Auf den Spuren des Terrors: Lehrpfad führt durch die „Hölle von Jáchymov“

Uranbergbau in Jáchymov

Jáchymov ist eine historische Bergstadt und wurde vor allem durch die Silberförderung bekannt. Auch als Kurbad hat der Ort sich einen Namen gemacht. Im 20. Jahrhundert wurde aber ein düsteres Kapitel der Geschichte in der Erzgebirgsstadt geschrieben: In den nahe gelegenen Minen wurde Uran gefördert, wobei mehrere Tausend politische Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten. Daran erinnert der Lehrpfad „Die Hölle von Jáchymov“.

Tomáš Bouška | Foto: Političtí vězni.cz

Die Stadt Jáchymov / Sankt Joachimsthal blickt auf eine lange Geschichte zurück. Aus dieser wurde nun der Zeitraum des zweiten Drittels des 20. Jahrhunderts herausgenommen, als dieser Ort zum Symbol totalitärer Herrschaft wurde. Tomáš Bouška vom Verein Političtívězni.cz erzählt:

„Der Lehrpfad ‚Die Hölle von Jáchymov‘ führt oberhalb von Joachimsthal entlang. Wie der Name sagt, macht er vor allem mit den dunklen Seiten der Stadtgeschichte bekannt. Diese hängt vor allem mit der Uranförderung zusammen.“

Foto: Jana Strejčková,  Tschechischer Rundfunk

Uranförderung

Foto: Jana Strejčková,  Tschechischer Rundfunk

Der ursprüngliche Lehrpfad entstand 2001 aufgrund einer Initiative des heute nicht mehr existierenden Bergmannvereins Barbora. Doch die Witterung und Verwüstungen durch menschliche Hand haben die Trasse mit der Zeit nicht mehr begehbar gemacht. Deshalb startete der Verein Političtívězni.cz (Politische Gefangene.cz) ein Projekt zur Erneuerung. Am 27. Juni 2015, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des kommunistischen Regimes, wurde der Pfad wiedereröffnet.

Der Themenweg in der Umgebung von Jáchymov ist gelb markiert. Die Trasse führt zu Orten, an denen sich in den 1940er und 1950er Jahren Lager für unfreie Arbeitskräfte befanden. In diesen wurde Uran zunächst für das deutsche nationalsozialistische und dann für das sowjetische Atomprogramm gefördert. Auf zwölf Informationstafeln wird das Schicksal der Häftlinge und Zwangsarbeiter in der berühmt-berüchtigten „Joachimsthaler Hölle“ geschildert.

Foto: Jana Strejčková,  Tschechischer Rundfunk

Der ehemalige Schacht Rovnost (Gleichheit, bis 1945 Werner-Schacht) befindet sich östlich der Stadt. Das Lager Rovnost war eines der größten und wurde bekannt wegen der extrem harten Behandlung politischer Gefangener. 1960 wurde das Lager aufgelöst und dem Erdboden gleichgemacht. Das Grubenfeld am Schacht Rovnost wurde ebenfalls abgerissen. Heute befindet sich hier eine Siedlung mit einigen Dutzend Ferien- beziehungsweise Wochenendhäusern. Tomáš Bouška macht dort Halt:

„Die Mine und das ehemalige Straf- und Arbeitslager Rovnost liegen am Orte der tiefsten früheren Silbergrube. Sie reichte bis zu 707 Meter in den Boden. Hier wurde in den 1950er Jahren das größte Straf- und Arbeitslager errichtet. Daran erinnert heute eine der Lehrtafeln. Außerdem befinden sich hier die sogenannte Paleček-Burg und auch die Ruinen des früheren Umkleidegebäudes. Wir bemühen uns, diese zu retten.“

Foto: Jana Strejčková,  Tschechischer Rundfunk

Rettung des „Kettenhauses“

Foto: Jana Strejčková,  Tschechischer Rundfunk

Das Gebäude, in dem sich die Häftlinge umzogen und ihre Arbeitskleidung an Ketten hochgezogen aufbewahrten, wurde 1956 fertiggestellt. Der Verein Politictivezni.cz hat das verfallene Gebäude ohne Dach im Herbst vergangenen Jahres gekauft und will dort ein Gemeinde- und Bildungszentrum aufbauen. In diesem sogenannten Kettenhaus (řetízkarna) sollen Kulturveranstaltungen für Schulen und die breite Öffentlichkeit stattfinden. Die Kosten für die Instandsetzung werden auf bis zu zehn Millionen (420.000 Euro) geschätzt. Tomáš Bouška:

„Wir wollen Fördermittel beantragen und uns um Spenden von Einzelpersonen und Unternehmen bemühen. Wir hoffen, dass so etwas wie eine Gemeinschaft entsteht, die unsere Ziele für sinnvoll hält. Wir möchten den Saal künftig vermieten und mit den Erlösen den Betrieb des Kettenhauses finanzieren.“

Foto: Jana Strejčková,  Tschechischer Rundfunk

Mit der Sanierung will man im Frühling beginnen und das Zentrum vielleicht schon in diesem Jahr eröffnen. In der ersten geplanten Ausstellung soll die Geschichte der Uranmine Rovnost vorgestellt werden. Unser Begleiter macht des Weiteren auf die bereits erwähnte Paleček-Burg aufmerksam:

„Die Paleček-Burg ist das Modell einer mittelalterlichen Burg. Ihre Entstehungsgeschichte ist wenig bekannt. Unter den politischen Häftlingen wird überliefert, dass sie zum Vergnügen des Lagerkommandanten Paleček gebaut wurde. Dies lässt sich allerding nicht mit Sicherheit behaupten. Die Anlage ist etwa zwei Meter breit und lang und ziemlich unauffällig. Sie befindet sich zwischen dem ehemaligen Lager und der Mine Rovnost und ist über den Lehrpfad zu erreichen.“

65.000 Häftlinge und Zwangsarbeiter

Foto: Jana Strejčková,  Tschechischer Rundfunk

Nach etwa anderthalb Kilometern kommt man zur ehemaligen Mine Eliáš. Seit 1992 steht dort ein großes Holzkreuz:

„Am Ort der ehemaligen Grube Eliáš befindet sich heute eines der lebendigsten Monumente des Lehrpfads, das Gedenkkreuz der Pfadfinder. Die Pfadfinder vom Zentrum Arnika Jáchymov veranstalten hier jeden September einen Gedenkakt, bei dem an Pfadfinder erinnert wird, die hier vom kommunistischen Regime gefangen gehalten wurden. Sowohl Zeitzeugen als auch junge Pfadfinder nehmen an der Veranstaltung teil, so dass die Erinnerung lebendig bleibt.“

Foto: Jana Strejčková,  Tschechischer Rundfunk

Zwischen 1949 und 1953 wurden in der Gegend am Fuße des Erzgebirges 18 Gefangenenlager aufgebaut. Bis 1961 mussten dort etwa 65.000 Häftlinge unter Tage arbeiten. Rund 4500 von ihnen starben an gesundheitlichen Problemen in Folge der brutalen Arbeitsbedingungen oder wurden beim Fluchtversuch erschossen. In knapp 15 Jahren baute man dort fast acht Tonnen Uran ab und grub über 1100 Kilometer Stollen in den Berg. Der Lehrpfad „Die Hölle von Jáchymov“ sei für alle Interessenten und Altersgruppen geeignet, betont Tomáš Bouška:

„Man kann ihn mit dem Auto, aber auch mit dem Fahrrad erreichen, im Winter auf Ski oder mit Schneeschuhen. Und natürlich auch zu Fuß. Die Informationstafeln sind so konzipiert, dass sie sowohl für Familien mit Kindern als auch für Zeitzeugen interessant sind. Aber sei wenden sich auch an Wanderer und Spaziergänger, die zufällig vorbeikommen und mehr über die örtliche Geschichte, aber auch die Natur in der Gegend erfahren wollen.“

Foto: Jana Strejčková,  Tschechischer Rundfunk
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Autoren: Markéta Kachlíková , Jana Strejčková
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