Auch Autos können Kulturdenkmäler werden
Die Liste der so genannten nationalen Kulturdenkmäler wird mit dem neuen Jahr um neue Posten erweitert. In diese Kategorie des tschechischen Kulturerbes wurden dieser Tage weitere Objekte nominiert. Diesmal geht es u.a. um alte Handschriften, archäologische Funde, Barockgemälde und, man höre und staune, fünf Autos der Marke Tatra aus der Werkstatt des gleichnamigen Autoherstellers mit Sitz im mährischen Koprivnice. Über einen von ihnen, und zwar über den Tatra 87, erzählt Ihnen mehr Jitka Mladkova:
Grammatikalisch ist es auf Deutsch natürlich richtig, wenn man "der Tatra" sagt, im Tschechischen heißt es aber "die Tatra", oder auch "Tatricka" genannt. Dieses liebevolle Deminutivum hat Miroslav Zikmund in seinem Vokabular und er muss wissen, warum. Er und sein bereits verstorbener Freund Jiri Hanzelka bildeten ein weltbekanntes Globetrotter - Tandem. Mit der, Verzeihung, mit dem Tatra 87, der nun zum tschechischen Kulturerbe gehören wird, bereisten sie in den Jahren 1947 - 1950 Afrika und Lateinamerika. Der Wagen wurde schon einmal zum begehrten Exponat im Technischen Nationalmuseum in Prag. Eine Zeitlang ist das Prachtstück von dort allerdings verschwunden. Warum, das fragte ich Miroslav Zikmund bereits vor zwei Jahren im südmährischen Zlin, wo er lebt:
"Das, wie Sie sagen, wertvolle Prachtstück, also der Tatra 87, mit dem wir Afrika und Lateinamerika durchkreuzt haben, musste in der Zeit des totalitären Regimes hierzulande dafür büssen, dass sie uns beide Globetrotter gefahren hatte. Wir sind ja bekanntlich nach 1968 in Ungnade geraten, nachdem wir die so genannte internationalistische Bruderhilfe als Okkupation bezeichneten. Unsere Tatricka musste dann aus dem Museum raus und landete in einem Depositar, da sie, wie es hieß, im Technischen Nationalmuseum nichts zu suchen hatte."
Kurz nach dem Wendejahr 1989 wurde der Tatra mit großer Parade wieder im Museum platziert. Ab und zu wird der historische Wagen auch als Ausstellungsexponat vorgestellt. Zuletzt im Rahmen der umfassenden Ausstellung "Zehn Jahrhunderte Architektur", die vor etwa vier Jahren auf der Prager Burg stattfand. Darauf ist Miroslav Zikmund bis heute stolz:"Ich war so gerührt, ich hätte fast weinen können, als ich das Auto im Treppenhaus der Prager Burg sah, in der Nähe des Spanischen Saals! Ich dachte mir, na siehst du, meine liebe Tatricka, so einen ehrwürdigen Platz hat man für dich gefunden. Einen Platz, der mir nie hätte einfallen können. Das war also unser Tatra 87!"
Der Wagen war noch eine ganze Zeitlang funktionsfähig und verkehrte ein paar Jahre in Zlin, wo die beiden Weltreisenden und Freunde auch als Nachbarn lebten. Als sie im Herbst 1950 von ihrer ersten Weltreise zurückgekehrt waren, wurde der Wagen zunächst in Koprivnice einer gründlichen Untersuchung unterzogen, indem man ihn buchstäblich bis zur letzten Schraube demontierte. Die Mitarbeiter der Labors führten zahlreiche Messungen durch und untersuchten die einzelnen Autoteile auf Abnutzungserscheinungen. Zu diesem Zeitpunkt glaubte man in der Firma, die Tatrawagen noch exportieren zu können. Nach der wiederholten Montage hat sie Hanzelka und Zikmund ihre Lieblingskarosse geschenkt. 1958 ging der Tatra 87, der dieser Tage zum nationalen Kulturerbe erklärt wurde, an das Prager Technische Museum. Ein Jahre später brachen Hanzelka und Zikmund zu ihrer zweiten Weltreise an, diesmal nach Asien.