80. Geburtstag von Havel: Junge Leute interessieren sich verstärkt für sein Vermächtnis

Václav Havel (Foto: Tomáš Vodňanský, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

„Einer wie er fehlt in der heutigen Politik in Tschechien wie in Europa“ – diese Meinung über den tschechischen Dramatiker, Essayisten, Menschenrechtler und Politiker Václav Havel teilen viele Menschen in Tschechien und der Welt. Der Dichterpräsident Havel verstarb vor fast fünf Jahren. An diesem Mittwoch wäre er 80 Jahre alt geworden. Ein Beitrag von Lothar Martin.

Václav Havel  (Foto: Tomáš Adamec,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der frühere Dissident Václav Havel sei ein Mensch gewesen auf der Suche nach Wahrheit und dem richtigen Leben. Diese Meinung vertritt der Leiter des Tschechischen Zentrums in Wien, Martin Krafl, der Havel persönlich kannte. Von 1996 bis 2003 war er Mitarbeiter der Präsidialkanzlei des ehemaligen Staatsoberhaupts. Und Havel wollte in der Zeit nach der Wende von 1989 eigentlich gar nicht Präsident werden. Er hatte einfach geglaubt, es wäre nur für ein paar Wochen, und er habe dem Land helfen wollen. Für die Bevölkerung und die politische Welt aber ist und bleibt Václav Havel das Gesicht der Samtenen Revolution:

Václav Havel  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Freunde, die Wahrheit und die Freiheit müssen siegen!”, mit diesen Worten elektrisierte Havel die Menschen in der Tschechoslowakei und begeisterte sie für die politische Umgestaltung ihres Landes. Und in diesem Prozess ging er als erster Präsident nach der politischen Wende dann auch voran:

„Ich verspreche Euch, dass ich Euer Vertrauen nicht enttäuschen und dieses Land zu freien Wahlen führen werde.“

Dieses Versprechen löste der einstige Gefangene der kommunistischen Obrigkeit schon im Juni 1990 ein. Was er allerdings nicht verhindern konnte, war die Teilung der Tschechoslowakei zum 1. Januar 1993. Sein damaliger Sprecher, Michael Žantovský, sagt heute dazu (Zitat):

„Václav Havel ist als Politiker von moralischen Werten ausgegangen, und damit stand er vielen Leuten im Weg. Er wurde als unangenehmer Moralapostel wahrgenommen, den man sich nicht anhören musste. Daraus entstand, so meine ich, hierzulande das Zerrbild eines ‚Gutmenschen‘ und der Leute, die Moralpredigten halten. Die Menschen fühlten sich dadurch eingeschränkt, sie wollten sich viel lieber nur um sich selbst kümmern.“

Madeleine Albright  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
In seiner zweiten Amtszeit – nun als tschechischer Präsident – befasste sich Havel mehr mit den offenen Fragen der Weltpolitik und widmete sich ganz speziell den Menschenrechten. Mit seinem Wirken schuf er sich weltweit viele Freunde und Verehrer. Zu ihnen gehört die ehemalige amerikanische Außenministerin, Madeleine Albright:

„Als gebürtige Tschechin bin ich stolz darauf, dass ich einen solchen Menschen kennenlernen durfte und dass er Präsident der Tschechischen Republik war.“

Ein besonderer Freund von Václav Havel war der ehemalige deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Er wusste sehr zu schätzen, welch großen Beitrag Havel zur Aussöhnung und Verständigung beider Länder geleistet hat:

Richard von Weizsäcker  (Foto: A.Savin,  CC BY-SA 3.0)
„Er hat uns vor allem entscheidend geholfen. Man muss sich unsere Lage vor Augen halten: Das nationalsozialistisches Deutschland war über die Nachbarländer hergefallen, vor allem auch schon frühzeitig über die Tschechoslowakei. In dieser Lage wieder Kontakt miteinander zu bekommen, sich achten zu lernen, sich einerseits um Verzeihung zu bitten, andererseits Zusammenarbeit zustande zu bringen, dafür hat er sich eingesetzt. Soweit ich das sehen kann, hat er dafür gewirkt, wie kein anderer verantwortlicher Staatsführer, in dessen Land wir Deutschen eingefallen waren!“

Viele Tschechen haben Havel deswegen nicht als „einen der Ihren“ gesehen. Er kümmere sich viel stärker um andere als um seine eigenen Landsleute, so der Tenor. Heute interessierten sich aber immer mehr junge Leute für das Vermächtnis ihres Präsidenten, bestätigt Michael Žantovský, der amtierende Leiter der Václav-Havel-Bibliothek in Prag. Und Martin Krafl, der sieben Jahre lang in Diensten des unerschrockenen Bürgerrechtlers stand, schwärmt noch heute:

Martin Krafl  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Wien)
„Für mich war Václav Havel einer der größten Europäer überhaupt.“

Und um zu belegen, dass die Ideen und Visionen von Havel auch und besonders heute noch Gültigkeit haben, zitiert Krafl einen Satz, den der ehemalige Dissident bereits am 17. April 1983 geschrieben hat:

„Es gibt Werte, die gelten und keine Staatsgrenze haben – und die wir alle verteidigen müssen.“