Andreas Schager öffnet Tür für neues Publikum

Foto: Archiv des Nationaltheaters in Prag

Andreas Schager gehört zu den meistgefragten Heldentenören der Gegenwart. Der österreichische Sänger feierte Erfolge in Bayreuth, in den beiden Opernhäusern in Berlin sowie in der Wiener Staatsoper. Ende Oktober stellt sich Schager erstmals in Prag vor. Das jedoch nicht in einer Oper, sondern in der Weltpremiere eines sogenannten Regie-Konzerts. Die Inszenierung trägt den Titel „Faszination Wagner“ und Regisseur sowie Sänger Selcuk Cara bemüht sich darin um eine filmische Interpretation von Wagners Musik. Vor der Leinwand wird Andreas Schager eine Auswahl aus Wagners Werken vortragen, begleitet vom Orchester der Staatsoper Prag unter der Leitung von Matthias Fletzberger. Als Solistin tritt zudem die österreichische Geigenvirtuosin Lidia Baich auf. Andreas Schager hat vor einigen Tagen Prag besucht. Bei dieser Gelegenheit hat Martina Schneibergová mit dem Tenor gesprochen.

Andreas Schager  (Foto: Archiv des Nationaltheaters in Prag)
Herr Schager, Sie werden sich mit dem Konzert „Faszination Wagner“ schon bald dem Prager Publikum vorstellen. Wie entstand das Konzept dieses Regie-Konzertes?

„Wir wollen mit diesem Projekt eine Tür aufmachen, und zwar für viele Leute, die bisher mit Wagner nichts zu tun hatten und die sich davor fürchten, in eine fünfstündige Wagner-Oper zu gehen. Wir möchten mit dem Konzept zeigen, dass eine Oper nicht nur die Ohren, sondern auch die Augen begeistern kann. Man sieht bei dem Konzert eine riesige Leinwand im Hintergrund. Ein Freund von mir Selcuk Cara ist ein hervorragender und preisgekrönter Filmemacher, unter anderem wurde er mit dem American Film Award ausgezeichnet. Er war zuvor auch Opernsänger und hat auch Wagner gesungen. Er weiß sehr gut Bescheid über diese Musik. Wir haben uns mit meinem sehr guten Freund und sehr guten Dirigent Matthias Fletzberger zusammengesetzt. Er ist jetzt musikalischer Leiter des Rings in Seoul, es handelt sich dabei um die erste Aufführung des Rings in Südkorea. Wir drei waren von dieser Idee beseelt, dass wir rausgehen und die Tür öffnen und ein neues junges Publikum ansprechen für Wagner und die klassische Musik.“

Sie singen viele Wagner-Partien. Zieht Sie diese Musik besonders an?

„Es ist mir ein Anliegen, so zu sagen ,normale Menschen‘ ohne Vorbildung anzusprechen.“

„Ich komme von einem Bauernhof in Niederösterreich. Wir hatten nichts mit klassischer Musik zu tun, und schon gar nicht mit Wagner. Ich habe ganz spät mit der Musik begonnen – ich war damals 19 oder 20 Jahre alt. Aber ich weiß von der Kraft, die vor allem in Wagners Musik steckt, wie sie begeistern kann. Vor diesem Hintergrund will ich Menschen mit einem ähnlichen Lebenslauf ansprechen, die vielleicht auch sozusagen ,normale Menschen‘ ohne bestimmte Vorbildung sind. Ich weiß, dass es in jedem steckt. Die Form eines Regiekonzertes ist wirklich neu.“

Selcuk Cara,  Andreas Schager und Matthias Fletzberger  (Foto: Archiv des Nationaltheaters in Prag)
Sie haben Jahre lang Operetten gesungen. Wie gelang Ihnen der Wechsel von der Operette zum Heldentenor? Ist der Unterschied zwischen den Operetten-Partien und Wagner-Rollen nicht allzu groß? Obwohl die Operette natürlich auch dramatisch sein kann, die Musik möchte ich nicht unterschätzen…

„Ja, das stimmt. Operette ist wahrscheinlich das am meisten unterschätzte Genre in der klassischen Musik. Wenn man sich beispielsweise einen Zigeunerbaron anschaut – Johann Strauss selbst sagte, er habe eine Oper geschrieben. Nur die Nachwelt hat daraus eine Operette gemacht. Aber wenn man sich die drei Charakterrollen anschaut: Barinkay, Saffi und Czipra, das ist eine ganz starke Musik, vor allem die Terzette im Finale. Man muss wirklich eine starke Stimme haben. Die Rolle von Barinkay ist einem Siegfried viel näher als ein lyrischer Conte in Rossinis Barbier von Sevilla oder Donizettis Nemorino. Da ist der Sprung von Johann Strauss zu Wagner für einen Tenor kleiner als von Donizetti zu Wagner.“

„Ich freue mich sehr auf Lohengrin in Prag. Ich liebe die Stadt und fühle mich hier sehr wohl.“

Siegfried gilt als Ihre Paraderolle. Gibt es eine Opernrolle, die Sie gern singen möchten, aber bisher keine Möglichkeit dazu hatten?

„Beim Wagner-Repertoire bin ich jetzt sehr glücklich, dass ich noch in diesem Monat den ersten Lohengrin in der Staatsoper Wien singen darf. Damit komme ich auch nach Prag. Darauf freue ich mich sehr. Es ist die Inszenierung, die Katarina Wagner neu aufgefrischt hat. Ich bin sehr gespannt darauf, weil ich die Stadt Prag sehr liebe. Ich fühle mich hier sehr wohl.“

Richard Wagner  (Foto: Wikimedia Commons,  Public Domain)
Sie sind einer der meist gefragten Heldentenöre der Gegenwart. Wie weit im Voraus ist Ihr Kalender ausgebucht?

„Ja, das ist eine gute Frage. Ich glaube, bis 2023 sind wenige freie Stellen drin. Für ein Konzert wie jetzt in Prag braucht nur wenig Probezeit. Solche Konzerte kann man leicht irgendwo unterbringen. Aber für eine ganze Produktion sehe ich in den nächsten Jahren nur wenig Spielraum.“

Inwieweit identifizieren Sie sich mit Ihren Rollen? Denn neben Gesang ist auch die schauspielerische Leistung wichtig…

„Parsifal und Siegfried sind mir schon sehr nahe. Wie ich erzählt habe, bin ich auf einem Bauernhof aufgewachsen. Ich kenne das, wenn man sein Bild im Bach sieht, ich kenne das, wenn man so eng mit der Natur lebt. Diese Charaktere sind mir sehr nahe.“

Haben Sie auch eine Beziehung zur tschechischen Musik? Von den tschechischen Opern könnte ich mir Sie vielleicht als Dalibor in Smetanas gleichnamigem Werk vorstellen…

„Ich kenne das, wenn man sein Bild im Bach sieht, wenn man so eng mit der Natur lebt.“

„Leider ist das für mich ein weißes Feld. Bei mir hängt das damit zusammen, dass ich erst sehr spät zur klassischen Musik gekommen bin. Das muss ich für mich noch entdecken.“

Welche Rolle spielten für Sie Gesangslehrer, hatten Sie oder haben Sie einen?

Andreas Schager  (rechts). Foto: Archiv des Nationaltheaters in Prag
„Jeder ist anders. Manche haben von 16 bis 60 Jahren einen Gesanglehrer, zu dem sie immer gehen. Mein Weg ist ein anderer: Ich hole mir immer Anregungen und schaue, von wem ich etwas lernen kann. Ich bin auch zu Kollegen gegangen und habe sie gefragt, wie sie das und das singen. Aber singen muss man selber auf der Bühne. Es ist wichtig, dass man Erfahrungen sammelt und eigener Coach wird. Natürlich habe ich Leute, denen ich vertraue und die mich von außen hören und die mir dann sagen, was gut war und worauf ich achten sollte. Ich bekomme immer wieder Feedback. Natürlich bin ich gut aufgehoben in Berlin unter Daniel Barenboim. Das ist mein Stammhaus.“

Haben Sie sonst ein besonders beliebtes Opernhaus?

„Ich singe jetzt an der Bastille in Paris und muss sagen, dass ich dieses Opernhaus sehr mag. Ich bin jetzt sehr glücklich, dass Philippe Jordan nach Wien kommt. Wien ist eine Herzensangelegenheit für mich. Als Student bin ich immer an der Oper vorbeigegangen und habe mir gedacht: ‚wenn ich da Mal singen könnte‘. Wien, Berlin, Bastille sind phantastisch. Ich freue mich schon darauf, dass ich nächstes Jahr zum ersten Mal in der Met singen werde. Es kommen wunderbare Aufgaben auf mich zu.“


Die Weltpremiere des Konzerts mit dem Titel „Faszination Wagner“ findet am 25. Oktober im Prager Forum Karlín statt. Das Konzert fängt um 19 Uhr an. Eine Reprise folgt am nächsten Tag. Es gibt immer noch Restkarten. Die „Faszination Wagner“ wird anschließend auch in anderen Ländern aufgeführt.