Fehlendes Monument: Radetzky-Denkmal soll zurück auf den Kleinseitner Ring

Radetzky-Denkmal (Foto: ČT24)

In seiner Zeit galt es als die schönste Statuengruppe in Europa: das Radetzky-Denkmal auf dem Prager Kleinseitner Ring. 1919 wurde es von dem Platz entfernt. Seitdem wird das Werk der Brüder Max im Lapidarium des Nationalmuseums aufbewahrt. Bereits mehrere Jahre wird aber über eine Wiederaufstellung des Denkmals diskutiert.

Kleinseitner Ring  (Foto: Kristýna Maková)
Der Kleinseitner Ring ist einer der Höhepunkte bei einem Prag-Besuch, so wie er von Palais gesäumt ist. Allerdings wird das Bild heute ein bisschen getrübt, weil der Platz auch Verkehrsknotenpunkt und vor allem Parkplatz ist. Beim Blick über den Kleinseitner Ring fällt einem ein, dass etwas fehlt: So steht dort weder ein Brunnen, noch eine Skulptur, die ähnliche historische Plätze üblicherweise schmücken. Noch vor 96 Jahren stand auf dem Kleinseitner Ring jedoch noch ein monumentales Bildhauerwerk: das Denkmal für den Feldmarschall Radetzky.

Architekt Jan Bárta ist Vorsitzender des Vereins „Radecký 1766-2012“. Die Vereinsmitglieder setzen sich dafür ein, dass das Denkmal erneut auf dem Platz errichtet wird. Unterstützt werden sie von zahlreichen Historikern, Kunsthistorikern und Architekten. Sie alle würdigen das Werk der Bildhauer Josef und Emanuel Max. Architekt Bárta:

Radetzky-Denkmal  (Foto: ČT24)
„Die Einzigartigkeit des Denkmals liegt in der gesamten Komposition des Werks, das aus Statuen besteht, die sozusagen in zwei Etagen übereinander angeordnet sind. Unten steht eine Gruppe von Soldaten, die zu verschiedenen Armeetruppen gehören. Man sagt, dass sie die einzelnen Völker darstellen, die in der k. u. k. Monarchie lebten. Einen wichtigen Platz nimmt in der Gruppe ein Artillerist ein, über den behauptet wird, dass er Tscheche sei. Die unten stehenden Soldaten tragen auf den Schultern einen Schild, auf dem ihr geliebter Heerführer Radetzky steht. Auf diese Weise wurden die Heerführer in der Antike dargestellt.“



Jan Josef Václav Radecký z Radče oder auf Deutsch Johann Joseph Wenzel Radetzky von Radetz gilt als einer der besten Heerführer des 19. Jahrhunderts. Er stammte aus einem alten böhmischen Adelsgeschlecht. Geboren wurde er 1766 auf Schloss Třebnice / Trebnitz in Mittelböhmen. Ab 1809 war er Generalstabschef des österreichischen Heeres. 1813 legte er die Strategie der antinapoleonischen Truppen in der Völkerschlacht bei Leipzig fest. Am Ende seiner Militärkarriere war er unter anderem Festungskommandant im mährischen Olomouc / Olmütz, wo er sich an der Umgestaltung der Stadt beteiligte. Zu seinem 70. Geburtstag wurde Radetzky zum Feldmarschall ernannt. Im stürmischen Jahr 1848 wurde er an die italienische Front berufen. Radetzky starb im Alter von 91 Jahren 1858 in Mailand. Zu seinen Ehren schrieb Johann Strauss (Vater) den Radetzky-Marsch.

Radetzky-Denkmal
Das Denkmal für den damals europaweit berühmten Heerführer in Prag ließ der Kunstverein für Böhmen / Krasoumná jednota pro Čechy errichten. Der Verein gehörte zur Gesellschaft der patriotischen Freunde der Kunst, die Vorgängerin der heutigen Nationalgalerie war. Entworfen wurde das Radetzky-Denkmal vom Leiter der Prager Kunstakademie, Christian Ruben. Die Bildhauer-Brüder Josef und Emanuel Max schufen dann die Skulpturen: Josef die unten stehenden Soldatenstatuen und Emanuel die Heerführerstatue. Enthüllt wurde das Denkmal am 15. November 1858. Im Unterschied zur Mariensäule auf dem Altstädter Ring, die kurz nach der Entstehung des tschechoslowakischen Staates abgerissen wurde, hat das Denkmal des Heerführers das Wüten der damaligen tschechoslowakischen Nationalisten überlebt. Architekt Jan Bárta:

Architekt Jan Bárta  (Foto: Martina Schneibergová)
„Dass das Radetzky-Denkmal nicht zerstört wurde, verhinderten der Prager Magistrat und wahrscheinlich auch Regierungskreise. Einige Monate lang war das Denkmal verhüllt, und 1919 wurde es auseinandergenommen und ins Lapidarium des Nationalmuseums überführt.“

Als Architekt und Hobby-Historiker habe er eine enge Beziehung zur modernen tschechischen Geschichte, erzählt Jan Bárta. Vor drei Jahren war er dabei, als der Verein gegründet wurde, der sich darum bemüht, dass Radetzky auf den Kleinseitner Ring zurückkehrt.

„Der Verein ist nicht auf meine Initiative, sondern dank mehrerer Historiker und Kunsthistoriker wie Professor Jiří Rak oder Vít Vlnas entstanden. Über die Aufstellung des Denkmals wurde schon vor der Wende von 1989 gesprochen. Offiziell war dies aber erst nach 1989 möglich. Die Aufstellung des Radetzky-Denkmals halte ich für eine Art Zurückzahlung einer Schuld. Der Feldmarschall ist eine Persönlichkeit, die nicht vergessen werden sollte. Einige unserer Gegner sprechen mit Verachtung über ihn. Wir glauben jedoch, dass es ein Fehler wäre, einige Abschnitte aus der Geschichte zu verschweigen. Dies ist einer der Gründe, warum wir uns bemühen, das Radetzky-Denkmal auf dem Kleinseitner Ring wieder zu errichten.“

Visualisierung des Radetzky-Denkmals auf dem Kleinseitner Ring  (Foto: Archiv von Radecký 1766-2016,  o.s.)
Der Prager Magistrat hat in diesem Jahr einen Wettbewerb für die Neugestaltung des Kleinseitner Rings ausgeschrieben. Der Siegerentwurf sieht vor, das Radetzky-Denkmal auf den historischen Platz zurück zu verfrachten. Architekt Bárta:

„Das war für unseren Verein eine große Freude. Aber es ist nur der erste kleine Schritt. Denn der Weg von einem Wettbewerb bis zur Verwirklichung des Entwurfs ist lang. Zudem hat der Plan für die Aufstellung des Denkmals mehrere ideologische Gegner. Diese halten Radetzky für einen Diener der verhassten Habsburger. Wir aber sehen das anders: Wir sind der Meinung, dass Radetzky in seiner Zeit der berühmteste Soldat in Europa war. Er war ein Tscheche, er stammte aus einem alten böhmischen Adelsgeschlecht. Dies ist notwendig zu wissen. Und nicht zuletzt haben die Brüder Max ein perfektes Bildhauerwerk aus Bronze geschaffen.“

Richard Biegel  (Foto: Josef Slavíček,  Archiv des Denkmalschutzamtes)
Der Architekt nennt noch einen wichtigen Grund für Radetzkys Rückkehr auf die Kleinseite:

„Auf dem Kleinseitner Ring fehlt dieses raumgestaltende Element. Mein Kollege, der Kunsthistoriker Richard Biegel, hat das Radetzky-Denkmal in einer Studie als die letzte Statuengruppe der Karlsbrücke bezeichnet. Mir gefällt dieser Vergleich sehr, denn eigentlich ist es auch so. Am Königsweg auf der Karlsbrücke gibt es diese herrliche Galerie von Statuen, dann folgte früher das Radetzky-Denkmal auf dem Kleinseitner Ring, und erst oben auf dem Hradschiner Platz steht eine Pestsäule. Auf dem Kleinseitner Ring fehlt nun aber die Vertikale, die den Raum vor dem Grömling-Palais an der Mündung der Mostecká-Straße auffüllen würde.“

Im Jahr 2016 jährt sich zum 250. Mal die Geburt von Marschall Radetzky. Bis dahin dürfte das Denkmal noch nicht wieder auf der Kleinseite stehen, sagt Architekt Bárta. Derartige Vorhaben bräuchten mehr Zeit. Die Schirmherrschaft über den Verein und seine Aktivitäten haben im Übrigen unterschiedliche Persönlichkeiten übernommen wie Kardinal Dominik Duka, der Historiker Jiří Kořalka, der Maler Adolf Born, der Direktor des Nationalmuseums für Technik, Karel Ksandr, oder die Vorsitzende des Vereins für das alte Prag, Kateřina Bečková. Ob und wann der Feldmarschall samt Soldaten aus dem Lapidarium des Nationalmuseums auf den Kleinseitner Ring umziehen wird, bleibt abzuwarten.