Ein Leben für den Kaiser: Feldmarschall Radetzky

Johann Josef Wenzel Radetzky von Radetz

Der Radetzkymarsch ist im deutschen Sprachraum ein Begriff, in Österreich kennt ihn wohl jedes Kind. Dass der echte Feldherr Radetzky aus Böhmen stammte, ist hingegen weniger bekannt. Vor 250 Jahren ist diese ominöse Person der Geschichte auf die Welt gekommen. Wer war also Josef Graf Radetzky?

Johann Josef Wenzel Radetzky von Radetz
Als Radetzky zur Welt kommt, sitzen die Monarchen Europas noch fest im Sattel. Böhmen gilt damals als Teil Österreichs – und für den Spross einer Adelsfamilie bedeutet dies den Dienst in der Armee des Riesenreiches. In diesem Sinn wird er auch erzogen. Jiří Pokorný ist Geschichtsprofessor an der Prager Karlsuniversität:

„Johann Josef Wenzel Radetzky von Radetz wurde am 2. November 1766, also genau vor 250 Jahren geboren. Und zwar im Dorf Třebnice bei Sedlčany, das liegt an der Grenze zwischen Mittel- und Südböhmen. Er entstammte einem alten böhmischen Adelsgeschlecht, dessen Namen bereits während der Zeit von König Johann von Luxemburg in Quellen erwähnt wird, das heißt zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Seine Eltern starben sehr früh, er wurde daher von seinem Großvater – einem alten Offizier – erzogen. Und auch Radetzky glaubte, dass er sein Glück in der Armee finden werde.“

Militärdienst unter fünf Herrschern

Gideon Ernst von Laudon
Josef Radetzky bewirbt sich an der Theresianischen Militärakademie. Doch bei der Musterung befindet der Arzt, dass der Jüngling zu schwach sei für die Strapazen des Soldatenlebens. Radetzky wird also abgelehnt. So nimmt er den Umweg über ein Kürassier-Regiment, in das er eintritt. Was er in dem Moment nicht wissen kann: Vor ihm liegen 72 Dienstjahre in der Armee, in der er für fünf Kaiser kämpfen und an 17 Feldzügen teilnehmen wird.

Radetzkys Karriere beginnt unter Kaiser Josef II. mit dem letzten österreichischen Türkenkrieg. Sein Vorgesetzter ist General Gideon Ernst von Laudon.

„Radetzky bewies Mut, Entschlossenheit wie auch sehr große taktische und strategische Fähigkeiten. Gideon Laudon berief ihn deswegen in seinen Befehlsstab. Radetzky konnte so den besten österreichischen Feldherrn in Aktion beobachten. Von ihm hat er sehr viel gelernt“, so Historiker Pokorný.

Erstmals auszeichnen kann sich Graf Radetzky in den Feldzügen gegen Napoleon. Und das, obwohl die habsburgische Armee den französischen Truppen in allen Belangen unterlegen ist. Organisation und Führung sind schlecht, die Ausrüstung taugt im Vergleich nur wenig. Der erste Erfolg gelingt spät: In der Schlacht bei Aspern, östlich von Wien, im Mai 1809.

„Radetzky hatte Anteil an diesem Sieg, weil er den Befehl sich zurückzuziehen missachtet hat. So konnten Napoleons Truppen der österreichischen Armee nicht den Weg abschneiden. Er wurde dafür mit dem Maria-Theresia-Orden ausgezeichnet, dem höchsten österreichischen Militärorden. Am wichtigsten wurde aber die Völkerschlacht bei Leipzig, bei der er als Chef des Militärstabes unter dem Feldherrn Karl Fürst Schwarzenberg diente. Das war wohl seine größte Schlacht.“

Radetzky hilft der Konterrevolution

Jiří Pokorný  (Foto: Hynek Bulíř,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Orden klappern nun zwar um Radetzkys Hals, aber es kommt der Karriereknick. Der Graf verfällt der Spielsucht, das restliche Geld verprasst seine Frau. Radetzky wird degradiert und unter anderem als Festungskommandant ins mährische Olomouc / Olmütz abgeschoben. Ein reicher Freund muss aushelfen, um die ständigen Schulden der Familie zu begleichen. Erst unter dem Druck der liberalen und nationalen Bewegung im sogenannten Vormärz besinnt sich die militärische Führung wieder auf Radetzkys Fähigkeiten. Er wird nach Italien beordert, um den dortigen Unabhängigkeits- und Freiheitskampf niederzuschlagen. Jiří Pokorný:

„Anfang der 1830er Jahre wurde er zum Befehlshaber der k. u. k. Armee in Italien. Das war von großer Bedeutung, weil er dort viele technische Neuerungen eingeführt hat. Und er kümmerte sich sehr um das Wohl der Soldaten. Im Revolutionsjahr 1848/49 kämpfte Radetzky dann gegen den sardischen König und gewann alle Schlachten.“

Radetzky-Marsch
Gerade diese Erfolge für das reaktionäre Regime sind es, die Josef Radetzky auch den Beinamen „Retter der Monarchie“ einbringen. Sie leiten im ganzen Habsburgerreich die Konterrevolution ein. Und der konservative Teil der Kulturelite liegt dem Feldmarschall zu Füßen. Darunter Johann Strauß Vater mit seinem berühmten Marsch, den er 1848 kurz vor seinem Tod schreibt.

„Radetzky war zu dieser Zeit sehr berühmt. Sogar Erzherzogin Sophie, die Mutter des späteren Kaisers Franz Joseph, hat über ihn Gedichte geschrieben. Das berühmteste Gedicht stammte aber von Grillparzer und beginnt mit den Worten: ‚In deinem Lager ist Österreich‘. Das war vielleicht die größte Ehre für Radetzky. Und Johann Strauß Vater schrieb also den Radetzkymarsch. Etwas merkwürdig ist, dass er ein großer Anhänger des Kaisers und der monarchischen Ordnung war, aber sein Sohn Johann Strauß auf der Seite der Revolution stand. Beide waren also in ganz unterschiedlichen Lagern.“

Grab von Radetzky  (Foto: PLauppert,  CC BY-SA 4.0)
Erst mit 91 Jahren wird Radetzky von seinen militärischen Funktionen in Italien entbunden. Das geschieht im Februar 1857. Die letzten Monate verbringt der altgediente Feldmarschall in Mailand, wo er am 5. Januar 1858 an den Folgen einer Verletzung und einer Lungenentzündung stirbt.

Prager Denkmal aus eingeschmolzenen Kanonen

Noch zu Lebzeiten Radeckýs entsteht in Prag die Idee, ihm ein Denkmal zu setzen. Letztlich wird es erst im November 1858 enthüllt, geschaffen von den damals angesagten Bildhauerbrüdern Josef und Emanuel Max. Für den Guss aus Bronze werden die Kanonen der besiegten italienischen Truppen eingeschmolzen. Errichtet wird das Denkmal auf dem damaligen Radetzky-Platz, dem heutigen Kleinseitner Platz. Historiker Pokorný:

„Es stand also nicht im Stadtzentrum, sondern etwas abseits. Das zeigt vielleicht auch die Stellung Radetzkys im Geschichtsbewusstsein der Tschechen im 19. Jahrhundert. Er wurde im Bewusstsein etwas zur Seite geschoben, aber hatte ohne Zweifel auch weiter seinen Platz dort.“

Wenn Radetzky also eher als ein Nebenereignis in der tschechischen Geschichte galt, wie stand es dann andersherum mit seiner Beziehung zur Heimat Böhmen? Jiří Pokorný zögert etwas mit der Antwort.

„Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, diese Beziehung hatte für ihn keine große Bedeutung. Seine Heimat waren Österreich und die Armee. So wie es im alten Rom hieß: ‚Legia mater nostra‘. Für Radetzky war der Soldatenstand wichtig, der Dienst in der Armee, die Treue zu Kaiser und Kaisertum. Auf der anderen Seite heißt es, dass er Tschechisch konnte, aber auch andere Sprachen der Monarchie. Er war imstande, fast mit jedem Soldat in dessen Muttersprache zu reden.“

Radetzky-Denkmal im Lapidarium des Prager Nationalmuseums  (Foto: Archiv des Prager Nationalmuseums)
Aus diesem Treueverhältnis zur Monarchie lässt sich auch das Schicksal des Prager Radetzky-Denkmals ab dem Ersten Weltkrieg erklären. Zunächst herrscht im Sommer 1914 vor allem unter der deutschsprachigen Bevölkerung Böhmens große Kriegsbegeisterung. Die Menschen versammeln sich am Denkmal, es gilt schließlich auch als Symbol der österreichischen Armee. Als aber 1918 die Habsburger Monarchie auseinanderfällt und die Erste Tschechoslowakische Republik entsteht, wird das Denkmal schnell demontiert und ins Lapidarium des Prager Nationalmuseums verfrachtet. Und dort steht es bis heute. Doch es kommt noch zu einer weiteren Begebenheit rund um das Denkmal:

„Im Jahr 1936 wollte der österreichische Kanzler Schuschnigg das Denkmal für sein Land haben. Es sollte, glaube ich, in Linz aufgestellt werden. Das Denkmal wurde damals zu einer Art Kampfmittel der österreichischen Propaganda gegen den Nationalsozialismus. Die tschechoslowakische Regierung verhandelte zwar ein bisschen, aber letztlich wurde daraus nichts. Für Österreich ist das vielleicht schade, aber nicht für Prag. Denn es handelt sich um eines der schönsten Radetzky-Monumente überhaupt und auch allgemein ein wichtiges Denkmal“, so Geschichtsprofessor Jiří Pokorný.

Heutige tschechische Fans der k. u. k. Monarchie treffen sich übrigens alljährlich zu Radetzkys Geburtstag im Lapidarium des Nationalmuseums. Und es scheint, als ob die Stadt Prag ernsthaft erwägt, das Denkmal wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückzubringen. Allerdings gehen unter den tschechischen Politikern die Meinungen darüber weit auseinander.

Autor: Till Janzer
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