BBC World Service stellt tschechische Sendungen ein
Zum 23. Dezember stellt der BBC World Service seine tschechischen Sendungen ein, der Nachrichtenservice bleibt noch bis Ende Januar 2006 erhalten.
Nachrichten der BBC - für viele Radiohörer in Tschechien eine unersetzliche Informationsquelle und Garant für objektive Berichterstattung. Den Tag mit der BBC zu beginnen, bedeutet sich jeden Morgen bewusst zu machen, dass Tschechien nicht der Nabel der Welt ist - so brachte der Journalist Ivan Medek, der in Wien viele Jahre für die "Stimme Amerikas" arbeitete, kürzlich auf den Punkt, was viele Hörer in Tschechien ähnlich empfinden:
"Die BBC bot uns von Anfang an die Gewähr für exakte und objektive Berichterstattung über die Situation in der Welt. Bis heute ist dieser Sender für mich gleichbedeutend mit außergewöhnlicher journalistischer Noblesse, Redlichkeit und Mut. Wir können hier eine klare Meinung hören, die aber ganz ruhig und diskret geäußert wird. Genau dieser Stil wird uns besonders fehlen - und auch das Bewusstsein, dass wir eine gewisse Kontrollinstanz haben, die wir brauchen. Wir haben jetzt zwar ein demokratisches System hier, aber - wie Masaryk sagte - wir haben noch nicht genügend Demokraten."
Bei der Leitung des BBC World Service in London hatte das tschechischsprachige Programm den Ruf einer der erfolgreichsten Auslandssendungen. Etwa eine halbe Million Tschechen, das sind fünf Prozent der Gesamtbevölkerung, schalten nach einer Statistik der Agentur "Market and opinion research international" (MORI) wöchentlich BBC ein - eine durchaus respektable Zuhörerquote. Dass die tschechische Sektion dennoch definitiv geschlossen wird, hängt mit einer generellen Umstrukturierung beim BBC World Service zusammen - der größten in der Geschichte des traditionsreichen Senders. Aus britischer Perspektive sind die Gründe für die Schließung von insgesamt zehn vorwiegend mittel- und osteuropäischen Auslandsdiensten durchaus nachvollziehbar, meint Petr Brod, Leiter des Prager BBC-Studios:
"Länder wie Polen, Ungarn, Tschechien, die Slowakei sind inzwischen Mitglieder der Europäischen Union und der NATO. Und es macht aus britischer Sicht wenig Sinn, in den Sprachen dieser Länder weiter zu senden. Damit folgt Großbritannien eigentlich auch dem Vorbild anderer Großmächte, die ihre Sendungen in diesen Sprachen auch eingestellt haben. Man denke etwa an die "Stimme Amerikas" oder "Radio Freies Europa", das zwar jetzt in Prag residiert, aber nur noch auf den Balkan, den Kaukasus und nach Zentralasien bzw. Länder der ehemaligen Sowjetunion sendet."Aus tschechischer Warte betrachtet hingegen bedeutet die Schließung für viele Radiohörer einen großen Verlust. Durch die eindeutige Unterstützung ihrer Hörer konnte sich die Redaktion ein wenig über ihr bevorstehendes Ende hinwegtrösten. Vit Kolar, Chefredakeur der tschechischen Sektion:
"Als Nigel Chapman, der Direktor des BBC World Service am Montag nach Prag kam, wurde ihm eine Petition übergeben. Innerhalb weniger Tage hatten sich darin über 600 Menschen für die Beibehaltung des tschechischen Programms ausgesprochen. In diesem Sinne waren auch die unzähligen emails verfasst, die bei uns eingingen - unmittelbar nach Bekanntwerden der Schließung im Dreiminutentakt. Viele Hörer, darunter auch Rentner schrieben sogar, dass sie bereit wären, für unsere Sendungen zu zahlen. Das hat uns richtig gerührt."Auch führende tschechische Politiker, wie etwa Außenminister Cyril Svoboda, äußerten ihr Bedauern über das Verschwinden der BBC aus der tschechischen Medienlandschaft. Immerhin gehe mit der Einstellung des tschechischen Programms eine historische Ära zu Ende, erinnert Petr Brod:
"Man darf nicht vergessen, dass der tschechische Dienst der BBC seit 66 Jahren sendet, seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, und zwar ununterbrochen - trotz der Versuche des kommunistischen Regimes in den 50er und 60er Jahren, uns zu stören. Während des Krieges war der tschechische Dienst der BBC quasi die einzige freie Nachrichtenquelle für die Bewohner des von den Nazis besetzten Landes."
Brod selber hat - als Emigrant aus der kommunistischen Tschechoslowakei -1980 bei der BBC in London begonnen:
Abgeschlossen scheint nun auch die Geschichte der BBC im postkommunistischen Tschechien. Noch jedoch gibt Chefredakteur Vit Kolar die Hoffnung nicht auf. Gegenwärtig verhandelt er über Möglichkeiten, vor allem die englischsprachigen BBC-Sendungen in Tschechien aufrechtzuerhalten. Weiter will er bis Ende des Jahres abstecken, ob sich ein Investor oder eine Mediengesellschaft in Tschechien finden lässt, die Interesse daran hätte, sich finanziell an den tschechischen Sendungen des traditionsreichen Nachrichtenkanals zu beteiligen, der hierzulande seines Gleichen sucht.
Der Publizist Vaclav Zak aus dem tschechischen Rundfunk- und Fernsehrat beurteilt die Aussichten für eine Fortsetzung der englischen Sendungen düster. Er vertritt die Auffassung, dass die Sendelizenz für das englische BBC-Programm in dem Moment endet, wo die tschechischen Sendungen eingestellt werden - eine Interpretation des Vertrags mit der BBC, die nach Meinung von Vit Kolar fraglich ist. SO eindeutig sei die Rechtslage nicht, meint Kolar.
Zak ist vor allem an daran gelegen, die tschechischen BBC-Redakteure mit ihren hohen journalistischen Standards in der tschechischen Medienlandschaft zu integrieren:
"Wir können jetzt nur helfen, dass sich der öffentlich-rechtliche Tschechische Rundfunk weise verhält und sich entscheidet, die tschechische BBC-Redaktion möglichst komplett zu übernehmen und in dem neuen Nachrichtenkanal, den er plant, zu beschäftigen. Wenn er das täte, würde die Schließung der tschechischen BBC-Redaktion für die tschechische Öffentlichkeit fast keinen Verlust darstellen."
Ein Szenario, das Vit Kolar für unrealistisch hält. Die BBC sei eine eigene Marke, die sich nicht unter einem anderen Namen verkaufen lasse. Zudem habe der Tschechische Rundfunk die Schließung des BBC-Studios bislang mit keinem Wort kommentiert geschweige denn ein Angebot zur künftigen Zusammenarbeit gemacht. Wie auch immer die Verhandlungen von Vit Kolar in den nächsten Wochen ausfallen mögen - die Redakteure des ca. 40köpfigen tschechischen BBC-Teams sehen sich gegenwärtig mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre Verträge in wenigen Wochen auslaufen und sie damit gezwungen sind, sich nach neuen Arbeitsmöglichkeiten umzusehen.