„Beim Film bin ich von Anfang bis Ende dabei“

Aline Schmid (Foto: Markéta Kachlíková)

Aline Schmid ist eine Filmproduzentin aus der Schweiz. Was ist ihre Aufgabe beim Dreh? Und wie beurteilt eine Jury die Streifen in einem Wettbewerb? Unter anderem dazu hören Sie mehr im folgenden Gespräch, das beim Internationalen Filmfestival in Karlovy Vary / Karlsbad entstanden ist.

Aline Schmid  (Foto: Markéta Kachlíková)
Frau Schmid, Sie sind Mitglied der Jury im Wettbewerb für Dokumentarfilme in Karlsbad. Das ist jedoch nicht Ihre erste Begegnung mit dem Festival. Wie kam es dazu, dass Sie zu dieser Aufgabe eingeladen wurden?

„Ich hatte das Glück, hier schon zwei Mal Filme im Dokumentarfilmwettbewerb zu haben. Vor einigen Jahren war es „Horizontes“ und letztes Jahr „Walden“, der dann einen Preis gewann. Ich denke, das hat mir diese Ehre geschaffen, dass ich jetzt dieses Jahr zur Jury gehören kann. Es ist natürlich eine große Ehre für mich. Ich liebe dieses Festival und finde auch die Auswahl der Filme wirklich super. Von daher bin ich sehr gespannt, hier Filme zu entdecken.“

Hat der Sieg Ihres Films „Walden“ im Wettbewerb der Dokumentarfilme im vergangenen Jahr eine Bedeutung für seine weitere Reise in die Welt gehabt?

Film „Walden“  (Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary)
„Ja, der Sieg war unglaublich wichtig für uns. Das war die Weltpremiere hier, und der Film wurde wirklich ganz kurz vorher fertig. Es ist ein sehr spezielles Werk. Sehr langsam, in 13 Einstellungen, wird die Geschichte eines Baums erzählt, der von Österreich nach Brasilien verschifft wird. Für uns war es deshalb sehr wichtig, einen guten Festivalstart zu haben. Das mit Karlovy Vary war natürlich ideal. Der Film läuft immer noch. Er war dann auch noch auf der Viennale und beim Sundance. Und die Journalisten, die den Film hier gesehen haben, haben dann viele verschiedene Artikel geschrieben.“

Sie arbeiten als Filmproduzentin. Können Sie Ihre Rolle an einem Film ein wenig beschreiben?

„Als Filmproduzentin bin ich von Anfang an bis zum Ende dabei. Das heißt, oft kommt ein Regisseur, eine Regisseurin mit einer Idee zu mir. Der Regisseur überlegt, wie alles inhaltlich ablaufen soll, und ich überlege, ob ich dafür Geld auftreiben könnte. Ich versuche dann, Partner zu gewinnen und das Geld zu finden, damit der Film realisiert werden kann. Während dem Dreh organisiere ich alles – administrativ und organisatorisch. Wenn der Film fertig ist, schaue ich, dass er auch gespielt wird. Ein Netzwerk ist da sehr wichtig. Ich kenne viele Leute. Dass hilft mir zu ermöglichen, dass der Film so oft wie möglich gesehen wird. Denn das ist eigentlich das Ziel jedes Films.“

„Das Ziel ist, dass der Film so oft wie möglich gesehen wird.“

Wie läuft das ab? Werden Sie von Regisseuren oder Drehbuchautoren angesprochen, oder suchen Sie sich selbst die Filme aus, die Sie begleiten möchten?

„In den meisten Fällen sind es Regisseure, die auf mich zu kommen. Ich sehe mich als kreative Produzentin und mache oft sehr kreative Filme. Das bedeutet eine starke Handschrift des Regisseurs. Das heißt, dass man oft mit bereits bestehenden Ideen bei mir anfragt. Ich mache teilweise auch Spielfilme mit schon geschriebenen Drehbüchern. Das heißt, ich bin dabei, wenn der Regisseur seine Idee wirklich entwickelt. Oft ist für mich die Person, also der Regisseur oder die Regisseurin, auch wichtiger als das Konzept selbst. Es kommt aber auch vor, dass wir selbst Ideen haben. Dass also ein Fernsehsender mir sagt: ‚Es wäre gut, zu diesem Thema mal einen Film zu machen.‘ Dann suche ich mir dafür einen Regisseur oder eine Regisseurin.“

Foto: Markéta Kachlíková
Welche Kriterien sind für Sie bei der Entscheidung am wichtigsten? Ist es die Persönlichkeit des Regisseurs?

„Ja, die Persönlichkeit ist das Wichtigste. Es dauert oft drei, vier, manchmal sogar sechs oder sieben Jahre, bis so ein Film fertig ist. Das sind wahnsinnig lange Zeitspannen, man lebt wie in einer Beziehung. Man muss da genau auswählen, mit wem man zusammenarbeitet. Es gibt auch immer wieder Überraschungen, auf beiden Seiten, aber natürlich auch sehr viele Krisenmomente. Das gehört auch dazu. Man muss dann zueinander aber eine gewisse Affinität haben, sonst geht es nicht. Es wäre wirklich eine harte Angelegenheit, drei oder vier Jahre lang mit Menschen zusammenzuarbeiten, die man nicht mag. Das bezieht sich auch auf die Themen oder die Filmsprache. Wenn mich diese nicht interessieren, dann bringt es auch nichts. Denn überall in Europa ist das Gespann aus RegisseurIn und ProduzentIn sehr wichtig.“

Haben Sie bei den Dreharbeiten und der künstlerischen Arbeit ein Mitentscheidungsrecht?

„Ich mache das eher vorher. Denn bei den Dokumentarfilmen bin ich beim Dreh meist nicht dabei. Häufig arbeiten ganz kleine Teams daran. Ich sitze dann im Büro und muss darauf vertrauen, dass der Regisseur und seine Crew das richtig machen. Wir haben aber vorher viel Zeit investiert. Es sind meist so zwei, drei Jahre, in denen der Stoff entwickelt wird. Nach dieser Zeit bin ich mir schon ziemlich sicher, was dabei herauskommen wird. Natürlich stehe ich auch während des Drehs mit allen im Kontakt. Bei Spielfilmen allerdings befinden wir uns in einer so großen Maschinerie, dass es einfach schwierig ist, beim Dreh noch etwas Grundlegendes zu verändern. Aber ich schaue mir schon jeden Tag die Bilder an und bin ziemlich nah dabei.“

Foto: Ondřej Tomšů
Sie machen also sowohl Dokumentationen als auch Spielfilme?

„Ja genau, ich mache beides. Dokumentarfilme gehen etwas schneller, weil es kleinere Budgets sind. Für den Schnitt braucht man jedoch sehr lang. In der Regel mache ich aber zwei, drei Dokumentationen in der Zeit, die ich für einen Spielfilm benötige.“

Ein Regisseur arbeitet in der Regel immer nur an einem Film. Wie ist das bei Ihnen: Können Sie mehrere Filme gleichzeitig produzieren?

„Ich mache immer mehrere Projekte gleichzeitig, sonst könnte ich gar nicht überleben. Es ist aber natürlich für die Regisseure sehr schwierig, alle fünf Jahre mal einen Film zu machen und dann davon zu überleben. Ich habe aber Projekte auf verschiedenen Stufen, und das geht dann gut aneinander vorbei, obwohl natürlich jeder Regisseur gerne Einzelkind wäre. Da muss man sich die Zeit ein bisschen einteilen. Meist kommt es aber doch irgendwann zu einer Karambolage, dann muss man eben mal ein bisschen mehr arbeiten.“

Wie oft besuchen Sie Filmfestivals? Ist die Teilnahme an den Festivals wichtig für Sie als Filmproduzentin?

„Festivals sind wichtig, um Leute kennenzulernen, um neue Projekte besser aufzustellen und internationale Partner zu finden.“

„Ja, das ist sehr wichtig für mich und ein großer Teil meiner Arbeit. Ich fahre jedes Jahr nach Berlin, oft nach Cannes, und dann kommt es ein bisschen darauf an, wo ich einen Film habe. Oder vielleicht auch, wohin ich in eine Jury eingeladen werde. Dieses Jahr mache ich ziemlich viele Festivals, aber das ist wirklich wichtig, um Leute kennenzulernen, neue Projekte nochmal besser aufzustellen und internationale Partner zu finden.“

Foto: Ondřej Tomšů
Hier in Karlsbad haben Sie dieses Jahr eine besondere Rolle: Sie sind Jurymitglied. Wie läuft die Arbeit der Jury im Wettbewerb der Dokumentarfilme ab?

„Wir sind zu dritt, zwei Regisseure und ich. Bisher läuft es sehr gut. Aber wir werden sehen. Wenn wir dann diskutieren, wer die Preise bekommt, dann kann es sicher auch ein bisschen heiß hergehen. Das ist meistens so. Sinn der Sache ist ja auch, dass man da wirklich diskutiert. Und es macht Spaß zu hören, was andere über Filme denken. Oft kommen wir aus dem Kino und diskutieren dann sofort, natürlich im Geheimen, was wir über den Film denken. Dann lassen wir das erst mal sich setzen. Am Ende der Woche ziehen wir dann Bilanz. Und dann kommt der große Moment für jene Personen, die die Preise gewinnen.“

Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International
Schauen Sie sich die Filme gemeinsam mit dem Publikum bei den normalen Projektionen an oder alleine in einer Kammer?

„Nein, wir sind immer bei den Premieren dabei. Das gefällt mir sehr gut, und ich halte das auch für sehr wichtig. Man spürt so das Publikum, das im Kino ja immer ein großer Faktor ist. Es ist aber nicht bei allen Festivals so, dass alle den Film im Kino gesehen haben und nicht irgendwie über einen Link. Wir sehen uns also jeden Tag ein bis zwei Filme an und sind mit dem Publikum im Saal.“

Haben Sie auch Lust und Zeit, sich weitere Filme hier in Karslbad anzuschauen?

Film ‚Lillian‘  (Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary)
„Ja, ich nutze diese Zeit hier, um möglichst viele Filme zu sehen. Im Normalfall komme ich bei Festivals nämlich nicht mehr so oft dazu, ins Kino zu gehen. Ich treffe dort eher Menschen. Hier habe ich mir jetzt aber eine Woche freigenommen und sehe mir jeden Tag drei, vier Filme an. Das macht Spaß!“

Hat Sie ein Film besonders beeindruckt?

„Ja, ich habe den Film ‚Lillian‘ von meinem Jurykollegen Andreas Horvath gesehen. Der hat mir wirklich sehr gut gefallen. Er lief in Cannes dieses Jahr, und ich hatte schon viel davon gehört. Nach so einem Meisterwerk freue ich mich umso mehr, mit ihm in der Jury zu sitzen.“