AIDS in Tschechien

Vor genau 20 Jahren erfuhr die Weltöffentlichkeit erstmals von ihr und sah sich ihren Auswirkungen hilflos gegenüber. Die Rede ist von der Immunschwäche-Krankheit AIDS. Die Tschechische Republik gehört zu den Ländern mit der geringsten Zahl an Infizierten. Wie und seit wann hierzulande mit der Immunschwächekrankheit umgegangen wird, berichtet Silja Schultheis.

Im Jahr 1987, also noch vor dem Ende des Kalten Krieges, hatte die damalige Tschechoslowakei das erste AIDS-Opfer zu verzeichnen. Bereits vorher jedoch gelangten Nachrichten über das tödliche Virus in das Land und wurden auch in offiziellen Zeitschriften veröffentlicht. Die kommunistische Regierung war sich offenbar über die Gefahren der Immunschwächekrankheit bewusst, denn in den Schulen wurden noch vor der Samtenen Revolution die ersten Vorlesungen über AIDS eingeführt, in denen die Schüler darauf hingewiesen wurden, wie sie sich vor einer Infizierung schützen können.

1987 wurde in Prag ein Laboratorium für AIDS eingerichtet und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gelang tschechischen Wissenschaftlern aus dem Institut für organische Chemie und Biochemie in Zusammenarbeit mit belgischen und amerikanischen Fachleuten ein entscheidender Schritt im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit: aus einem Präparat, das hier hergestellt wurde, entwickelten sie ein Mittel, das die Vermehrung des Virus verhindert.

In Tschechien gab es bislang insgesamt 511 AIDS-Infizierte, bei 151 von ihnen ist die Krankheit ausgebrochen und 90 von ihnen sind bereits daran gestorben.

Schätzungen zufolge ist die Zahl der tatsächlich Infizierten jedoch um ein Vielfaches höher, denn viele Infizierte haben sich noch nicht einem Test unterzogen und sind daher in den offiziellen Statistiken nicht berücksichtigt.

Im Jahr 1991 wurde eine Infoline zur Prävention von AIDS eingerichtet, an die sich heute vor allem Menschen wenden, die Angst vor einer Infizierung haben und bereit sind, einen Test zu machen. Wie mir eine Mitarbeiterin dieses telefonischen Services mitteilte, hat sich seit Einrichtung der Infoline die Art der Anfragen deutlich geändert:

"Wir haben den Eindruck, dass es bereits ein weitaus größeres Bewusstsein über AIDS und die Infizierung mit diesem Virus gibt. Die Leute fragen nur noch in den allerwenigsten Fällen nach, was das überhaupt ist. Die meisten haben schon bestimmte Kenntnisse und fragen nur noch nach Nuancen oder wollen sich in ihrem konkreten Problem beraten lassen."

Und wer nimmt die Infoline vor allem in Anspruch?

"Ganz sicher sind es Menschen im fruchtbaren Alter, zu 99%, und von ihnen wiederum eher die jüngeren. Ich denke, am meisten rufen uns Menschen im Alter von 18 bis 30 an, und zwar Frauen und Männer zu gleichen Teilen."

AIDS-Kranke, die sich bei Transfusionen infiziert haben, haben übrigens seit 1993 laut eines Gesetzesbeschlusses der tschechischen Regierung Anspruch auf eine finanzielle Unterstützung von 750.000 Kronen - was einer Summe von rund 42.000 Mark entspricht.