71-Jähriger fordert mit Hungerstreik höhere Renten für ehemalige tschechische Dissidenten

Jiří Gruntorád

Jiří Gruntorád zeltet schon seit Freitag vor dem Regierungsamt in Prag und ist im Hungerstreik. Er fordert den Rücktritt von Arbeits- und Sozialminister Marian Jurečka (Christdemokraten). Als Grund nennt Gruntorád zu niedrige Altersrenten für all jene, die als Dissidenten in der Tschechoslowakei Berufsverbot hatten oder im Gefängnis saßen.

Noch hat Jiří Gruntorád keinen Nachtfrost aushalten müssen. Seit Freitag steht sein Zelt vor dem Regierungsamt auf der Prager Kleinseite. Ein einfaches handgeschriebenes Schild informiert darüber, dass er sich im Hungerstreik befindet und damit den Rücktritt von Minister Marian Jurečka erreichen will.

Jiří Gruntorád und John Bok | Foto: Vít Šimánek,  ČTK

Der ist als Ressortleiter für Arbeit und Soziales unter anderem zuständig für die Altersrenten, die der tschechische Staat auszahlt. Im Falle ehemaliger Dissidenten, die sich einst gegen das kommunistische Regime der Tschechoslowakei engagierten, seien diese zu niedrig, kritisiert Jiří Gruntorád:

"Oft haben diese Menschen im Gefängnis gesessen, oder sie sind aus dem Land getrieben worden. Dass sie nun um Geld betteln müssen, ist absurd", sagt Gruntorád, der selbst einst im politischen Untergrund aktiv war. Der heute 71-Jährige druckte damals verbotene Literatur und unterschrieb die Protestnote Charta 77. In den Jahren 1980 bis 1984 war er wegen republikfeindlicher Aktivitäten inhaftiert.

Angesichts solcher Freiheitsstrafen, Berufsverbote oder auch erzwungener Emigration fehlen vielen ehemaligen Regimegegnern reguläre Arbeitsjahre, und ihre staatliche Altersrente fällt heute entsprechend niedrig aus. Nicht alle sind nämlich offiziell als Widerstandskämpfer anerkannt und bekommen einen damit verbundenen Zuschuss. Dies ist laut Gruntorád der Fall von Karel Soukup. Der Liedermacher und ehemalige Emigrant bekäme heute nur etwa 6000 Kronen (245 Euro) monatliche Rente, so der Hungerstreikende. Soukups Bitte um eine Anhebung habe Minister Jurečka mit der Empfehlung beantwortet, doch einen Antrag auf staatliche Sozialhilfe zu stellen. Dazu Gruntorád:

„Der Minister verhält sich asozial. Er schreibt unschöne Briefe an Menschen, die Respekt und Dank verdient haben.“

Marian Jurečka und Jiří Gruntorád | Foto: Jana Karasová,  Tschechischer Rundfunk

Jurečka verteidigte sein Vorgehen am Sonntag im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen mit dem Argument, dass Soukup Rentenanspruch nicht nur in Tschechien, sondern auch in Australien habe. Er versprach Gruntorád zudem bei einem persönlichen Treffen, den Fall Soukup erneut von der Sozialversicherungsverwaltung prüfen zu lassen. Und schon am Montag verkündete Jurečka dann vor Journalisten:

„Ich habe heute darüber entschieden, dass Karel Soukup die Durchschnittsrente zugesprochen wird – so wie allen Teilnehmern des antikommunistischen Widerstandes, die unter das Gesetz von 2011 fallen. Außerdem kündigen wir hiermit an, dass wir eine Lösung finden wollen sowohl für die Unterzeichner der Charta 77, als auch für jene Menschen, die verfolgt wurden.“

Karel Charlie Soukup | Foto: Tschechisches Fernsehen,  ČT24

Gruntorád reagierte auf diese Stellungnahme mit den Worten, er würde weiter auf seinen Forderungen bestehen, da es ja nicht nur um Soukup gehe. Tatsächlich hatte Jurečka schon im Mai dieses Jahres das Versprechen gemacht, die finanzielle Versorgung von ehemaligen Dissidenten neu zu regeln. Nach wie vor haben die Betreffenden in Tschechien aber nur die Möglichkeit, ihre niedrige Rente mit einem Antrag auf Aufhebung der Gesetzeshärte neu berechnen zu lassen und somit die Durchschnittssumme zu erwirken. Diese beträgt aktuell gut 20.000 Kronen (816 Euro) monatlich.

Gruntorád zeigt am Beispiel Karel Soukup allerdings, dass dieser Mechanismus nicht immer funktioniert. Und auch Mikuláš Kroupa, Leiter des Zeitzeugenprojektes Paměť národa (Gedächtnis der Nation), äußerte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Mikuláš Kroupa | Foto:  Tschechischer Rundfunk

„Wir kennen Dutzende von Fällen, in denen die Rente unbedingt angehoben werden sollte. Mir gefällt etwa die Idee, dass der Staat einen Stiftungsfonds mit 100 oder 200 Millionen Kronen anlegen könnte. Diese Summe würde absolut ausreichen, um den Dissidenten zu helfen.“

Umgerechnet wären dies vier bis acht Millionen Euro.

Minister Jurečka will nun im kommenden Jahr eine Gesetzesänderung durchsetzen, damit Regimegegner wegen erzwungener Dienstausfälle vor 1989 künftig nicht mehr weniger Rente beziehen müssen. Die Einzelfallprüfung soll dann das Institut für das Studium totalitärer Regime (ÚSTR) übernehmen.

Jiří Gruntorád | Foto: Jana Karasová,  Tschechischer Rundfunk
Autoren: Daniela Honigmann , Jana Karasová , Adéla Kavříková | Quelle: Český rozhlas Plus
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