75.Geburtstag: Illustrator, Karikaturist und Graphiker Adolf Born

Adolf Born
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Ob Pipi Langstrumpf, Robinson Crusoe, die Fabeltiere La Fontaines oder die drei Musketiere - Adolf Born hat sie alle gezeichnet. Mit seiner Feder und seinem Pinsel hat er diesen großen Figuren der Weltliteratur ein ganz eigenes Gesicht gegeben. Am 12. Juni feierte der tschechische Illustrator, Karikaturist und Graphiker seinen 75. Geburtstag. Sybille Korte hat ihn in seinem Haus in Prag besucht.

Wilder Wein bedeckt die ganze Fassade des roten Backsteinhauses. Seit 20 Jahren leben Adolf Born und seine Frau hier im Süden von Prag. Hoch oben unter dem Dach hat der Hausherr sein Zeichenatelier eingerichtet. An den Wänden hängen eigene Arbeiten neben alten Stichen. Aus einem der Rahmen blickt wohlwollend Franz Joseph I, der letzte Kaiser Österreich-Ungarns. Borns Schnauzbart gleicht dem des Monarchen ganz erstaunlich. - Dutzende von Hüten, Kappen und Militärmützen stehen aufgereiht auf einem Podest. Viele von ihnen finden sich in Borns Illustrationen zu historischen Ereignissen oder Abenteuergeschichten wieder. Bilder für Bücher zeichnen, davon träumte er schon als Kind. Und bereits als Junge hat er damit begonnen.

"Damals war ein Buch schon ein Geschenk am Christkindlabend, ein Weihnachtsgeschenk, etwas Besonderes. Damals waren die Bücher irgendwie viel schöner, auch der Einband und das Papier waren besser als jetzt. Ich habe mir immer gesagt, ich möchte auch Bücher illustrieren. Und so probierte ich es. Damals habe ich eine Variante von der Illustration eines Buches gemacht. Vor dem Krieg war es Mode, dass gewisse Buchhandlungen, zusammen mit einem größeren Verleger, auch eine Illustration von dem neuen Buch, das angeboten wurde, im Original zeigten. Die Illustration hing im Schaufenster, das war eine große Inspiration für mich. Ich habe mir damals gesagt: Ich möchte Robinson Crusoe illustrieren. Ich habe das Buch später zwei Mal illustriert und sogar einen Abend füllenden Puppenfilm davon gemacht mit einem Freund, der die Regie führte."

Mach und Schebestova
Rund 250 Bücher hat Adolf Born bis heute illustriert, an die 70 Trickfilme gezeichnet. Dafür hat er zahlreiche Preise im In- und Ausland erhalten, darunter zwei Mal die Goldmedaille der Internationalen Buchkunst in Leipzig. Das war zu DDR-Zeiten für seine Illustrationen zu Brechts "Mutter Courage" und zu "Robinson Crusoe". In Tschechien kennt heute jedes Kind und jeder Erwachsene zwei andere Figuren aus der Feder des Künstlers: die beiden Drittklässler Mach und Schebestova. Sie zeichnete Born ab Mitte der 70er Jahre für eine Trickfilmserie des tschechoslowakischen Fernsehens. Der Junge mit der Nickelbrille und das Mädchen mit der roten Schleife im Haar erfüllen sich mit Hilfe eines abgerissenen Telefonhörers, der Zauberkräfte hat, die verrücktesten Wünsche: Sie verwandeln sich in Tiere, schaffen sich Doppelgänger oder holen für die Ferien einfach das Meer ins Dorf der Großmutter. Ihre Abenteuer sind auch in Buchform erschienen und ein tschechischer Klassiker geworden. Eine gute Nachricht für alle Mach- und Schebestova-Fans: Es wird neue Abenteuer von den Beiden geben. Die Vorlagen dazu sind im Nachlass des Autors Milos Macourek gefunden worden, der die Drehbücher für die Serie und die Texte für die Bücher schrieb.

"Jetzt haben wir nach einer längeren Pause von ungefähr acht Jahren noch im Nachlass von Macourek, mit dem ich fast alle diese Kinderbücher gemacht habe und auch die Zeichentrickfilme von Mach und Schebestova, acht Drehbücher in einer Schublade gefunden. Und die sind jetzt in der Filmfabrik. Ich muss das Szenario exakt illustrieren. Das ist nur für die Leute, die die Animation machen. Die Zeichnungen sind ganz klein."

Im Buchbereich hat Born in jüngster Zeit besonders eng mit dem französischen Verlag Gründ zusammen gearbeitet. Für ihn illustrierte er die Fabeln La Fontaines, die Drei Musketiere und die Märchen der Brüder Grimm. Die sorgfältig gestalteten Bücher sind in mehreren Sprachen erschienen. Sie zeugen - wie Borns gesamtes Werk - von seinem ausgeprägtem Sinn für Humor und für Präzision. "Jetzt bin ich so frei, selbst wenn ich einen Klassiker illustriere, dann respektiere ich immer die Zeit, in der dieser Roman oder die Erzählung entstand. Ich finde es ganz albern, wenn das irgendwie modernisiert wird. Denn ich kann die Form modernisieren, aber wenn ich zum Beispiel die Drei Musketiere illustrierte für die Franzosen, dann studierte ich, welche Mode war bei diesen hohen Schuhen und wie man zum Beispiel einen Sporen angebracht hatte an den Schuhen. Und dann konnte ich ich es ganz frei leicht übertreiben, aber es musste ein Schuh sein, der damals wirklich modern war."

Born liest jedes zu illustrierende Buch mehrere Male. Rund ein Jahr zeichnet er an großen Aufträgen wie den Musketieren. Derzeit arbeitet er an Bildern zum "Dschungelbuch" von Rudyard Kipling. Adolf Born hat sein Handwerk in Prag gelernt. Dort studierte er nach dem Krieg zunächst an der Pädagogischen Hochschule Kunst und Geschichte. Dann besuchte er die Kurse des renommierten Karikaturisten Antonin Pelc und schließlich die Hochschule für Kunstgewerbe. Nach Abschluss seiner Studien 1955 begann er direkt mit Buchillustrationen und Karikaturen für die Presse. Auch als Karikaturist erhielt Born zahlreiche internationale Auszeichnungen. Doch 1973 traf ihn in der Heimat die Zensur des kommunistischen Regimes: Er durfte seine Karikaturen nicht mehr in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichen, nur noch in Form von Büchern. Born widmete sich stärker einer Art philosophierender Karikatur, die bestimmte menschliche Eigenschaften und gesellschaftliche Schwächen aufs Korn nimmt.

"Die Meister der Fabelwelt waren eine Inspiration für mich. Die waren damals schon wahnsinnig klug. Die wollten sich selbstverständlich über irgendeinen Adligen oder König lustig machen. Und die benutzten immer die Tierwelt. Mir war die Tierwelt immer sehr nahe, diese Gefühle, und dann habe ich mir während der kommunistischen Zeit gesagt: Ok, ich kann doch genau so etwas Ähnliches machen. Mich inspirierte zum Beispiel immer der Marsch am 1. Mai durch die Straßen mit den Uniformierten und Frauen in halb Trachten, halb etwas Ausgedachtem. So habe ich eben so einen Marsch, aber in der Tierwelt gemacht."

Eine andere Quelle der Inspiration sind für Born seine zahlreichen Reisen. Fremde Länder, fremde Sitten: Griechenland und die Türkei liebt er besonders, aber auch Holland, Frankreich, die Schweiz oder Norwegen sind auf Borns Bildern von skurilen Figuren und Fabelwesen bevölkert, die nationale Eigenarten und Historie auf liebevoll spöttische Art verkörpern. Vor allem in den freien Arbeiten des Zeichners und Graphikers finden die Reisen ihren Niederschlag.

"Es war eine gewisse Sehnsucht. Denn schon vor dem Kriege, als Kind, habe ich immer Reisebücher gelesen. Und bis jetzt ist das meine liebste Literatur, die Reisebücher. Wenn jemand in Polynesien ist und dann etwas Amüsantes und Kluges schreibt, dann bin ich bereit, das Buch zu lesen. Das war immer mein Traum. Es war immer bei uns in diesem Land alles leicht heikel. Denn es kamen die Deutschen, die Wehrmacht von 1938 bis 1945. Dann kam der Einfluss der Russen, der hat alles kompliziert. Also diese kleinen Länder, ich mag sie überhaupt nicht. Denn die großen Länder haben trotz allem eine gewisse Chance."

Kleine Länder drohen immer ihre Freiheit zu verlieren und begünstigen das Entstehen einer engstirnigen Mentalität, so Borns Theorie. Seine eigene Familie lebte schon immer über die Grenzen der kleinen Tschechoslowakei hinweg: Der Vater war Tscheche, von Beruf Eisenbahner, die Mutter war als Kind tschechisch-ungarischer Eltern in Wien geboren. Born selbst kam 1930 in der südböhmischen Grenzstadt Ceske Velnice zur Welt, zu Deutsch Gmünd, und zog als Vierjähriger mit den Eltern nach Prag. Zu Hause wurde Tschechisch gesprochen, aber die halbe Verwandtschaft lebte in Österreich und verstand nur Deutsch. Die deutsche Sprache ist ihm so seit der Kindheit vertraut, wie ein Familienerbe aus der Zeit der Donaumonarchie. Für diese Epoche und das damalige Völkergemisch hegt Born eine große Nostalgie.

Das finde ich im Vergleich mit dieser naiven Europäischen Union etwas Besonderes. Damals ist etwas geglückt, was man jetzt unsicher bildet.

Würden Sie sagen, Sie sind Monarchist, heute noch?

"Selbstverständlich. Das war die beste Zeit für unsere Nation: wirtschaftlich hoch und viel mehr gebildet als jetzt. Ich meine es absichtlich leicht, in einer naiven Richtung: Die Leute waren gebildet, denn sie konnten alle mehr oder weniger Deutsch sprechen. Aber zugleich waren sie großzügig. Wenn jemand aus Italien kam: Naja, es ist ein Teil von unserem Lande. Wenn die Kroaten gekommen sind: Ja, es ist ein Teil von unserem Lande. Die orthodoxen Juden aus Galizien? Ja, die gehören zu unserer Monarchie. Das war etwas Großzügiges."

So ist es kein Zufall, dass Borns Bart dem von Kaiser Franz Joseph so sehr ähnelt. Der Künstler trägt seinen Schnauzer seit 1968, als die Truppen des Warschauer Paktes zur Niederschlagung des Prager Frühlings in der Tschechoslowakei einmarschierten und sich die Grenzen des kleinen Landes für die eigenen Bürger schlossen.