Auf den Spuren von Matthias Bernhard Braun in Prag
Er gilt als einer der bedeutendsten Bildhauer der Barockzeit: Matthias Bernhard Braun. Am 24. Februar dieses Jahres sind 330 Jahre seit seiner Geburt vergangen. Sein größter Mäzen war Franz Anton Graf von Sporck, für den Braun zahlreiche Skulpturen schuf, vor allem für das Schloss Kuks in Ostböhmen. Brauns Werke findet man jedoch auch an einigen Orten Prags. Mehr darüber erfahren Sie im folgenden Spaziergang durch Prag. Über Matthias Bernhard Braun sprach Radio Prag mit dem Kunsthistoriker Martin Krummholz.
Herr Krummholz, weiß man, wo Matthias Bernhard Braun sein Handwerk oder seine Kunst gelernt hat?
„Darüber wissen wir bis heute fast nichts. Er hat in der Werkstatt des Stiftes Stams begonnen. Dort hat er seine ersten Lehrjahre verbracht und seine ersten Erfahrungen gesammelt. Es herrscht auch Konsens, dass er einige Jahre in Salzburg oder im Salzburger Umland verbracht haben muss. Damals, Ende des 17. Jahrhunderts, kam es in Salzburg zu einer vielfältigen Bautätigkeit. In jener Zeit war Graf von Thun der Erzbischof in Salzburg. Er vermittelte auch Kontakte und Verbindungen zwischen Salzburg und Böhmen.“
Weiß man, aus welchen Gründen Braun aus Salzburg nach Böhmen übersiedelte?
„Das ist eine wichtige Frage. Es gibt mehrere Erklärungen: Wahrscheinlich spielte das Zisterzienserstift Stams dabei eine Rolle. Der junge Braun wirkte in der Werkstatt von Andreas Thamasch in Stams. Es folgte dann der erste nachgewiesene Auftrag in Böhmen, die heilige Luitgard. Sie wurde von den Zisterziensern aus dem Stift Plasy / Plaß bestellt. Wahrscheinlich spielten also die Zisterzienser eine bedeutende Rolle für seinen Umzug. Natürlich hätte aber auch die Familie Thun Braun beeinflusst haben. Damals, eben in dieser Zeit, kam auch Ottavio Mosto aus Salzburg nach Prag. Das war ein ziemlich bedeutender Bildhauer, der in Salzburg für Erzbischof Thun und für die Familie Thun tätig war und später nach Prag übersiedelte. Stilistisch gibt es auch gewisse Zusammenhänge zwischen der Kunst Brauns und jener von Mosto.“
Wann ist er denn nach Böhmen gekommen?„Brauns Aufenthalt in Prag ist für das Jahr 1710 belegt. Das ist das Jahr, in dem er die heilige Luitgard für die Karlsbrücke schuf. Aber über die Zeit vor 1710 wissen wir nichts. Höchstwahrscheinlich muss er schon früher hier gewesen sein, weil die heilige Luitgard ein wichtiger Auftrag war. Ein völlig unbekannter Künstler hätte einen solch bedeutenden Auftrag niemals bekommen. Höchstwahrscheinlich war Braun ein paar Jahre vor 1710 irgendwo in Böhmen tätig, möglicherweise im Auftrag des Stifts Plasy / Plaß. Wichtig ist, dass die Statue der heiligen Luitgard so erfolgreich gewesen war, dass Braun und seine Werkstatt nach 1711 viele neue Aufträge bekamen. 1711 wurde ihm auch das böhmische Bürgerrecht verliehen. Er musste daher schon bekannt sein. 1711 erschuf er die zweite Statue für die Karlsbrücke, den heiligen Iwo, und danach mehrere umfangreiche Aufträge.“
Wodurch unterscheiden sich seine Werke von denen der anderen bekannten Barockbildhauer, etwa von Brokoff?„Das ist eine sehr interessante Frage, denn in dem Unterschied lag der Grund für seinen raschen Erfolg. Für Braun waren die Eigenschaften und Qualitäten des Hořicer / Horschitzer Sandsteins sehr wichtig. Dank der Qualität des böhmischen Sandsteins konnte Braun seinen Stil entwickeln, der ziemlich expressiv und in die Tiefe gearbeitet war. Er unterstrich die Stärke der Figuren, aber auch die Tiefe der Expressivität. Das bezieht sich sowohl auf die Gesichter als auch auf die Gesten der Figuren.“
Und wie ist es mit der Bekleidung der Statuen?
„Die Draperie ist sehr dynamisch konzipiert. Das war dank der Qualität des böhmischen Sandsteins möglich. Das sind also zwei Aspekte, die sich hier trafen: Der sehr expressive Stil Brauns und die optische und mechanische Qualität des böhmischen Sandsteins.“
Können auch Laien erkennen, dass es sich um eine Braun-Skulptur handelt?„Theoretisch ja, aber es ist recht individuell. Sein Stil liegt zum Beispiel jenem von Rubens in der Malerei nahe. Er zeichnet sich durch die bereits genannte Stärke und Expressivität aus.“
Wenn wir in Prag auf den Spuren von Matthias Bernhard Braun spazieren möchten, wohin würde es von der Karlsbrücke weiter gehen?
„Die wichtigsten Orte in Prag liegen ziemlich nah bei aneinander. Von der Karlsbrücke ist es ganz nah zur Sankt Clemenskirche. Braun und seine Werkstatt haben dort schon seit 1715 mehr als 200 Skulpturen für Innenräume realisiert. Im Inneren der Clemenskirche stammt fast die gesamte Ausstattung aus Brauns Werkstatt, und zwar nicht nur die Altäre, sondern auch zum Beispiel die Skulpturen der Beichtstühle. Besonders beeindruckend sind je vier Figuren der Evangelisten und der Kirchenväter. Ein paar Schritte von Sankt Clemens entfernt, befindet sich das Palais Clam-Gallas. Zu Brauns Zeiten hies es Palais Gallas, wo Braun mit seiner Werkstatt auch arbeitete. Seit 1714 schuf er für das Palais umfangreiche Außendekorationen. Die Skulpturen Brauns schmücken nicht nur die Fassade, sondern auch im ersten Hof des Palastes findet man eine tolle Figur des Triton und die Figuren der Putten und die Vasen im Treppenhaus sind ebenfalls aus der Werkstatt von Braun. Aber was heute an der Fassade noch zu sehen ist, ist leider nur ein Torso. Der böhmische Sandstein lässt sich ganz einfach modellieren, er ist sehr weich, aber er reagiert auch ganz sensibel auf klimatische Bedingungen. Neben dem Palais Gallas an der Stelle des heutigen Marienplatzes befand sich früher eine Marienkirche. Für diese Kirche schuf Braun in eine Statue des Judas Thaddäus, die sich heute in der Nationalgalerie befindet. Diese drei Aufträge, die Clemenskirche, das Palais Gallas und die Karlsbrücke gehören in Prag zu den wichtigsten Spuren Brauns.“
Gibt es noch einen anderen Ort in Prag, wo man Werke von Matthias Bernhard Braun finden kann?„Die genannten Skulpturen kann man zum Beispiel mit den Statuen in Kuks vergleichen. Später schuf Braun aber auch mehrere Statuen für die Gärten einiger Paläste und Schlösser in ganz Böhmen. Der wahrscheinlich am schönsten von Braun dekorierte Garten ist der Vrtba-Garten auf der Prager Kleinseite. Dort gibt es mehrere allegorische Figuren griechischer Götter sowie verschiedene typische Gartenmotive wie Putten und Vasen.“