Amnestie sorgt für Unruhe – Opposition sieht Regierung in Verantwortung

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Am 1. Januar hielt Václav Klaus seine letzte Neujahrsansprache, seine Amtszeit als Staatspräsident endet im März. Es war eine durchschnittliche Rede, an die sich keiner erinnern würde, hätte er nicht ganz am Schluss von einem seiner Verfassungsrechte Gebrauch gemacht: Er verhängte eine Teilamnestie. Diese Amnestie sorgt nun für immer mehr Unmut.

Václav Klaus  (Foto: ČTK)
Überall in der Tschechischen Republik verließen in den letzten Tagen Menschen ihren Zwangswohnsitz: Die Amnestie des Präsidenten sorgte zumindest bei den freigelassenen Gefangenen für Freude.

Anders reagierten da viele Politiker. Vor allem die sozialdemokratische Partei schäumt vor Wut über die Amnestie des Staatspräsidenten. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Jeroným Tejc, erklärte bei einer Pressekonferenz:

„Rufen wir uns ins Gedächtnis, dass Václav Klaus in seiner Neujahrsrede von der Notwendigkeit sprach, zu traditionellen Werten zurückzukehren. Ich persönlich halte ja gerade das Respektieren von Vorschriften und Gesetzen sowie den Schutz der anständigen Bevölkerung vor Verbrechern für traditionelle, sogar für konservative Werte. Daher denke ich, der Präsident widerspricht sich hier in seiner eigenen Rede.“

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Die Teilamnestie betrifft in erster Linie Menschen, deren Strafe vor dem 1. Januar 2013 verhängt wurde und die nicht länger als ein Jahr dauert. Daneben wird allen Menschen die Freiheit geschenkt, die im Jahr 2013 das 75. Lebensjahr erreichen und die keine längere Strafe als zehn Jahre absitzen. Auch Bewährungsstrafen bis zu zwei Jahren werden erlassen. Hinzu kommt, dass die Strafverfolgung von Personen eingestellt wird, gegen die zum 1. Januar 2013 bereits seit acht Jahren oder länger ermittelt wird. Von der Amnestie ausgenommen sind hingegen Gewaltverbrechen, Sexualdelikte oder Verbrechen gegen Familien und Kinder.

Ladislav Jakl  (Foto: Kristýna Maková)
Nach der tschechischen Verfassung hat der Staatspräsident das Recht, eine Amnestie zu erlassen. Václav Havel hat im Laufe seiner Amtszeit sogar mehrfach davon Gebrauch gemacht. Ladislav Jakl, Leiter der politischen Abteilung der Präsidentenkanzlei, verteidigt die Amnestie:

„Ernste Kriminalfälle, Gewalttaten und umfangreiche Besitzdelikte sind von dieser Amnestie ausgenommen. Für solche Taten wurden viel höhere Strafen verhängt als zehn Jahre.“

Außerdem betrachte der europäische Gerichtshof für Menschenrechte alle Strafverfahren, die länger als sechs Jahre dauern, als ungültig. Die Amnestie setze also teilweise europäisches Recht durch, so Jakl in seiner Argumentation.

Jeroným Tejc  (Foto: Archiv ČSSD)
Die Opposition sieht die Regierung in der Verantwortung. Schließlich habe Premierminister Petr Nečas die Amnestie genehmigt, sagte der Sozialdemokrat Tejc. Ein Misstrauensvotum im Abgeordnetenhaus sei daher konsequent:

„Diese Amnestie hätte nie ausgerufen werden dürfen. Und ich möchte darauf aufmerksam machen, dass sie nie gültig geworden wäre, hätte nicht Premierminister Petr Nečas seine Zustimmung gegeben. Der Staatspräsident ist in seiner Amtsausübung nicht dem Parlament verantwortlich, die Regierung aber muss ihre Entscheidungen gegenüber den Volksvertretern rechtfertigen.“

Unklar ist bisher auch, ob durch die Amnestie auch der Eintrag im Strafregister gelöscht wird. Eine wichtige Frage, wenn zum Beispiel die Vorsitzenden einer rechtsextremen Partei nun wieder auf freien Fuß kommen oder wegen Korruption verurteilte Betrüger sich für einen Posten im Staatsdienst bewerben.