Begräbnis von Literatur-Nobelpreisträger Jaroslav Seifert vor 20 Jahren
Das ganze Leben lang hatte er verständliche, meistens lyrische und optimistische Gedichte geschrieben, obwohl er lange Zeit ein Dorn im Auge der kommunistischen Führung war. Der einzige tschechische Nobelpreisträger für Literatur, Jaroslav Seifert, ist genau vor 20 Jahren - am 10. Januar 1985 - in Prag gestorben. Sein Begräbnis wurde zur Herausforderung für die kommunistischen Kader. Bara Prochazkova mit Einzelheiten.
Der rote Faden des lyrischen Werkes von Jaroslav Seifert ist die Liebe zu einer Frau. Trotzdem hat sich Seifert, der am Ende der 20er Jahre aus der kommunistischen Partei verbannt wurde, aktiv politisch engagiert und trat 1956 für den Schutz von verhafteten Schriftstellern ein. Es folgten wiederholte Publikationsverbote gegen Seifert, dennoch wurde er 1966 zum tschechoslowakischen Nationalkünstler ernannt. Ende der 60er Jahre sprach sich Seifert als Vertreter des Schriftstellerbundes gegen die Okkupation der Tschechoslowakei durch die Warschauer Pakt-Staaten und die nachfolgende so genannte Normalisierungspolitik der kommunistischen Führung aus. Als einer der Ersten hat er die Charta 77 unterzeichnet. Kein Wunder, dass das Begräbnis im Januar 1985 zum Thema für die tschechoslowakische Staatssicherheit wurde. Nichtsdestotrotz vertrat diese die Devise, dass alle Nationalkünstler eine entsprechende Ehrung verdienen, also auch Jaroslav Seifert. Milena Strafeldova, damals Mitarbeiterin im tschechoslowakischen Kulturministerium, erinnert sich:
"In diesem Fall war es ganz anders, weil während der zehn Tage vor dem Begräbnis ein bis dreimal am Tag Vorbereitungstreffen stattfanden. Normalerweise wurden solche Angelegenheiten in einem Tag erledigt. An den Treffen haben plötzlich Leute teilgenommen, die keiner von uns vorher kannte. Ich bat sie, sich in eine Präsenzliste einzutragen, sie unterzeichneten dort jedoch nur mit dem Kürzel des Innenministeriums. Daran habe ich erkannt, dass die Staatssicherheit das Begräbnis von Jaroslav Seifert nach ihren Regeln durchführte."
Das Begräbnis von einem der aktivsten tschechischen Dichter und Journalisten wurde zu einer großen Absurdität, erinnert sich Milena Strafeldova. Die Todesanzeige wurde erst fünf Tage nach dem Tod des Dichters aufgesetzt, sie wurde jedoch in einen Tresor eingeschlossen und nur gegen Unterschrift herausgegeben. Außerdem wurden spezielle Eintrittskarten für das offizielle Begräbnis verteilt. Es sollte damit verhindert werden, dass an dem offiziellen Teil Dissidenten oder Vertreter der Opposition teilnehmen. Hunderte Menschen warteten bereits in der Früh vor dem Prager Rudolfinum, um sich von Seifert zu verabschieden, danach fand das offizielle Begräbnis unter strengster Aufsicht der Staatssicherheit und unter Ausschluss ausländischer Fernsehjournalisten statt. Milena Strafeldova, die das Begräbnis vor 20 Jahren koordiniert hat, durfte sogar den Nobelpreis anfassen - alles streng geheim versteht sich:
"Selbstverständlich wussten alle, dass Jaroslav Seifert den Nobelpreis bekommen hat. Den Preis hat jedoch nie jemand gesehen, die Medien haben ihn nie gezeigt. Ich war für die Organisation des Begräbnisses verantwortlich und wurde deshalb am Tag vor dem Begräbnis zum Leiter der Abteilung für innere Organisation gerufen. Ich war sehr überrascht, weil ich gar nicht geahnt habe, dass ich diesen Preis in die Hände bekomme. Ich bekam dann die Aufgabe, den Nobelpreis aus dem Kulturministerium ins Rudolfinum zu bringen. Ich hatte nichts anderes in der Hand als eine Plastiktüte mit der Aufschrift `Kartoffeln`. Es war einer der absurdesten Erlebnisse in meinem Leben."
Foto: Jaroslav Krejci