„Alle rannten in Panik“ – Tschechische Studentin erlebt den Anschlag in Manchester
Ein Selbstmordattentäter hat bei einem Popkonzert in Manchester mindestens 22 Menschen getötet und rund 60 verletzt, darunter Kinder. Bei dem Konzert waren genauso tschechische Besucher, die die Ereignisse am Dienstag in den Medien hierzulande geschildert haben. Auch tschechische Politiker haben den Angriff mittlerweile scharf verurteilt. Innenminister Chovanec sagte in einer Reaktion, dass die Sicherheitsmaßnahmen bei öffentlichen Veranstaltungen hierzulande bereits früher verstärkt worden sind.
„Ich war noch in der Arena. Wir waren aber gerade dabei hinauszugehen, als wir den Knall hörten. Das war auf der anderen Seite der Halle am Haupteingang. Von dort begannen auch alle, plötzlich loszurennen. Es kam zur Panik, noch bevor die Notausgänge geöffnet wurden. Ganz am Anfang habe ich gedacht, es sei ein technischer Defekt. Als alle in Panik gerieten, ergriff uns diese ebenfalls, auch weil niemand uns sagen konnte, was los ist. Alle rannten, kleine Kinder standen alleine herum und weinten. Als wir aus der Halle herauskamen, sahen wir, wie die Rettungsdienste heranfuhren und schwer bewaffnete Polizisten in die Halle rannten. Wir haben versucht, so schnell wie möglich wegzukommen, weil wir nicht wussten, ob nicht noch etwas geschieht.“
In dem Moment ist noch nicht klar, ob es wirklich ein Anschlag ist. Erst am Dienstag gibt die britische Polizei bekannt, dass sich ein Selbstmordattentäter im Foyer der Arena in die Luft gesprengt hat. Er hatte einen selbstgebauten Sprengsatz am Körper. Im Foyer warten im Moment des Anschlags viele Eltern auf ihre Kinder, die beim Konzert waren. 22 Menschen sterben. Ein Polizeisprecher bestätigt später, dass auch Kinder unter den Toten sind. 59 Menschen werden verletzt. Was wirklich geschehen ist, weiß auch Nikola Trochtová noch nicht, als sie die Halle verlässt. Sie erfährt es erst, als sie zurück im Hotel ist.Lasche Sicherheitskontrollen am Eingang
Wie die Studentin gegenüber dem Tschechischen Rundfunk schilderte, müssen die Sicherheitskontrollen vor dem Konzert relativ lax gewesen sein:„Die Sicherheitsleute haben zwar die Eintrittskarten kontrolliert, aber sonst eigentlich nichts. Wir mussten weder die Taschen öffnen, noch wurden wir gefragt, ob wir gefährliche Gegenstände bei uns hätten. Als Einziges hat sie interessiert, ob wir Plastikflaschen mit Wasser haben, die hätte man wegschmeißen müssen. Ansonsten wurden wir einfach so in die Arena gelassen.“
Nikola Trochtová und ihre Bekannte waren wohl nicht die einzigen tschechischen Besucher des Konzerts. Das Außenministerium versuchte am Dienstagmittag jedenfalls, mehr über die Todesopfer und Verletzten des Attentats zu erfahren.
„Die britische Polizei ist erst gerade dabei, die Opfer zu identifizieren. Wir haben auf den Webseiten des Ministeriums und in den Social Media eine Notrufnummer veröffentlicht. Dort kann man anrufen, falls jemand nach dem Konzert vermisst wird. Einige Tschechen haben sich bereits gemeldet. Aber die Gesuchten konnten bisher gefunden werden“, so Außenminister Lubomír Zaorálek (Sozialdemokraten),Die britischen Behörden gehen mittlerweile davon aus, dass es sich um einen Terroranschlag gehandelt hat. Am Dienstagmittag war allerdings noch nicht klar, ob der Täter alleine gewesen ist und was hinter dem Attentat gesteckt hat.
Keine Hinweise auf Verbindung nach Tschechien
Laut Innenminister Milan Chovanec (Sozialdemokraten) deutet allerdings nichts darauf hin, dass etwa eine Verbindung nach Tschechien bestanden hat, wie er in den Inlandssendungen des Rundfunks ausführte:„Wir sind mit unseren Partnern in Großbritannien sowie den Nachrichtendiensten und der Polizei aus der ganzen Welt seit der Nacht in ständigem Kontakt. Das Attentat unterscheidet sich in einer Sache von denen in Frankreich und Belgien, dass nämlich die britische Polizei relativ zügig Informationen freigibt. Und bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass der Anschlag in irgendeiner Weise auch etwas mit Tschechien zu tun haben könnte. Bei uns gilt weiter die erste Sicherheitsstufe, das heißt die Stufe der Wachsamkeit. Deswegen besteht auch kein Grund, die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken.“
Allerdings startet gerade in diesen Tagen die Festivalsaison in Tschechien. Am Mittwoch spielen Depeche Mode in der Prager O2-Arena. Am Sonntag und Montag folgen zwei Auftritte der Rockband Rammstein im Stadion Eden. Zu diesen und weiteren Konzerten werden sicher auch Fans aus Deutschland und Österreich anreisen. Doch Chovanec beruhigt:„Wir beobachten alle großen Veranstaltungen in Tschechien. Die Polizei wird dort verstärkt im Einsatz sein. Schon vor etwa einem Jahr haben wir begonnen, große Kulturveranstaltungen und auch Shoppingcenter, also sogenannte ‚weiche Ziele‘, besser zu schützen. Tschechien bemüht sich schon seit längerem um die Prävention vor möglichen Anschlägen. Jetzt zeigt sich, dass das die richtige Richtung ist.“
Metalldetektoren in Prager O2-Arena
In der Prager O2-Arena werden die Besucher an den Eingängen zum Beispiel intensiv kontrolliert. Dort muss man wie am Flughafen auch Metalldetektoren passieren. Innenminister Chovanec:„Die Polizei und das Ministerium stehen schon länger mit den Veranstaltern in Kontakt, egal ob es Fußballspiele sind, große Konzerte, internationale Tennisturniere oder Weiteres. Die Veranstalter können unter einer speziellen Telefonnummer Rat bei der Polizei einholen. Die britische Polizei wird sicher selbst auswerten, ob die Sicherheitsmaßnahmen in Manchester ausreichend waren. Hier in Tschechien bemühen wir uns, dass der Staat als Partner auftritt, damit die Menschen ein berechtigtes Gefühl der Sicherheit haben. Aber erneut muss man auch sagen, dass die Angriffe von Einzeltätern wie leider jetzt in Manchester und zuvor auch in Belgien und Frankreich, aber ebenso in Israel, schwer im Vorfeld zu erkennen sind.“
Chovanec, Zaorálek und weitere tschechische Politiker zeigten sich am Dienstag bestürzt über das Attentat in Manchester. Den Angehörigen der Opfer sprachen sie ihr tiefes Beileid aus.