Alkoholkonsum in Tschechien: erster Platz in Europa oder Opfer der Statistik?

Anfang Mai bescherte eine Zahl der Tschechischen Republik negative Publicity: Mit 16,5 Litern pro Jahr und Kopf soll das Land führend im Alkoholkonsum sein. Die Zahlen entstammen einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation und haben hierzulande nun zu einer intensiven Diskussion geführt.

Die Weltgesundheitsorganisation hat 60 Länder auf den Prüfstand gestellt und untersucht, wo am meisten Alkohol, Zigaretten und Drogen konsumiert werden und wer am anfälligsten für Spielzucht ist. Die Ergebnisse hat die Beratungsfirma Bloomberg in New York veröffentlicht. Und bis auf die Spielsucht ist die Tschechische Republik in allen anderen drei unrühmlichen Kategorien ganz vorn mit dabei: Beim Alkoholkonsum belegt sie den ersten Platz, Drogen werden nach den USA am zweithäufigsten konsumiert und beim blauen Dunst liegt sie auf dem fünften Platz. Lediglich bei der Verbreitung des Glücksspiels kommt Tschechien nicht unter die ersten Zehn.

Vor allem der hohe Alkoholkonsum gibt Anlass zur Diskussion. Jindřich Vobořil ist nationaler Anti-Drogen-Koordinator:

Jindřich Vobořil  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
„Die Zahlen zeigen, dass das Problem bei uns größer ist als im restlichen Europa und wir leider im internationalen Vergleich negative Spitze sind. Die Zahlen sind besorgniserregend, und was uns am meisten beunruhigt ist, dass der Alkoholkonsum bei Jugendlichen und sogar Kindern unter 16 Jahren zugenommen hat.“

So habe sich die Zahl der Jugendlichen unter 16 Jahren verdoppelt, die Alkohol ausprobieren. Und sie experimentieren nicht mehr nur mit Bier oder Wein, sondern mit hartem Alkohol, erklärt Vobořil weiter. Es gebe nun zwar Überlegungen, den Verkauf von Alkohol einzuschränken, vorerst aber wolle man auf verstärkte Aufklärung durch Kampagnen in der Öffentlichkeit setzen, so Vobořil. Er sei sich durchaus der gesellschaftlichen Akzeptanz des Alkohols in Tschechien bewusst, daher müsse zuerst dort etwas geändert werden. Und was das hierzulande bedeutet, das weiß Vobořil genau:

„Ich habe 20 Jahre in der Drogenprävention gearbeitet, ich habe mit Abhängigen gearbeitet – es ist wohl mein Schicksal, gegen Windmühlen zu kämpfen.“

Es gibt aber auch Kritik an den Zahlen der WHO. Der Präsident des Verbandes der Spirituosenhersteller und Importeure, Petr Pavlík, sieht das Problem nicht:

„Tatsächlich geht der Alkoholkonsum doch zurück. Sowohl bei Bier und Wein als auch bei Spirituosen hat der Verbrauch abgenommen.“

Er sieht die hohen Zahlen des jüngsten WHO-Berichts in einer fehlerhaften Statistik begründet. Seiner Meinung nach sind die Zahlen des Tschechischen Statistikamtes da viel genauer:

Petr Pavlík
„Das Tschechische Statistikamt erstellt seine Zahlen auf Grundlage der Steuereinnahmen. Das bedeutet, sie gründen sich auf das, was in den Umlauf gelangt, sowie auf die verkauften Produkte, auf die Steuern erhoben wurden. In Tschechien sind das Bier, Spirituosen aber auch Wein. Die WHO verwendet historische Daten aus dem Jahr 1999. Diese werden durch verschiedene Methoden ergänzt, ein großer Teil beruht zum Beispiel auf einem Online-Fragebogen, den die Leute ausfüllen. Das bedeutet, diese Statistik muss nicht der Wahrheit entsprechen.“

Genaue Zahlen zu Konsumenten und Verbrauch nennt Pavlík aber nicht. Und auch zum laut WHO gestiegenen Konsum bei Jugendlichen bezog er keine Stellung. Ob es sich also um Zahlensalat oder ein gesellschaftliches Problem handelt, wird daher vorerst weiter unklar bleiben.