Bergsteiger Jaroš hat sich nach K2-Aufstieg zur tschechischen Legende gemacht

Radek Jaroš nach K2-Aufstieg (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Die Tschechische Republik gehört mit rund zehn Millionen Einwohnern zu den kleineren Staaten der Erde. Deshalb ist es umso bemerkenswerter, wenn auch aus solch einem Land immer wieder Menschen hervorgehen, die im globalen Maßstab Großes leisten. Einer dieser Tschechen ist der Extrembergsteiger Radek Jaroš. Der Mann aus dem mährischen Wintersportort Nové Město na Moravě hat als erst 15. Bergsteiger der Welt alle Achttausender der Erde ohne Sauerstoffgerät bezwungen.

Radek Jaroš nach K2-Aufstieg  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Am 26. Juli dieses Jahres ging es für Radek Jaroš im wahrsten Sinne des Wortes ganz hoch hinaus. An jenem Tag hat er zusammen mit seinem Landsmann Jan Trávníček den gefürchteten K2 bestiegen – der 8611 Meter hohe Berg war der letzte Gipfel, der ihm noch fehlte, um sich damit als erster Tscheche die „Krone des Himalaya“ aufzusetzen. Knapp zwei Wochen später, bei der Prager Pressekonferenz zur erfolgreichen Expedition, aber gab sich Jaroš weiter ganz bescheiden:

„Die Einstufung dessen, ob ich nun zu den ganz Großen in der Bergsteigerszene gehöre, das müssten andere bewerten“, antwortete er auf eine Journalistenfrage.

Im fünfköpfigen Expeditionsteam des Bergsteigers hatte Martin Havlena die Rolle des Kochs inne. Und Havlena rückte die Leistung von Jaroš dann auch gleich auf die richtige Stufe:

„Jaroš ist eine Legende!“

Für diese Aussage bekam Havlena spontan Zustimmung von allen Seiten. Das war dann wohl auch für den Extremsportler selbst das Zeichen, einmal in sich zu gehen und darüber zu sinnieren, was er da tatsächlich erreicht hat:

Radek Jaroš und seine 'Krone des Himalaya' | Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Auf der einen Seite scheint mir das etwas ganz Normales zu sein. Je mehr ich aber darüber nachdenke und noch dazu eine sms nach der anderen mit Gratulationen erhalte, merke ich, dass dies doch keine so normale Sache ist. Wenn aus der Welt bisher nur 15 Menschen alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffgerät bestiegen haben, dann bedeutet das schon etwas.“

Die Erfahrung, nunmehr zu einem kleinen elitären Kreis von Menschen zu gehören, die etwas Außergewöhnliches vollbracht haben, hat Jaroš indes schon im Jahr 1998 gemacht. Damals bestieg er den höchsten Berg der Erde, den Mount Everest, der zugleich sein erster Achttausender war:

„Ich habe seinerzeit meine Himalaya-Karriere begonnen. Und auch damals, vor 16 Jahren, war ich erst der 13. Mensch, der den Mount Everest ohne Sauerstoffgerät bezwungen hat, und zwar vom Norden Tibets aus.“

Das war 20 Jahre nach dem der Österreicher Peter Habeler und der Südtiroler Reinhold Messner den Mount Everest als erste Bergsteiger ohne zusätzlichen Sauerstoff erklommen hatten. Den Aufstieg der beiden habe er noch als junger Grünschnabel in einem TV-Bericht gesehen, so Jaroš. Das habe ihn angespornt, und als er dann selbst ganz oben auf dem Dach der Welt stand, habe er gestaunt, dass innerhalb von 20 Jahren nur elf weitere Menschen die Leistung der beiden Himalaya-Pioniere wiederholt hatten. Umso mehr ist er jetzt erfreut darüber, seinen beiden Idolen von einst in nichts mehr nachzustehen:

Radek Jaroš beim K2-Aufstieg  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Ich habe zu Peter Habeler ein freundschaftliches Verhältnis, wir beide duzen uns. Jetzt bin ich diesen Legenden auch mit meiner Leistung in gewisser Weise nähergekommen, und das ist für mich einfach nur verblüffend.“

Mindestens genauso imponierend aber ist die Hartnäckigkeit und Willensstärke von Jaroš selbst. Denn seine Leistung ist umso höher einzustufen, wenn man daran erinnert, was dem 50-Jährigen 2012 widerfahren ist. Beim Aufstieg auf seinen 13. Achttausender, die Annapurna, sind ihm einige Zehen erfroren, die daraufhin amputiert werden mussten. Die Gedanken daran waren es dann auch, die ihm vor seinem Aufstieg auf den K2 am meisten zu schaffen machten:

„Für mich war das Ganze schon kompliziert. Die Expedition zum K2 war nämlich für mich auch der scharfe Start und zugleich der erste ernsthafte Test nach meinen Erfrierungen von vor zwei Jahren. Folglich war eine ganze Reihe von Dingen neu für mich: Es war die Sorge um meine Zehen und darüber, wie meine Beine die Anstrengung durchhalten werden. Aber alles hat dann hervorragend geklappt, es war einfach super.“

Es klappte auch deshalb so prima, weil Jaroš spezielle Schuhe mit einer Heizspirale nutzte:

Radek Jaroš beim K2-Aufstieg  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Es war erstaunlich, wie gut mich die Schuhe gewärmt haben. Als wir auf dem Weg zum Gipfel waren, haben andere Bergsteiger, die vor mir gingen, mit ihren Füßen gegen das Eis gestampft, um sie zu durchbluten. Sie froren an den Zehen und mussten aufpassen, dass diese nicht erfrieren. Ich habe meine Füße auch gegen das Eis gestampft und sie damit bewegt, aber nur damit sie nicht verbrennen. Die Heizspiralen in meinen Schuhen waren bereits so heiß geworden, dass mich das etwas störte. Bei mir bestand also paradoxerweise die Gefahr, dass ich mir an den Füßen Verbrennungen hole.“

Radek Jaroš hat sich aber nicht verbrannt, sondern war Feuer und Flamme nun auch für seinen letzten Achttausender. Dass man bei diesem Vorhaben indes auch kurz vor dem Ziel noch scheitern kann, belegt die schicksalhafte Episode, die parallel zu seinem Aufstieg einem einstigen Mitstreiter von ihm widerfuhr:

„Es ist auch für erfahrene Bergsteiger keine Selbstverständlichkeit, einen Achttausender zu besteigen. Unweit vom K2 liegt der Broad Peak, den der Spanier Oscar Cadiach bezwingen wollte. Mit ihm habe ich sechs Nächte im Zelt verbracht, als wir vor zwei Jahren zum Gipfel der Annapurna gestiegen sind. Cadiach hätte eigentlich der 15. Mensch sein müssen, der alle Achttausender geschafft hat, denn der Broad Peak ist weitaus leichter zu besteigen als der K2. Es kam aber anders. Cadiach erlitt Erfrierungen und wurde mit einem Hubschrauber ausgeflogen. Genau genommen hatte der Spanier die besseren Voraussetzungen als ich. Doch anstatt auf dem Gipfel seines letzten Achttausenders zu stehen, landete er im Krankenhaus.“

Radek Jaroš  (Foto: Prokop Havel,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Jetzt ist Radek Jaroš einfach nur stolz und glücklich, zu denjenigen zu gehören, die sich die symbolische „Krone des Himalaya“ aufsetzen dürfen. Das werde er genießen. Einen Achttausender werde er wohl nicht mehr besteigen, auch wenn er dies noch nicht ganz ausschließen wolle. Jetzt wolle er erst einmal kürzer treten und sich und seiner Familie mehr Zeit widmen, so Jaroš. Nichtsdestotrotz ruft er schon die Bergsteiger der nachfolgenden Generation auf, es ihm und seinen Vorgängern gleichzutun:

„Meine Leistung sollte gleichzeitig eine Herausforderung an alle jungen Tschechen sein. Es ist eine Sache des Fleißes, der Lust und des Glaubens, etwas erreichen zu können, in eine bestimmte Richtung zu gehen. Wir haben hier zwar weder den Himalaya noch die Anden oder die Alpen. Doch auch von der Böhmisch-Mährischen Höhe aus, wo die Berge nur bis zu 800 Meter hoch sind, kann man es schaffen, wenn man ein Ziel hat. Wenn man es wirklich will, dann schafft man es auch.“

Radek Jaroš hat es bewiesen. Als Junge von der Böhmisch-Mährischen Höhe hat er binnen 16 Jahren alle Achttausender der Erde bestiegen. Schon bald wird ein Film über ihn und seinen Aufstieg auf den K2 in die Kinos kommen. Er trägt den Titel „Der Weg nach oben“. Diesen Weg hat Jaroš gleich mehrere Male mit Bravour gemeistert.