Arbeitskräftemangel in Tschechien: Regierung will mehr Angestellte aus Drittländern

In Tschechien sollen schon bald mehr Menschen aus Nicht-EU-Ländern arbeiten können. Dadurch will die Regierung dem Mangel an Arbeitskräften hierzulande Herr werden.

Den Firmen in Tschechien macht derzeit nach wie vor ein Mangel an Mitarbeitern zu schaffen. Bis zu 250.000 Leute fehlen, ergab eine im Juni durchgeführte Umfrage des Ministeriums für Arbeit und Soziales. Jeder fünfte Arbeitgeber hierzulande brauche mehr Mitarbeiter, heißt es weiter in der Analyse. Dies müsse geändert werden, findet Arbeits- und Sozialminister Marian Jurečka (Christdemokraten):

Marian Jurečka | Foto: Regierungsamt der Tschechischen Republik

„Wir sollten uns etwa die konkreten finanziellen Folgen anschauen. Wenn es diese Menschen auf unserem Arbeitsmarkt gäbe, würde das für die tschechische Gesellschaft mehr Steuereinnahmen bedeuten. Jährlich würden 45 Milliarden Kronen (1,8 Milliarden Euro, Anm. d. Red.) zusätzlich in den Staatshaushalt fließen.“

Um dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, hat sich das Ressort nun einige Maßnahmen überlegt. So sollen Automatisierung und Digitalisierung in den Unternehmen vorangetrieben werden. Außerdem ist geplant, dass Menschen schneller aus der Elternzeit in ihren Job zurückkehren können – etwa durch Teilzeitanstellungen. Zudem hat Minister Jurečka vor, verurteilte Straftäter in den Arbeitsmarkt zu integrieren, statt sie in den überfüllten Gefängnissen zu inhaftieren.

Illustrationsfoto: pashminu,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

Eine Änderung, die die Zahl der Fachkräfte und nicht-qualifizierten Angestellten in Tschechien erhöhen soll, hat die Regierung zudem bereits verabschiedet. So werden ab dem kommenden Jahr die Quoten für Menschen aus Nicht-EU-Ländern erhöht, die nach Tschechien ziehen können. Statt 50.000 dürfen dann bis zu 70.000 Arbeiter aus Drittländern in Tschechien anheuern. Vor allem aus Vietnam, der Mongolei oder von den Philippinen könnten so nun mehr Menschen hierzulande eine Anstellung suchen.

Andrea Krchová leitet das NGO-Konsortium zur Betreuung von Migranten. Sie begrüßt die Änderung:

Andrea Krchová | Foto: Kateřina Cibulka,  Tschechischer Rundfunk

„Die Menschen machen sich etwa im Dienstleistungssektor bewährt, aber ebenso in Pflegeberufen oder etwa in der Gastwirtschaft“, so Krchová.

Auch die Arbeitgeberverbände heißen die Änderung gut, bringen aber auch Kritik an. Tomáš Zelený von der tschechischen Handelskammer sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Wir sehen das zwar positiv, hoffen aber auch, dass diese neue Zahl nicht die letzte Anhebung bedeutet. Es sind nämlich wesentlich mehr Arbeitskräfte von Nöten, und ganz ohne Zweifel kommen wir nicht ohne weitere Menschen aus dem Ausland aus.“

Radek Špicar | Foto: Kateřina Cibulka,  Tschechischer Rundfunk

Ein weiteres Problem sieht Radek Špicar. Laut dem stellvertretenden Präsidenten des Verbandes für Industrie und Verkehr dauert es oftmals sehr lange, bis die Arbeitskräfte in Tschechien anfangen können, ihrer Tätigkeit nachzugehen…

„Zuletzt haben wir von einem Fall gehört, in dem ein tschechisches Unternehmen, das europaweit agiert, dringend einen Spitzenfachmann aus Indien brauchte. Er hatte auch Angebote aus anderen Ländern in Westeuropa. Nach Deutschland hätte er gemeinsam mit seiner Familie in zwei bis drei Monaten umziehen können. Die tschechische Firma hingegen musste über neun Monate warten, ehe der Experte anfangen konnte, hierzulande zu arbeiten.“

Ähnliche Fälle kennt auch Andrea Krchová. Ihr zufolge müssen nicht nur die Quoten angehoben, sondern auch die Bedingungen zur Aufnahme von Arbeitskräften erleichtert werden. Denn das aktuelle System verleite oftmals zu illegaler Schwarzarbeit, so die Expertin.

Autoren: Ferdinand Hauser , Adéla Paruchová
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