Acht Helden und fünf Minuten Freiheit – Russland und die Okkupation der ČSSR 1968
Am 25. August 1968 haben acht tapfere Menschen auf dem Roten Platz in Moskau gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei protestiert. Sie wurden alle verhaftet. 45 Jahre später – am vergangenen Sonntag – trafen am gleichen Ort wieder Menschen zusammen, um an die Ereignisse von 1968 zu erinnern. Auch diesmal griff die russische Polizei ein. Nun erlebt diese Woche zudem ein russischer Dokumentarfilm in Moskau seine Premiere, der das Schicksal der acht russischen Bürgerrechtler von 1968 beschreibt. Die Okkupation der Tschechoslowakei scheint in Russland immer noch ein heikles Thema zu sein.
„Wir hielten ein Transparent hoch, auf dem genauso wie 1968 stand: ´Für eure und für unsere Freiheit´. Die Polizisten haben innerhalb von wenigen Minuten reagiert. Wir sagten ihnen, dass wir dort nur fünf Minuten stehenbleiben und dann weggehen werden. Sie haben uns trotzdem festgenommen.“
Die Demonstranten wurden später freigelassen, es droht ihnen jedoch ein Gerichtsprozess. Die tschechischen Politiker reagierten sehr kritisch auf den Eingriff der russischen Polizei. Die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, die Bürgerdemokratin Miroslava Němcová:„Ich sehe darin eine Verteidigung der Okkupation der Tschechoslowakei durch die jetzigen russischen Machthaber.“
Anfang der Woche hatte der russische Dokumentarfilm „Fünf Minuten Freiheit“ in Moskau seine Premiere. Er beschreibt das Schicksal der acht Menschen, die im August 1968 auf dem Roten Platz die Okkupation der Tschechoslowakei verurteilten. Das Interesse für den Film war sehr groß, die Zuschauer saßen sogar auf den Treppen des Kinosaals. Denn über 1968 werde in Russland ansonsten nicht gesprochen, sagt die Regisseurin Xenia Sacharnowa:„An den 45. Jahrestag des Einmarsches in die Tschechoslowakei hat keiner der zentralen TV-Sender erinnert. Nur in der liberalen Tagespresse wurde er erwähnt. Darum ist es notwendig, darüber zu sprechen, vor allem mit den jungen Menschen.“
Im Publikum saßen auch diejenigen, die am Sonntag während der Gedenkveranstaltung verhaftet wurden. Zu ihnen gehört Sergej Deloné. Er ist Cousin von Vadim Deloné, der 1968 demonstriert hatte und dessen Schicksal ebenso im Film beschrieben wird. Sergej Deloné sowie den anderen Verhafteten drohen jetzt ein Gerichtsprozess und eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet bis zu 800 Euro. Deloné nimmt dies aber gelassen:„Es ist nicht der erste Gerichtsprozess, es ist nichts Schreckliches. Es geht nur um eine Geldstrafe. Sie ist nicht damit zu vergleichen, was die Demonstranten von 1968 zu bezahlen hatten.“
Die Kritiker der Okkupation bezahlten damals für ihr Engagement mit Gefängnis, der Einweisung in psychiatrische Anstalten oder mit der Ausbürgerung. Der Aktivist Michail Kriger schätzt den Mut der acht Protestierenden:„Dank dieser Menschen haben sich die Tschechen hoffentlich sagen können, dass nicht alle Russen stumme Rindviecher sind.“
Von den acht Mutigen von 1968 lebt nur noch die Dichterin Natalja Gorbanewskaja. Sie war auch am vergangenen Sonntag auf dem Roten Platz mit dabei:
„Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Dass erneut Leute verhaftet wurden, daran habe ich mich schon gewöhnt.“