Aus Venedig nach Prag: Zrzavýs unbekannte Werke
Er gilt als eine führende Persönlichkeit der tschechischen modernen Kunst: Der Maler, Graphiker und Illustrator Jan Zrzavý. Einer ausgeprägten Kunstrichtung kann er aber nicht eindeutig zugeordnet werden. Sein Schaffen wurde zunächst durch den Symbolismus, die Dekadenz und den Jugendstil beeinflusst und seine Werke stechen durch ihre spirituelle Wirkung hervor. Vor kurzem wurde im Prager Loreto eine Ausstellung aus dem Spätwerk des Malers eröffnet. Es handelt sich um Bilder, die hierzulande noch nie zu sehen waren.
„Auch wenn der Titel der Ausstellung ´Venezianische Kleinigkeiten´ heißt, sind es doch Werke von hervorragendem Niveau. Es ist üblich, bei einer derartigen Kunstschau eine Etappe aus dem Schaffen des Künstlers zu präsentieren oder den Blick in die Werkstatt eines Künstlers zu erlauben. Hier sind Werke zu sehen, die der Maler während seiner Aufenthalte in Venedig schuf. Er reiste schon in den 1920er Jahren nach Venedig: 1923, 1925 und 1929. Ich habe Zrzavý im Kloster ‚Il Redentore’ in Venedig getroffen. Er erzählte mir damals, dass er dort spirituelle Energie schöpfe und das, was er dort male, wie ein Gebet sei. Zrzavý sagte, dass er wieder das Thema der Jungfrau Maria aufgreife und dass er bei seiner Arbeit bete. Der namhafte italienische moderne Künstler Giorgio de Chirico hat einmal über Zrzavýs Werk gesagt, dass es der Weltkunst neue spirituelle Impulse gebracht habe.“
Initiiert wurde die Ausstellung im Loreto von der Jan-Zrzavý-Gesellschaft, die ihren Sitz in Krucemburk in der Region Vysočina / Böhmische-Mährische Höhe hat. In Krucemburk liegt Zrzavý begraben. Jitka Měřínská leitet die Zrzavý-Gesellschaft und versucht, die Öffentlichkeit auch über weniger bekannte Tatsachen aus Leben und Werk des Malers zu informieren. Bei den Vorbereitungen zu einer Ausstellung von Zrzavýs Buchillustrationen war Měřínská vor einigen Jahren im Prager Nationalmuseum auf die Korrespondenz des Künstlers gestoßen. Darin waren mehrere Briefe von Geistlichen aus Italien enthalten. Sie habe gewusst, dass der Maler in den 1960er und 1970er Jahren nach Venedig gereist sei und dort immer im Kapuzinerkloster Il Redentore auf der Insel Giudecca gewohnt habe.„Während des totalitären Regimes hat man darüber nicht gesprochen, und es wurden keine Details veröffentlicht. Als ich diese Korrespondenz in die Hände bekam, hat es mich gereizt, mehr über diese Venediger Besuche herauszubekommen. Ich wusste, dass Jan Zrzavý ein tief gläubiger Mensch war. Wenn er in Prag war, ist er immer zu den Gottesdiensten der Kapuziner auf dem Loreto-Platz gegangen. Mit Hilfe von italienischen Kunsthistorikern habe ich Kontakte zu den Kapuzinern in Venedig geknüpft. Und als ich vor drei Jahren das dortige Kloster besucht habe, lebte dort längst kein Ordensbruder mehr, der sich an die Besuche von Jan Zrzavý direkt erinnern konnte.“ Die Vertreter der Zrzavý-Gesellschaft sind in Venedig jedoch einem Kapuziner begegnet, der als Student von seinen Theologie-Professoren viel über Maler Zrzavý erfahren hatte. Er erinnerte sich zudem an einige Ausstellungen, die der Maler dort hatte. Mehr habe sie dann aus der Chronik des Klosters erfahren, erzählt Jitka Měřínská:„Dort stand, dass der Künstler ein großer Freund der Venediger Kapuziner war. Zudem hat Zrzavý einem der Ordensbrüder geholfen, als dieser in Prag über den heiligen Laurentius von Brindisi geforscht hat. Der Maler konnte sehr gut italienisch und hat für den Forscher in Prag gedolmetscht und ihn bei seinen Besuchen in den Bibliotheken begleitet. Der Maler interessierte sich selbst auch für die Persönlichkeit von Laurentius von Brindisi. Denn dieser ist 1599 mit weiteren Ordensbrüdern nach Prag gekommen, um das erste Kapuzinerkloster in Böhmen zu errichten. Und das war jenes Kloster auf dem heutigen Loreto-Platz, das Zrzavý so oft gemalt hat.“
Nach dem Blättern in der Klosterchronik zeigten die venezianischen Kapuziner den Besuchern aus Tschechien 25 Bilder, die Zrzavý einst dem Kloster geschenkt hatte. Es handelte sich hauptsächlich um Pastelle mit Motiven aus Venedig oder vom Prager Loreto-Platz sowie um Zeichnungen mit spirituellen Motiven.„Als wir die Ordensbrüder fragten, ob sie diese Werke schon jemandem gezeigt haben, verneinten sie dies. Wir waren von diesen Bildern wirklich bezaubert. Einer der italienischen Kunsthistoriker, die uns begleiteten, initiierte danach eine Ausstellung dieser Gemälde im Dommuseum in Oderzo in der Nähe von Venedig. Ich habe mir sehr gewünscht, die Bilder auch im Prager Loreto auszustellen. Denn das Prager Kapuzinerkloster sowie das Kloster auf der Insel Giudecca bei Venedig sind eng miteinander verbunden – nicht nur durch die Persönlichkeit von Laurentius von Brindisi, sondern auch durch Jan Zrzavý und seine Kunst.“
Die Kapuziner aus Venedig stimmten der Idee zu, die Sammlung von Zrzavýs Werken in Prag zu zeigen. Bestandteil der Ausstellung sind auch Fotos und Dokumente aus Archiven in Venedig und in Prag.Aus dem Archiv des Tschechischen Rundfunks stammt ein Gespräch mit Jan Zrzavý aus dem Jahr 1963. Der damals 73-jährige Maler erzählt unter anderem von seiner Lieblingsstadt Venedig, die er 1962 besuchte.
„Als ich nach einer langen Zeit nach Venedig kam, hat mich die Atmosphäre am Ufer, in der Lagune gegenüber der Kirche San Giorgio Maggiore am meisten beeindruckt. Im Herbst ist es dort wunderschön – leichter Nebel, die Sonne scheint durch, alles glitzert. Und wenn der Sonnenuntergang kommt, ist die Atmosphäre einmalig: Farbe, Luft, Raum. Das ist meine Stadt. Schwer zu sagen, warum.“
Die Ausstellung „Jan Zrzavý – venezianische Kleinigkeiten“ ist im Prager Loreto bis zum 30. September dieses Jahres zu sehen. Anlässlich der Ausstellung wurde ein kleiner Bildband herausgegeben, in dem auch ein deutsches Resümee nicht fehlt.