Begegnungen mit Weihnachten

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Es ist wieder einmal so weit: Das von vielen Menschen, aber besonders von Kindern herbeigesehnte Weihnachtsfest steht ins Haus, genauer gesagt steht direkt vor der Tür. Dies hat Jitka Mladkova zum Anlass genommen und die neue Folge der Sendereihe Begegnungen einem Weihnachtsthema gewidmet. Dafür gleich auch ausnahmsweise der weihnachtlich gestimmte Vorspann:

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Unter dem Begriff "tschechische Weihnachtsbräuche" kann man sich, um es etwas salopp zu sagen, kunterbuntes Allerlei vorstellen, und dieses ist wiederum als das Spiegelbild der heutigen Gesellschaft zu verstehen. Ob sich an dem Sinn des Weihnachtsfestes etwas ändere, fragte dieser Tage die Tageszeitung Lidove noviny den Präsidenten der Tschechischen Christlichen Akademie, Tomas Halik. Für die einen, so Halik in seiner Antwort, bedeute dieses Fest nur noch Konsumorgien, für andere sei es eine Generalprobe zur Saufparty in der Silvesternacht. Dann gebe es auch solche, die intensiv nach Geschenken jagen, um die eigenen Kinder für die mangelnde Nähe und Fürsorge ihrerseits zu entschädigen. Damit hat der angesehene katholische Priester, Soziologe und Theologieprofessor kein erfreuliches Bild einer Gesellschaft in der Adventszeit gezeichnet, in der die Besinnung eher zu kurz kommt. Mag sein, dass die Tschechen zum Inhalt des Advents, der hierzulande allein schon als Wort für lange Zeit aus dem offiziellen Vokabular gestrichen wurde, immer noch einen inneren Weg suchen. Hinter geschlossenen Türen, im privaten Bereich der Familien, wurde allerdings die Weihnachtstradition mit ihren charakteristischen Bräuchen jahrzehntelang gepflegt. Und so gibt es unter uns zum Glück auch solche, die in keine der von Halik definierten Menschenkategorien hineinpassen. Dies trifft zweifelsohne auch für Petr Herynek zu, Autor des kürzlich erschienenen Buches "Tschechische Weihnachten". Hier gleich ein Zitat:

"Jede neue Generation verändert die Welt um sich und die veränderte Welt prägt wiederum eine neue Generation. Der Prozess der Weltgestaltung läuft langsam, unauffällig, durch alltägliche Arbeit. Zur menschlichen Existenz gehören kürzere oder längere Momente der Besinnung - an Festtagen, bei Ritualen oder traditionellen Bräuchen. Die Zeit - der unerbittliche Läufer, Saubermacher und Aussieber lässt vieles in Vergessenheit geraten. Zunächst geht die Grundlage verloren und dann der Brauch selbst und mit ihm gleich all die reizenden Produkte der Volkskunst sowie deren Symbolik und Emotionsgeladenheit, die seit jeher als Belege für die Verbindung zwischen Mensch und Natur stehen. Einige Festlichkeiten hingegen überleben, aber die Zeit und die Menschengenerationen gestalten sie so um, dass man heute oft über ihren ursprünglichen Sinn bzw. ihre ursprüngliche Form nur noch spekulieren kann."

Um nicht spekulieren zu müssen, hat sich Petr Herynek ans Werk gemacht. In seinem Buch Tschechische Weihnachten beschreibt er recht umfassend das mit der Adventszeit verknüpfte nicht selten auch regionalbezogene Brauchtum der Weihnachtszeit. Über sein persönliches Verhältnis zu dem hohen Fest der Christen sagt er:

"Von meiner Jugend an hatte ich eine innige Beziehung zu Weihnachten. In unserer Familie war das immer ein ganz großes Fest. Man musste am Tisch festlich gekleidet sein und sich auch dementsprechend benehmen. Um Mitternacht pflegten wir in die Kirche zu gehen. Es war etwas Einmaliges, das das ganze Jahr über durch nichts übertroffen werden konnte."

Das innere Bedürfnis, von den durch viele Generationen überlieferten Bräuchen so viel wie möglich am Leben zu erhalten bzw. neu ins Gedächtnis zu rufen, hat Herrn Herynek schon vor beinahe 30 Jahren auf den Gedanken gebracht, Weihnachtsausstellungen in Prag zu organisieren. In einer Zeit also, als die politischen Verhältnisse in der kommunistischen Tschechoslowakei so gut wie gar keiner Religion, und erst recht nicht der katholischen, geneigt waren. Deren Symbole öffentlich zu präsentieren galt jahrelang als verboten. Das Christkind etwa wollte man den Menschen mithilfe des in östlichen Gefilden beheimateten Väterchens Frost aus ihren Köpfen verdrängen. Es durften keine Weihnachtslieder gespielt, geschweige denn eine Mitternachtsmesse an Heiligabend zelebriert werden:

"Wenn doch um Mitternacht irgendwo eine Messe stattfand, war die Kirche gerammelt voll mit Menschen, viele passten nicht einmal rein und konnten sich dann wenigstens über das bisschen Musik freuen, die draußen zu hören war. Das war eine seltsame Zeit. Einerseits die Unterdrückung, auf der anderen Seite standen die Leute einander näher. Die erste Weihnachtsausstellung, die wir hier in Prag veranstaltet haben, fand 1976 statt. Seit 1979 waren es aber schon ganz große Ausstellungen im Museum der Hauptstadt Prag, die einen großen Zulauf fanden. Gleich die erste davon haben etwa 35.000 Menschen innerhalb von einigen Wochen besucht. Damals war es verboten, in der Öffentlichkeit Weihnachtslieder zu spielen bzw. zu singen. Wir haben es aber bei den Ausstellungen doch gewagt."

In Heryneks Buch kann der interessierte Leser vieles erfahren, z.B. wie und aus welchem Material der Weihnachtsbaumschmuck gefertigt wurde, wie die Eiweißschneeplätzchen den Weg in die böhmischen Landen fanden. Man findet auch gute Tipps, wie man selbst Weihnachtsschmuck basteln kann: aus Kartoffeln, Haselnüssen, Maisblättern, aus Bast, Fichtenzapfen, Papier, Stroh, Mohnköpfen, Keramik, Pflanzensamen, Walnussschalen, Glasschmuck, Holzspänen und und und. Vieles davon gab es auch bei den erwähnten Ausstellungen zu sehen:

"Unsere Ausstellungen hatten ein Spezifikum: Wir haben uns die Exponate auch selbst ausgedacht. Es war zu dem Zeitpunkt etwas Neues, Ungewöhnliches, und darunter waren auch Dinge, die heutzutage als 'klassisch' gelten. Wir mussten dabei selbst viel lernen. Z.B. wussten wir nicht, wie das so genante Vizovice-Gebäck gemacht wird, das mittlerweile tausend Produzenten findet. Wir lernten, wie Lebkuchen verziert werden, usw. Dabei lernte man viele interessante Menschen kennen, die mit ihren geschickten Händen z.B. eine winzigkleine Krippe in einer Nussschale hervorzaubern konnten. Sollte dies alles in Vergessenheit geraten, wäre es für uns alle ein großer Verlust. Deshalb habe ich nach Menschen gesucht, die uns in dieser Richtung viel zu vermitteln haben, und davon handelt auch das Buch."

Dieses Buch könnte man wohl als eine Art Botschaft seines Autors Petr Herynek verstehen. Er selbst sagt dazu:

"Das Buch soll die Menschen darauf aufmerksam machen, dass es auch etwas anderes gibt als die Jagd nach Geschenken, und dass in der Weihnachtszeit viel mehr die zwischenmenschlichen Beziehungen in den Vordergrund treten sollen".


Foto: Jitka Mládková