Wie Joachimsthal der Welt den Taler gab

Joachimsthaler

So hundertprozentig weiß vielleicht nicht jeder, was der Gattungsbegriff „Taler“ bedeutet. Gemeint ist damit eine große Silbermünze aus dem europäischen Raum. Seinen Ausgangspunkt hat die Bezeichnung, von der sich auch der Dollar ableitet, im böhmischen Erzgebirge. Konkret in Jáchymov, damals Joachimsthal. Dort wurde vor 500 Jahren die erste Münze geprägt, die als „Thaler“ bekannt wurde.

Joachimsthaler

Jan Nedvěd  (Foto: Archiv des Museums Karlovy Vary
Dass in Jáchymov früher Bergbau betrieben wurde, ist zumindest am „Roten Turm des Todes“ noch zu erkennen. Er verweist auf die Uranerz-Minen, in denen zu kommunistischen Zeiten politische Gefangene leiden mussten.

Ihren großen Boom erlebt die Region aber zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Und zwar wegen des Silberbergbaus im damaligen Joachimsthal. Diesen betreiben die Grafen Schlick aus dem nahen Eger (heute Cheb). In diesem Zusammenhang entsteht der spätere Taler. Jan Nedvěd ist Historiker am Museum in Karlovy Vary / Karlsbad:

„Der ‚Joachimsthaler‘ wurde erstmals 1518 oder 1519 probeweise geprägt. Dies geschah auf der Burg Freudenstein, die das Adelsgeschlecht Schlick zu dieser Zeit oberhalb der Stadt bauen ließ. Die Grafen hatten sich lange darum bemüht, eine Münzprägestätte betreiben zu dürfen. Denn sie brauchten Geld, um einen Kredit von den Banken in Nürnberg abzahlen zu können. Das Kapital hatten sie geliehen, um in Joachimsthal ein Silber-Bergwerk aufzubauen. Da es aber verboten war, das Silber der Flöze aus dem Königreich Böhmen auszuführen, mussten sie Münzen prägen. Nur so konnten sie die Kreditraten begleichen.“

Ehemalige Münzprägeanstalt in Jáchymov  (rechts). Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prague International
Die Schlicks nutzen alles diplomatische Geschick, um eine eigene Münze prägen zu dürfen. Letztlich haben sie Erfolg. Allerdings ist es nicht Jagiellonen-König Ludwig II. von Böhmen, Ungarn und Kroatien, der sie erhört.

„Die Zustimmung erhielten sie vom Böhmischen Landtag, in dem die Vertreter des böhmischen und mährischen Adels zusammenkamen. Das geschah am 9. Januar 1520“, so Geschichtswissenschaftler Nedvěd.

Silbermünzen für Kreditraten

Joachimsthal, oder besser: St. Joachimsthal selbst ist dabei damals eine Neugründung. Dazu der Historiker:

Ausstellung in der ehemaligen Münzprägeanstalt in Jáchymov  (Foto: Lubor Ferenc,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)
„Zunächst gab es seit dem 15. Jahrhundert dort nur ein Dorf mit dem Namen Conradsgrün. Die damaligen Bergbau-Experten ahnten jedoch, dass sie in der Gegend auf Silberflöze stoßen würden. Das bestätigte sich um das Jahr 1512 gerade in der Umgebung von Conradsgrün. So entstand 1516 dann die Siedlung St. Joachimsthal.“

Mit dem Münzprivileg wird Joachimsthal zur freien Bergstadt erhoben. Der Name ist im Folgenden dann entscheidend für den Gattungsbegriff „Taler“. Denn im sächsischen Teil des Erzgebirges werden die jeweiligen Münzen nach dem Ort benannt, an dem sie geprägt werden. Es sind sogenannte Guldengroschen, die dann zum Beispiel „Schneeberger“ heißen.

„Die Münze erhielt also den Namen ‚St. Joachimsthaler‘. Daraus wurde im Alltag mit der Zeit der kürzere Begriff ‚Thaler‘. Weil die Grafen Schlick so viele Guldengroschen auf den mitteleuropäischen, vor allem aber den deutschen Markt pumpten, entstand allgemein der Name ‚Taler‘“, sagt Jan Nedvěd.

Gängiges Zahlungsmittel werden diese Münze damals allerdings nicht – zumindest nicht für den Mann und die Frau auf der Straße:

„Der Taler diente nicht für den normalen Kauf. Auch die Bergleute in Joachimsthal etwa erhielten keine dieser neuen Münzen, denn ihr Wert lag viel zu hoch. Die Taler wurden vielmehr an den Finanzmärkten eingesetzt oder im Fernhandel. Die Grafen Schlick mussten in Deutschland sogar Groschen ankaufen, um die Bergleute ausbezahlen zu können.“

Silberbergbau in Jáchymov  (Quelle: Deutsche Fotothek)
Auch vom Aussehen her unterscheiden sich beide Zahlungsmittel. Die Groschen sind eher dünne Plättchen, wohingegen der Taler ein gewisses Volumen hat und wie eine heutige Münze wirkt. Und er weist eine Besonderheit auf, die Jan Nedvěd erläutert:

„Die Schlicks erhielten ein Privileg, das in der Frühen Neuzeit sehr ungewöhnlich war. Und zwar durften sie ihr Wappen auf die Münze prägen. Dieses befand sich unter dem Abbild des heiligen Joachims an dessen Füßen oder Fersen. Normalerweise waren dort die Wappen der Herrschergeschlechter zu sehen oder das Landeswappen.“

Zweitgrößte Stadt in Böhmen

In jedem Fall bringt der Silberbergbau sehr schnell großen Wohlstand. Die Schlicks steigen auf zu einer der reichsten Familien in Böhmen. Und Joachimsthal boomt. 1523 leben dort schon 9000 Menschen, zehn Jahre später sogar doppelt so viele. Damit ist es damals die zweitgrößte Stadt des Landes nach Prag.

Das aber weckt Begehrlichkeiten. Und sehr schnell wendet sich das Blatt…

Stefan Schlick  (Quelle: Public Domain)
„1526 starb König Ludwig II. in der Schlacht bei Mohács gegen die osmanischen Truppen. Zusammen mit ihm fiel auch Stefan Schlick, der ihm zu Hilfe gekommen war. Danach übernahm Ferdinand I. von Habsburg den Thron. Und er wollte die Joachimsthaler Münzprägeanstalt für sich haben. Er wollte nicht dulden, dass sich ein böhmisches Adelsgeschlecht an etwas bereichert, das eigentlich dem König gehört. Auf seinen Einsatz hin wurde 1528 den Grafen Schlick das Münzrecht wieder entzogen“, schildert der Historiker Nedvěd.

Damit verliert die Familie einen Großteil ihrer Einkünfte. Sie darf nur noch einen symbolischen Anteil aus dem Umsatz des Silberbergbaus für sich nutzen.

Dies treibt die Grafen Schlick in Opposition zum König. Außerdem sind viele Angehörige des Geschlechts schon 1523 zum Protestantismus übergetreten, während die Habsburger katholisch bleiben.

„Die Schlicks gehörten zu jenen, die 1547 in den Schmalkaldischen Krieg gegen Ferdinand I. zogen. Der Waffengang endete aber mit einer Niederlage für die Protestanten. Danach verlor das Adelsgeschlecht auch das Bergbaurecht in Joachimsthal.“

US-amerikanischer „Dollar“  (Foto: Public Domain)
Der Taler jedoch überlebt diese aufgewühlten Zeiten aus der tschechischen und mitteleuropäischen Geschichte. In den weiteren Jahrhunderten bürgert sich der Begriff ein, und zwar als Ausdruck für eine große Silbermünze. Im spanischsprachigen Raum entsteht daraus das Wort „Dolaros“, das später dann unter anderem zum US-amerikanischen „Dollar“ wird.

Die Original-Münzen aus Joachimsthal sind heute allerdings begehrte Sammlerstücke mit beträchtlichem Wert, wie Historiker Nedvěd zu berichten weiß. Laut den Katalogen muss man schon 30.000 Kronen (1200 Euro) hinblättern, um einen solchen „Thaler“ zu erwerben:

„Original-Taler sind eher rar. Denn nicht selten wurden die Münzen aus Joachimsthal auf dem deutschen Markt umgeprägt und dort mit den Zeichen der jeweiligen Landesherren versehen. Deswegen gibt es nur wenige ursprüngliche Münzen.“


Mit dem protestantischen Teil der Familie Schlick ging es im Übrigen noch weiter bergab. Graf Joachim Andreas gehörte zu den Vertretern der böhmischen Stände, die sich 1620 in der Schlacht am Weißen Berg gegen die Habsburger erhoben. Nach der Niederlage wurde er als erster der aufständischen Anführer hingerichtet.