Amerikaner in Prag

Die Aufnahmen der Fernsehstationen und Videokameras holten am Dienstag die Bilder der Terroranschläge auf New York und Washington in jedes Wohnzimmer. Schwieriger war es für die zahlreichen Prager Touristen, unter denen sich auch viele amerikanische Staatsbürger befanden, an die neuesten Informationen heranzukommen. Viele erfuhren von der Tragödie erst durch zufällige Gespräche mit Passanten oder in Restaurants, in denen seit dem Unglück der Fernseher ununterbrochen lief. Hören Sie mehr dazu in einem Beitrag von Karin Schöne.

Während die meisten Prager die Meldungen von dem Anschlag auf die New Yorker Zwillingstürme am frühen Dienstag Nachmittag erreichte, erfuhren viele der Touristen erst am Abend oder gar erst am nächsten Morgen von der schrecklichen Tragödie. Ein Angestellter eines gerade bei Amerikanern sehr beliebten Hostels beschrieb uns, wie seine Gäste die Nachricht am Dienstag abend aufgenommen haben:

"Die Leute hier reagierten mit sehr gemischten Gefühlen. Alle haben mich gefragt, wo hier der nächste Fernseher steht, damit sie sich das anschauen können. Dann haben viele auch Bekannte und Freunde in New York oder Washington. Also haben sie versucht, zu ihrer Familie Kontakt aufzunehmen und haben hauptsächlich weiter die Nachrichten auf CNN und BBC verfolgt. Zwar hatten sie gehört, dass etwas passiert war, aber was genau, wusste keiner. Es war alles in allem ziemlich hektisch - besonders aufgeregt waren natürlich die Amerikaner. Einige andere aus nicht unmittelbar betroffenen Ländern registrierten wiederum nur, was geschehen war, und spielten dann weiter Karten wie gewöhnlich."

Aus der Menge in Bahn und Metro hoben sich am Mittwoch morgen einige fassungslose Gesichter ab, in denen noch Spuren von Tränen zu erkennen waren. Aus englischen Gesprächsfetzen wurde deutlich, wie einander zuvor unbekannte Leute spontan die neuesten Informationen austauschten. Andere fand man in Internet-Cafes über Zeitungen gebeugt oder den Blick unverwandt auf den Bildschirm gerichtet, der bisweilen den einzigen Kontakt zur Heimat per Bild und e-mail herstellte. Wie sie von der Tragödie erfahren hat, sagte uns eine junge Frau aus New York:

"Ich ging in ein Restaurant. Dort lief gerade CNN. So erfuhr ich, was sich da gerade abspielte. Wir wollten eigentlich etwas zu Abend essen. Aber ich bekam nichts herunter, als ich das sah. Am Anfang hab ich es gar nicht glauben können. Es schien mir wie ein Film."

Und wie fühlte sie sich, als ihr klar wurde, was da geschehen war?

"Ich war wütend. Entrüstet. So etwas sollte niemandem passieren, nirgendwo auf der Welt. Es gibt keinen Grund für Menschen, solche Gewalt anzuwenden."

Glücklicherweise gelang es ihr bereits festzustellen, dass ihr Bruder und ihre Schwester, die im New Yorker Zentrum wohnen, in Sicherheit sind. Der Mann am Nachbartisch war diesbezüglich noch im Unklaren. Er hatte noch niemanden zu Hause erreichen können.

Autor: Karin Schöne
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