf bestehen:
"Die bestehen meiner Meinung nach in Lücken. Groß- oder Massenproduktionen machen für kleine Betriebe keinen Sinn. Sie betreiben heute vielmehr eine Lückenproduktion, bei der man Materialien und Arbeitskräfte austauschen, sich zuarbeiten oder auch neue Produkte gemeinsam entwickeln kann. Und das über die grenze hinweg."
Da nicht zuletzt die fortschreitende Globalisierung immer neue Mittel und Wege erforderlich macht, um die spezifischer gewordenen Möglichkeiten von Investitionen und Produktionen zu nutzen, hat auch die Regionale Wirtschaftskammer Egerland inzwischen nachgezogen und seit Anfang des Jahres 2005 ein eigenes Kontaktzentrum aufgebaut. Lada Lapinova, die junge Leiterin des Zentrums im nordwestböhmischen Sokolov / Falkenau, wusste dann auch nicht ohne Stolz zu berichten, dass gerade in der Karlsbader Region der wirtschaftliche Nachwuchs sehr rührig ist:"Was wir sehr zur Kenntnis nehmen, das sind die sehr vielen Anfragen von Unternehmen aus der Region Karlovy Vary / Karlsbad. Da wird zum Beispiel gesagt: ´Ich würde gern eine Unternehmerreise machen nach Bayern oder auch in ein anderes deutsche Bundesland. Ich möchte ganz gern das Know how kennen lernen oder mir einfach nur ansehen, wie die Betriebe in Deutschland funktionieren einschließlich ihres Betriebsklimas´. Aber auch von deutscher Seite ist das Interesse gewachsen, indem sich immer mehr Unternehmer sagen: "Ich würde vielleicht doch gern mit einem tschechischen Unternehmer kooperieren´. Und was ich besonders schön finde: Wir haben wieder mehr Wirtschaftsjunioren, auch bei uns. Es ist zum Beispiel ganz toll, dass sich Wirtschaftsjunioren beider Länder in diesem Jahr zum ersten Mal in Karlsbad treffen wollen, und zwar bei einem Golfturnier. Bei diesem Turnier soll dann jedoch auch besprochen werden, wie man miteinander kooperieren kann, oder auf welche Erfahrungen die deutschen Kollegen bereits bauen können, zum Beispiel bei den ganzen Subventionen, die man von Seiten der EU erhalten kann. Wir haben auf diesem Gebiet nämlich gerade erst angefangen, während die deutschen Kollegen schon ein ganzes Stück weiter sind. Ich denke, das alles hilft einem dabei, dass man dem Anderen das Leben im Grenzgebiet auch besser vermitteln kann."
Die böhmisch-bayrisch-sächsische Region wächst in punkto Wirtschaft also weiter zusammen. Doch nur das ist der Stoff, in dem die Zukunft verwoben ist.