Ansprache im Parlament: Ukrainischer Präsident Selenskyj dankt Tschechien und fordert Aufbauhilfe

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Mittwoch vor beiden Kammern des tschechischen Parlaments eine Rede gehalten

Tschechien gehört zu jenen Ländern des Westens, die sich am meisten einsetzen für die Ukraine und ihren Kampf gegen den russischen Einmarsch. Am Mittwoch hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nun vor beiden Kammern des tschechischen Parlaments eine Rede gehalten.

Foto: Michal Krumphanzl,  ČTK

Selenskyj sprach rund zwölf Minuten lang vor den tschechischen Senatoren und Abgeordneten – und zwar per Video-Übertragung aus Kiew. Die Rede wurde in beiden Kammern des tschechischen Parlaments auf großen Bildschirmen gezeigt und simultan gedolmetscht.

Wenn man bedenkt, wie sehr sich Tschechien für die Ukraine einsetzt, kam die Ansprache vergleichsweise spät. In den vergangenen Wochen und Monaten hat Selenskyi bereits in rund 20 Parlamenten auf der ganzen Welt gesprochen, so auch in Deutschland, Frankreich oder Großbritannien oder etwa in den USA und Japan. Dafür dankte der ukrainische Präsident umso intensiver für die tschechische Unterstützung:

Tschechische Radhaubitze DANA | Foto: Derek Hamilton,  7th Army Training Command,  Flickr,  CC BY 2.0

„Gerade jetzt wird in der Ukraine um die Zukunft Europas gekämpft. Und ich bin Ihrem Staat und Ihrem Volk sehr dankbar, wie großzügig Sie uns geholfen haben und weiterhin helfen. Tschechien hat auch sehr bedeutende Waffen geliefert. Deswegen möchte ich hiermit ebenso der Führung des Staates danken. Die Hilfe kam gerade in dem Moment, als wir sie am nötigsten gebraucht haben. Aber Sie können sicher sein, dass Sie damit auch sich selbst unterstützt haben – Ihre eigene Freiheit und Ihr Leben.“

Tschechien hat offiziellen Angaben zufolge schon militärisches Material im Umfang von 3,5 Milliarden Kronen (140 Millionen Euro) in das Kriegsland geliefert. Und nicht zuletzt erhielten insgesamt 375.000 ukrainische Geflüchteten hierzulande Schutz, ein Teil von ihnen ist allerdings schon wieder in seine Heimat zurückgekehrt.

Sowjetischer Einmarsch in die Tschechoslowakei im August 1968 | Quelle:  Nationalmuseum in Prag,  eSbírky,  CC BY-NC 4.0

In seiner Rede zog Selenskyj eine Parallele zwischen dem ukrainischen Abwehrkampf und dem Widerstand gegen den sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei im August 1968. Er zitierte einen Slogan aus dieser Zeit:

„‚Wir sind mit Euch, seid Ihr mit uns!‘ Diese Worte sind sehr bedeutsam. Sie waren auch damals wichtig, als sie 1968 auf den Wellen des Tschechoslowakischen Rundfunks erklangen und den Widerstand unterstützten.“

Und mit diesen Worten würden sich die Ukrainer nun an alle Völker Europas und der demokratischen Welt wenden, so Selenskyj. Rund zwei Wochen bevor Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt warb er daher dafür, seinem Land den Status eines Beitrittskandidaten zur Europäischen Union zu geben. Des Weiteren ermunterte er zu einem siebten Sanktionspaket der EU. Aber er sprach auch davon, dass bereits jetzt der Wiederaufbau in den zurückeroberten Gebieten der Ukraine anlaufen sollte. Konkret wandte sich Selenskyj dabei an die tschechischen Parlamentarier und Regierungsvertreter.

Krieg in der Ukraine | Foto: Ukrainisches Innenministerium,  Wikimedia Commons,  CC BY 4.0 DEED

„Ich bitte Sie, sich auch auf nationaler Ebene direkt am Wiederaufbau der Ukraine zu beteiligen und die Schirmherrschaft zu übernehmen über eine der ukrainischen Regionen oder Städte, die unter der russischen Aggression gelitten haben“, so das Staatsoberhaupt.

Vor der Ansprache hatten die Spitzen der tschechischen Politik versprochen, die Ukraine weiter zu unterstützen. Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) betonte dabei unter anderem:

Petr Fiala | Foto: Petr David Josek,  ČTK/AP Photo

„Die ganze EU muss sich bewusst sein, dass die Ukraine nicht nur für sich kämpft, sondern ihr Abwehrkampf auch der Verteidigung jener grundlegenden Werte gilt, die sich die EU und die ganze westliche Welt zueigen gemacht haben: Demokratie, die Vorherrschaft des Rechts, Freiheit und Unabhängigkeit.“

Wolodymyr Selenskyj wiederum zitierte in seiner Ansprache den früheren tschechischen und tschechoslowakischen Präsidenten Václav Havel:

‚Wahrheit und Liebe müssen über Lügen und Hass siegen.‘  | Foto:  Tschechische Akademie der Wissenschaften

„‚Wahrheit und Liebe müssen über Lügen und Hass siegen.‘ Leider haben sich diese Worte in der Geschichte Europas häufig nicht erfüllt. Aber jetzt, 2022 in der Ukraine, und zwar gemeinsam, können wir sicherstellen, dass diese Worte sich erfüllen und viele weitere Generationen unserer Völker die Früchte unseres Sieges genießen können. Ich danke Ihnen. Es lebe Tschechien! Ruhm der Ukraine!“

Autor: Till Janzer
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