Abgeordnete in Prag lassen Sitzung platzen – Keine Einigung auf ein Programm
Das Regieren auf der Basis einer knappen Mehrheit birgt immer seine Tücken. Besonders dann, wenn diese Mehrheit in der Regel nur durch Abweichler aus dem Oppositionslager gesichert werden kann. Das ist seit Monaten der schmale Grat, auf dem die Regierung Topolánek wandert. Durch interne Querelen in der stärksten Regierungspartei, den Bürgerdemokraten (ODS), ist dieser Grat zuletzt so schmal geworden, dass die Regierungskoalition jetzt unsanft ausgerutscht ist.
Die November-Sitzung des tschechischen Abgeordnetenhauses endete am Dienstag, noch ehe sie richtig begonnen hatte. Die Abgeordneten konnten sich nämlich trotz mehr als zweistündiger Beratungen in ihren Fraktionen nicht auf ein mehrheitsfähiges Programm ihrer Sitzung einigen. Von den 180 Anwesenden stimmten nur 90 für das vorgelegte Programm – genau eine Stimme weniger als die Mehrheit. 83 Abgeordnete stimmten dagegen, darunter alle anwesenden Abgeordneten der oppositionellen Sozialdemokraten (ČSSD) und der Kommnisten. ČSSD-Vizechef David Rath zu den Gründen:
„Die Sozialdemokraten haben dem Programm dieser Sitzung nicht zugestimmt, weil die Koalition es abgelehnt hat, unseren Vorschlag auf Abschaffung der Gebühren im Gesundheitswesen in dieses Programm aufzunehmen. Unser Vorschlag hat die erste Lesung im Abgeordnetenhaus bereits durchlaufen. Daher sehen wir es als einen Fehler an, dass man ihn während dieser Sitzung nicht weiter behandeln wollte.“
Das Programm der Sitzung hätte jedoch locker abgesegnet werden können, wenn ihm auch alle Bürgerdemokraten zugestimmt hätten. Drei der innerparteilichen Rebellen – die bereits aus der Fraktion ausgetretenen Juraj Raninec und Jan Schwippel sowie der ehemalige Finanzminister und ewige Querdenker Vlastimil Tlustý – haben der Tagesordnung ihre Zustimmung versagt. Ein erneuter Hieb auf Premier Mirek Topolánek und seine Gefolgschaft also aus den eigenen Reihen. Es verwundert daher kaum, dass die Reaktion darauf ebenso unmissverständlich war.„Wir sehen die Vorgehensweise, die die Kommunisten und die Sozialisten gewählt haben, als äußerst schädlich für die Tschechische Republik an. Leider haben aber auch drei unserer Parteikollegen so unverantwortlich gehandelt. Ich muss daher abschließend sagen, dass die Fraktion den ersten Schritt unternommen hat, um durch eine Änderung der Geschäftsordnung den Ausschluss eines ODS-Mitglieds aus der Fraktion zu erwirken“,
sagte Fraktionschef Petr Tluchoř, und jedem wurde klar, dass das angestrebte Ausschlussverfahren dem in der ODS unliebsam gewordenen Ex-Finanzminister Tlustý gilt. Für die Regierungskoalition aber noch ärgerlicher ist, dass die Behandlung solch wichtiger Punkte wie des Haushaltsentwurfs für 2009 oder der Steuersenkungen nun weiter hinausgezögert wird. Gleiches gilt für die Abstimmung über das Antidiskriminierungsgesetz oder den Radar-Vertrag. Deshalb hat Premier Topolánek bereits angekündigt, zu mindestens drei Schwerpunkten jeweils Sondersitzungen einberufen zu lassen. Eine Möglichkeit, wie sie auch von Abgeordnetenhauschef Miloslav Vlček bestätigt wurde:
„Eine solche Sitzung kann frühestens in fünf Tagen und spätestens in zehn Tagen durchgeführt werden. Ich rechne damit, dass ich für nächsten Dienstag eine neue Sitzung einberufen werde, sofern ich dafür einen Antrag erhalte. Denn ob ich diesen Antrag auch erhalte, das bleibt die Frage.“