Alle in einem Topf: Pauschalurteile schwächen tschechische Wirtschaft
Es war nur halbernst gemeint, hatte aber handfeste Folgen: Am Samstag hatte Premier Topolánek gesagt, Tschechien werde vielleicht wirklich die Hilfe internationaler Finanzinstitutionen brauchen, wenn es weiterhin mit dem kriselnden Mittelosteuropa in einen Sack gesteckt werde. Dieser Satz reichte, um einen spontanen Kursrutsch der Krone auszulösen. Investoren und Finanzmärkte sind nervös. Ähnliche Aufregung hatte am Dienstag ein Bericht unter anderem in der britischen Financial Times ausgelöst. Maria Hammerich-Maier hat ihn gelesen, und Lothar Martin führt mit ihr darüber ein Studiogespräch.
Maria, was schreibt denn die „Financial Times“ eigentlich über Tschechien?
Das führende internationale Finanzblatt hat am 19. Februar eine Tabelle abgedruckt, wonach ausländische Banken zum Ende des dritten Quartals 2008 insgesamt 192 Milliarden Dollar nach Tschechien geliehen hätten. Umgerechnet wären das 4 Billionen Kronen. Tschechien würde demnach also bei ausländischen Banken himmelhoch in der Kreide stehen. Wenige Tage später legte die Wochenzeitung „The Economist“ noch eins drauf. Viele tschechische Haushalte würden ihre Kredite in ausländischen Währungen nicht mehr zurückzahlen können, hieß es dort.
Welche Reaktionen haben die Berichte denn in Tschechien hervorgerufen? In Zeiten wie diesen herrscht ja in Politik und Finanzwelt Nervosität.
Die Tschechische Nationalbank hat die zitierten Meldungen umgehend dementiert. Es handle sich um Fehlinterpretationen von Statistiken, hieß es in einer Erklärung. Es seien weder höhere Kursrisiken noch Probleme beim internationalen Handel zu befürchten. Die Nationalbank vermutet, dass es sich bei den 192 Milliarden Dollar nur um die Aktiva der tschechischen Banken mit ausländischen Muttergesellschaften handeln könne. Die „Financial Times“ habe eine Statistik der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich fehl interpretiert. Auch an den Euro-Schulden der tschechischen Haushalte ist laut Nationalbank wenig dran. Sie betragen angeblich nur 0,1 Prozent des gesamten Kreditvolumens der Haushalte, und das sei zu vernachlässigen.Was können Meldungen wie die zitierten bewirken, und was ist da zu tun?
Sie könnten bei ausländischen Kapitalgebern Panikreaktionen hervorrufen. Eigentlich beobachten wir solche Vorgänge schon jetzt an der Prager Börse. Die Aktienkurse, besonders Bankenaktien, rutschen ab, auch die Krone hat an Wert eingebüßt. Du hattest ja auch in der Anmoderation schon auf die folgenreichen Worte von Premier Topolánek hingewiesen. Das sind ähnliche Fälle.
Analysten meinen, dass westliche Medien und Wirtschaftsexperten nicht genügend differenzieren. Sie werfen die Länder Mittel- und Osteuropas alle in einen Topf. Und dabei wird beispielsweise übersehen, dass Ungarn mit 127 Prozent oder Bulgarien mit 99 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet sind. In Tschechien betragen die Schulden nur 40 Prozent. Wenn alle nervös sind, gerät das aus dem Blickfeld. In Zukunft will die Nationalbank selber in den Medien mehr präsent sein und ihre Politik international besser abstimmen.