Holeček und Hák mit Bergsteiger-Oscar für neue Route zum Hidden Peak geehrt
Gut Ding will Weile haben, heißt es. Im alpinen Bergsteigen aber muss man mitunter besonders hartnäckig sein. Das trifft auf Marek Holeček zu, und so ist es dem tschechischen Bergsteiger im fünften Anlauf schließlich doch gelungen, den Achttausender Gasherbrum I über die Südwestwand zu bezwingen. Zusammen mit seinem Partner Zdeněk Hák schaffte er den Aufstieg im Sommer 2017. Vor kurzem wurden beide Extrembergsteiger dafür ausgezeichnet.
Die Südwestwand am Gasherbrum I, auch Hidden Peak genannt, ist wegen ihrer Steil- und Schroffheit sehr gefürchtet. Marek Holeček aber zieht seine Motivation gerade daraus, Dinge zu tun, die andere vor ihm noch nicht gezeigt haben:
„Ich habe zwar früher immer gesagt: Unsere Großväter und Väter haben uns alle hohen Gipfel gestohlen, weil sie sie bereits bestiegen haben. Doch das stimmt nicht. Es lassen sich immer wieder neue Berge und Routen finden. Das ist reine Ansichtssache. Unser Preis ist ein gutes Beispiel dafür. Wir sehen ihn nicht nur als Belohnung für unsere eigene Leistung, sondern für die gesamte Gruppe der tschechischen Extrembergsteiger. Wir haben etwas Historisches vollbracht, und in dieser Richtung wollen wir auch weitermachen.“Den goldenen Pickel nahm Holeček in Lądek allein entgegen, da sein Partner die Teilnahme krankheitsbedingt absagen musste. Zdeněk Hák hat die Trophäe so auch nicht im ganzen Stück zu sehen bekommen, weil sie auf dem Weg nach Tschechien in zwei Teile getrennt wurde. Holeček nahm es mit Humor:
Marek Holeček: „Wir sehen den Preis nicht nur als Belohnung für unsere eigene Leistung, sondern für die gesamte Gruppe der tschechischen Extrembergsteiger. Wir haben etwas Historisches vollbracht, und in dieser Richtung wollen wir auch weitermachen.“
„Ein Pokal für Bergsteiger? Ich weiß ja nicht. Zum Haushaltsgeschirr passt er nicht unbedingt. Zudem habe ich es geschafft, den Untersatz vom Kristallkegel zu trennen.“
Dennoch weiß auch Hák die Auszeichnung zu schätzen:
„Wenn man einen Gipfel besteigt, egal ob es der Mont Blanc, das Matterhorn oder ein anderer ist, dann ist man dort oben nicht wirklich euphorisch. Den Aufstieg genießt man erst, wenn man wieder unten im Tal in Sicherheit ist. Den Preis aber kann man sofort genießen.“
Holeček und Hák können unter Umständen damit rechnen, dass die Route für ihren Aufstiegs auf den Hidden Peak künftig auch nach ihnen benannt wird. Der 43-jährige Holeček legt allerdings keinen allzu großen Wert darauf. Denn für sich selbst hat er die Erfolgsroute bereits namentlich verbucht:
„Ich habe ihr den Namen ‚Satisfaction‘ gegeben, denn es ist für mich eine Genugtuung, es endlich geschafft zu haben. Ich habe fünf Anläufe dafür gebraucht, und jeder von ihnen hatte einen dramatischen Verlauf.“Und mit ein wenig Abstand fügt Holeček hinzu:
„Einer dieser Versuche endete mit dem Negativerlebnis, dass mein langjähriger Freund und Kletterpartner Zdenek Hrubý vor meinen Augen diese Welt verlassen hat. Das sind die Momente, mit denen man erst einmal fertig werden muss. Wobei man sich auch die Frage stellt: Begebe ich mich nicht vielleicht sinnlos in Teufels Küche?“
Das Unglück ereignete sich 2013. Beim Abseilen ins Tal hinunter sei Zdeněk ein folgenschwerer Fehler passiert. In einem Moment, in dem der Karabinerhaken schließen sollte, blieb er geöffnet, weil Hrubý ihn leider schlecht verriegelt hatte. Dies sei ein winziger Fehler gewesen, der ihm leider das Leben gekostet habe, so Holeček.
Das erste Mal versuchte Holeček 2009 gemeinsam mit Hrubý den 8068 Meter hohen Gipfel im Karakorum zu besteigen. Wegen gesundheitlicher Probleme seines Partners bezwang er den Berg schließlich auf einem einfacheren Weg – durch den sogenannten Japaner-Korridor. 2015 scheiterte der dritte Versuch gemeinsam mit Tomáš Petreček wegen schlechten Wetters. Und im Jahr 2016 musste Holeček gemeinsam mit Ondřej Matula acht Tage lang im Biwak-Zelt in der Todeszone ausharren.
Zdeněk Hák: „Wenn man einen Gipfel besteigt, dann ist man dort oben nicht wirklich euphorisch. Den Aufstieg genießt man erst, wenn man wieder unten im Tal in Sicherheit ist. Den Preis aber kann man sofort genießen.“
Besonders stolz ist Holeček darauf, dass Hák und er die steile Südwestwand ohne Sauerstoffmaske und andere Hilfsmittel gemeistert haben. Für solch eine Klettertour könne man aber ohnehin nur das Nötigste mitnehmen, erläutert der Prager:
„Alle Sachen, die wir für den Aufstieg an der Wand benötigt haben, waren in einem Rucksack verstaut. Ich bezeichne ihn als den ‚Rucksack des Glücks‘. Der Rucksack darf maximal acht bis neun Kilogramm wiegen, damit man zügig vorankommt. Dennoch müssen darin alle wichtigen Utensilien wie ein Schlafsack, ein Zelt und Nahrung für mehrere Tage verpackt sein. Für den kompletten Aufstieg haben wir acht Tage gebraucht, allein sechs davon haben wir in der Gletscherwand verbracht.“
Folglich haben Holeček und Hák auch in der Wand übernachtet, wozu sie mehrfach eine relativ windgeschützte Kuhle in das Packeis hauen mussten. Sehr kompliziert sei es in über 7000 Meter Höhe geworden, weil man dort eine sperrige Felsbarriere überwinden musste, schildert Holeček. Das habe neben drei Tagen Zeit auch viel Energie und Kraft gekostet:
„Nur zur Vorstellung: Wenn man solch einen Aufstieg hinter sich hat, dann ist man dünner. Man verliert ungefähr ein Dreiviertelkilo an Salzflüssigkeit täglich. Wenn ich das hochrechne auf die gesamte Wegstrecke, mit Auf- und Abstieg, dann habe ich in etwa 14 Kilo an Muskelmasse verloren.“Doch nicht nur das extreme Kraxeln in der Wand hat Holeček und Hák alles abverlangt, es ist auch die Bergwelt des Karakorums, der man sich stellen muss. Denn als Mitteleuropäer wachse man in durchschnittlich 500 Meter Höhe auf. Daher mussten sich beide vor dem finalen Aufstieg erst einmal akklimatisieren, erzählt Holeček:
„Allein drei Wochen haben wir mit Bergläufen verbracht, um uns an die Höhenluft zu gewöhnen. Das bewirkt im Körper die Bildung von roten Blutkörperchen, durch die mehr Sauerstoff transportiert werden kann. Erst danach hat man die Chance, sich dort oben zu bewegen.“
Für die komplette Reise von Prag bis zum Gipfel des Gasherbrum und zurück war das tschechische Bergsteigerduo 45 Tage unterwegs. In diesem Zeitraum gingen beide physisch und psychisch bis an ihre Grenzen. Jetzt aber sind ihre Batterien wieder aufgeladen. Und bei seinem Besuch im Tschechischen Rundfunk teilte Holeček dann auch mit, was ihn als Nächstes reize. Da er ein Freund der Abwechslung sei, wolle er nun einen der noch wenig erforschten Berge der Antarktis besteigen, so der Prager.