Anspannung vor dem ODS-Kongress: Wer wird neuer Parteichef?
Ein Parteitag in Krisenzeiten ist immer eine aufregende Sache, oft mit ungewissem Ausgang. So ist es auch mit dem Kongress der regierenden Bürgerdemokraten. Von Freitag bis Sonntag tagen in Prag die Delegierten der ODS. Am letzten Tag soll ein neuer Parteichef gewählt werden. Zur Wahl stehen der jetzige Parteichef Mirek Topolánek und der Prager Oberbürgermeister und Parteivize Pavel Bém. Eine weitere Rolle im Drehbuch des Parteitags spielt aber auch der Ehrenvorsitzende und ODS-Gründer Präsident Klaus. Über den aktuellen Stand sprach Till Janzer mit Radio-Prag-Redakteur Christian Rühmkorf.
„Die Stimmung ist natürlich angespannt. Die ODS steht schlecht da in den Wählerumfragen und sie verliert laut einer aktuellen Analyse den Mittelstand. Aber wie steht es um die Chancen der beiden Kandidaten? Topolánek hat 11 von 14 Kreisorganisationen der ODS hinter sich, Pavel Bém nur die Prager Regionalorganisation, aber sie ist innerhalb der ODS zugleich auch die stärkste. Also rein rechnerisch spricht alles für Topolánek. Aber das muss nichts heißen. Vor sechs Jahren, als sich Topolánek zum ersten Mal zur Wahl gestellt hat, hatte er auch nur zwei Kreise hinter sich gehabt und ist am Ende Parteivorsitzender geworden.
Aber die Anspannung ist auch deshalb so groß, weil es eben nicht nur um die Zukunft der ODS geht, es geht auch um die Zukunft der Regierungskoalition, um die Zukunft des EU-Vertrags von Lissabon. Das hängt alles miteinander zusammen.“
Darauf kommen wir gleich noch mal zu sprechen. Zunächst zur Rolle von Präsident Václav Klaus. Der ist ja Ehrenvorsitzender der ODS, und in den vergangenen Wochen hat er heftig Stimmung gegen Parteichef Topolánek gemacht. Wird er auf dem Kongress erscheinen?„Lange hat Klaus sich dieses Türchen offengehalten und gleichzeitig alle Spekulationen angeheizt – auch jene über seinen Parteiaustritt und die Gründung einer neuen konservativen Partei. Jetzt hat er entschieden: Er kommt! Das heißt, Präsident Klaus scheint um ´seine´ ODS kämpfen zu wollen. Nach Zeitungsinformationen hat er eine ausgefeilte Eröffnungsrede vorbereitet, in der er die Atmosphäre des Parteitages gleich in die ´richtige´ Richtung lenken will, nämlich gegen Mirek Topolánek und für Pavel Bém.
Und das Neueste: Václav Klaus macht von sich Reden, da er auch mit unlauteren Mittel für Mehrheiten kämpft. Führende ODS-Politiker aus der Topolánek-Mannschaft haben SMS-Mitteilungen von Klaus ganz versönlich erhalten. Der Inhalt: „Ich lösche Sie aus meiner Telefonliste.“Du hast es eben schon erwähnt: Bei diesem ODS-Kongress geht es nicht nur um die Zukunft der Partei. Es geht auch um die Zukunft der Koalitionsregierung, es geht um die Zukunft des EU-Vertrags von Lissabon. Welche Szenarien sind nach dem Parteitag möglich?
„Wenn Topolánek gewinnt, dann will er als Premier mit der Dreierkoalition aus Christdemokraten und Grünen weitermachen, auch wenn die Mehrheitsverhältnisse schwierig und wackelig sind. Er will das US-Radar durchsetzen und den Lissabon-Vertrag ratifizieren, auch wenn er den Vertrag nicht mag.
Wenn Pavel Bém gewinnt, will er die Regierungskoalition kippen und eine Minderheitsregierung mit Unterstützung der Sozialdemokraten durchsetzen. Und sein wichtigstes Ziel ist, den Lissabon-Vertrag zu verhindern.“Ganz kurz noch deine Einschätzung: Wer geht als Sieger aus der Wahl zum Parteichef hervor?
„Schwer zu sagen, aber ich glaube, es wird Mirek Topolánek sein. Ich zweifle, ob die innerparteilichen Topolánek-Gegner das Risiko auf sich nehmen wollen, den Zorn der gesamten EU auf sich zu ziehen. Aber auf alle Fälle wird wohl die ODS insgesamt verlieren. Denn dass eine neue konservative Rechtspartei entsteht, ist gar nicht so unwahrscheinlich.