Außenminister Zaorálek: Tschechen sind nicht weniger bedroht als andere

Lubomír Zaorálek (Foto: ČTK)

Die internationale Sicherheitslage ist gegenwärtig komplizierter denn je. An vielen oftmals stark frequentierten Orten in der Welt werden Terroranschläge verübt. Und selbst in Anrainerstaaten von Krisengebieten ist es gefährlich. Das belegt ein neuer Fall aus dem Libanon. Dort werden seit vergangenem Freitag fünf Tschechen vermisst, nach denen derzeit fieberhaft gesucht wird. Am Dienstagvormittag hat in dieser Sache der Krisenstab des Staates in Prag getagt.

Lubomír Zaorálek  (Foto: ČTK)
Die Sitzung des Krisenstabs im Auswärtigen Amt dauerte länger als erwartet. Zirka eine Viertelstunde nach 11 Uhr trat Außenminister Lubomír Zaorálek vor die Mikrofone:

„In diesem Moment kann ich Ihnen zum Fall der fünf vermissten Tschechen nur Folgendes sagen: Wir wurden von niemandem kontaktiert, und wir haben auch keine Information über den derzeitigen Aufenthaltsort der Vermissten. Wir wissen aber, dass im Libanon eine Fahndungsaktion nach ihnen läuft, über die wir ständig informiert werden von unseren Partnern im Libanon.“

Bekaa-Tal  (Foto: Nassif.seif,  Public Domain)
Diese Partner sind offenbar die libanesische Regierung und der Geheimdienst des Nahost-Landes, der mit dem tschechischen Geheimdienst in engem Kontakt steht. Man könne auch nicht ausschließen, dass die Vermissten womöglich schon nicht mehr im Libanon seien, ergänzte Zaorálek.

Weitere Angaben zur Identität der fünf Tschechen, zum Grund ihrer Libanon-Reise oder zu anderen Zusammenhängen werde er nicht machen, da dies die Fahndungsaktion beeinträchtigen und so auch die Sicherheit der Vermissten nur mehr gefährden könne. Damit wollte der Außenminister jeglichen Spekulationen keine neue Nahrung geben, die derweil in den Medien erörtert werden. Demnach handelt es sich bei den fünf Vermissten um zwei Journalisten, einen Anwalt, einen Dolmetscher und einen Geheimdienstmann aus Tschechien. Die mutmaßliche Entführung der Fünf ereignete sich während einer Autofahrt im Bekaa-Tal im Osten des Libanon. Vermisst wird auch der libanesische Fahrer, der das Quintett bis zu ihrem Verschwinden chauffiert hat. Er soll angeblich der Bruder des vor einem Jahr in Prag wegen des Verdachts auf Drogen- und Waffenhandel verhafteten Libanesen Ali Fayad sein, der in der Moldaustadt auf seine Auslieferung in die USA wartet. Libanesische Sicherheitskreise vermuten daher einen Zusammenhang mit dem Prozess gegen Ali Fayad.

Ali Fayad  (Foto: ČTK)
Außenminister Zaorálek betonte indes noch einmal, dass sich der Krisenstab an all den Spekulationen nicht beteiligen werde, sondern ein anderes Motiv zum Handeln habe:

„Es sind fünf tschechische Bürger in Not, und wir suchen einen Weg, wie wir ihnen helfen können. Einen Weg, bei dem wir ihre Sicherheit nicht gefährden.“

In diesem Zusammenhang verwies Zaorálek darauf, dass das Verschwinden der fünf Tschechen längst kein Einzelfall sei, mit dem man sich in Prag, aber auch in Brüssel derzeit befassen müsse:

Paolo Gentiloni  (Foto: Archiv des italienischen Abgeordnetenhauses)
„Ich habe gestern in Brüssel auch mit dem italienischen Außenminister Paolo Gentiloni verhandelt, denn wie Sie vielleicht wissen, sind jüngst in Libyen vier Italiener entführt worden. Ich habe die anderen Kollegen in Brüssel dann auch darüber informiert, dass Tschechien genauso wie Österreich weiterhin einen in Libyen entführten Bürger vermisst.“

All diese Fälle hätten ihm und den anderen Außenministern der EU-Länder erneut vor Augen gehalten, dass sich die Welt um Europa herum verändere, sie gefährlicher geworden sei und sich das Sicherheitsrisiko beträchtlich erhöht habe, bemerkte Zaorálek. Schließlich richtete er noch einige Worte an seine Landsleute und räumte dabei gleich mit einem Mythos auf:

„Ich hatte mitunter den Eindruck, dass in der Tschechischen Republik das Gefühl vorherrscht, wir Tschechen hätten eine sehr sichere Position. Und zwar aus dem Grund, weil niemand in der Welt etwas gegen uns hat; vor dem Hintergrund, dass wir keine belastete Vergangenheit haben, die man uns vorhalten könnte. Das aber halte ich für eine Illusion. Meiner Meinung nach haben auch wir das Glück nicht gepachtet, sondern es zeigt sich, dass auch für unsere Bürger die Lage viel komplizierter und gefährlicher geworden ist. Wir sind also keine Ausnahme.“