Neujahrsansprache: Staatspräsident Klaus verkündet Großamnestie
Am Dienstag hat Václav Klaus seine letzte Neujahrsansprache als Staatspräsident gehalten. Im März endet seine zweite und damit letzte Amtszeit. Klaus´ Ansprache zeigte große Wirkung: nicht so sehr wegen der kritischen Worte zur politischen Kultur in Tschechien, sondern vielmehr wegen der Ankündigung einer Amnestie. Es ist die erste Amnestie, die Klaus erlässt. Sein Vorgänger Václav Havel hatte hingegen dreimal von diesem Privileg Gebrauch gemacht.
„Verehrte Mitbürger, heute sind 20 Jahre vergangen, seitdem die eigenständige Tschechische Republik auf der Weltkarte erschienen ist. Erlauben Sie mir vor dem Ende meiner Ansprache aus Anlass dieses Jubiläums eine Teilamnestie zu verkünden. Sie tritt am 2. Januar in Kraft.“
Knappe Worte – große Wirkung. Die Amnestie kam überraschend, und sie ist sehr umfangreich, wie aber nur den Webseiten des Präsidenten zu entnehmen war. Der tschechische Justizvollzugsdienst war vorher nicht über Klaus´ Schritt informiert gewesen, in der Regierung wussten davon nur einige Erwählte wie Premier Nečas und Justizminister Blažek. Dabei könnten fast 7000 Menschen freikommen, rund ein Viertel der Inhaftierten in tschechischen Gefängnissen. Die Amnestie bezieht sich vor allem auf Kleinkriminelle, aber auch auf Angeklagte, deren Verfahren sich seit mehr als acht Jahren hinziehen.
Unter den tschechischen Politikern hat dies zu unterschiedlichen Reaktionen geführt. Regierungsvertreter lobten mehrheitlich den Schritt, so sagte zum Beispiel Außenminister Karel Schwarzenberg dem Tschechischen Fernsehen:„Ich halte das für außerordentlich notwendig, weil die Gefängnisse überfüllt sind.“
Tatsächlich sind einige tschechische Haftanstalten zu einem Drittel überbelegt. Der Vorsitzende der Partei der öffentlichen Angelegenheiten (VV), Radek John, machte sich aber Gedanken darüber, wer nun jetzt alles seine Gefängniszelle verlassen wird:
„Wir werden sehen, welche konkreten Fälle die Amnestie betrifft. Mir graut davor, dass dazu auch Wirtschaftsverbrechen und Korruption gehören könnten.“Laut einem Bericht des Nachrichtenservers Aktualne.cz wäre auch möglich, dass Verurteilte der rechtsradikalen Partei DSSS freikämen. Allerdings müssen die Richter noch jeden Fall im Einzelnen überprüfen. Die Gerichte sind daher nun im Dauerbetrieb.
Und die restliche Ansprache von Václav Klaus? Vor allem wandte sich das scheidende Staatsoberhaupt gegen die schlechte Stimmung in der tschechischen Gesellschaft. Die wirtschaftliche Bilanz während den zehn Jahren seiner Amtszeit sei positiver, als die Stimmung im Land dies scheinen ließe. Problematisch sei, dass die Ansprüche jedes einzelnen steigen würden, bei gleichzeitig weniger Bereitschaft, dafür zu arbeiten. Der Staatspräsident appellierte deswegen an alle, sich nicht auf den Austausch der politischen Garnitur zu verlassen:
„Einen wirklichen Wandel können nur weitaus grundlegendere Dinge bringen: die Rückkehr zu guten alten Werten, Traditionen, Gewohnheiten und Verpflichtungen, die wir unter dem Motto ‚Moderne und Fortschritt’ so verantwortungslos missachten und ablegen. Lassen Sie uns Änderungen dieses Typs so bald wie möglich starten. Sie haben den Vorteil, dass jeder bei sich selbst damit beginnen kann.“Welche konkreten Werte und Traditionen ihm vorschweben, ließ der Präsident indes im Vagen.