Berliner Erklärung, Klimabeschluss: Meilensteine oder Lippenbekenntnisse?
Am vergangenen Freitag haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel geeinigt. Manchen Umweltschutzorganisationen geht der Beschluss nicht weit genug, andere sprechen von einem positiven Signal und von einem Anreiz zur Investition in erneuerbare Energien. Für die EU-Politik selbst ist es eine gute Nachricht, dass überhaupt ein Kompromiss erzielt werden konnte. Nach endlosen Streitereien um den Europäischen Verfassungsvertrag ziehen in diesem Punkt scheinbar alle 27 Mitglieder an einem Strang. Der Teufel aber steckt vermutlich in den Details. Vor allem deshalb, weil diese erst ausgearbeitet werden müssen. Und auch bezüglich der "Berliner Erklärung", die in zwei Wochen verabschiedet werden soll, herrscht noch vorsichtige Zurückhaltung - unter anderem in Prag.
Sie befürchteten nämlich, dass die Berliner Erklärung zum neuen Wegweiser im Verfassungsprozess werden könnte, und plädierten für möglichst allgemeine Formulierungen. Ein Entwurf für den Text wurde auf dem Gipfel schließlich nicht vorgelegt, Diskussionsgegenstand war die geplante Erklärung aber allemal.
Der tschechische Premierminister Mirek Topolanek zollte der deutschen Präsidentschaft - und konkret der Gesprächsbereitschaft von Angela Merkel - schließlich großes Lob. Er habe seine Vorstellungen zur Berliner Erklärung dargelegt und sei nun guter Hoffnung, dass diese im Entwurf der Präsidentschaft auch berücksichtigt werden."Was ist eigentlich das Ziel der Berliner Erklärung?" fragte Topolanek, um gleich selbst die Antwort zu geben: "Meiner Meinung nach besteht dieses Ziel darin, den fünfzigsten Geburtstag eines auf seine Art einzigartigen und erfolgreichen Projekts zu feiern, und dabei jene Werte und Instrumente zu benennen, die diesem Projekt weitere fünfzig Jahre bescheren können. Doch an wen soll sich das Dokument richten? Darauf sage ich: Nicht an Politiker und Bürokraten, sondern in erster Linie an den polnischen Installateur, die tschechische Krankenschwester, den italienischen Fußballfan, den französischen Bauern, den britischen Soldaten oder den bulgarischen Gemüsehändler. Also an Menschen, die sich mit diesem Projekt vielleicht noch nicht so identifizieren, wie wir das gerne hätten. Daher müssen auch Sprache und Form der Erklärung auf diese Menschen abzielen. Ich meine, dass in diesem Fall die Form des Dokuments sogar wichtiger ist als sein Inhalt."
Das eigentliche Hauptthema des Gipfels aber war der Kampf gegen den Klimawandel. Dass in diesem Bereich eine Einigung erzielt werden konnte, ließ EU-Spitzenpolitiker jubeln. Angela Merkel sprach von einem "Moment der Zufriedenheit", Kommissionspräsident Jose Barroso gar von einem "historischen Ergebnis". Bis zum Jahr 2020, so steht es in dem Beschluss, soll der Anteil an erneuerbaren Energien in der EU auf insgesamt 20 Prozent angehoben werden. Gleichzeitig will man die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Jahr 1990 um mindestens ein Fünftel reduzieren. Das wirkliche Tauziehen aber steht noch bevor. Denn ehe der ambitionierte Plan umgesetzt wird, muss noch darüber verhandelt werden, welcher Staat welchen konkreten Beitrag leistet - eine Bedingung, ohne die der Beschluss wohl kaum zustande gekommen wäre. Premierminister Topolanek zeigte sich auch hier zufrieden:
"Die Vorgaben für die einzelnen Staaten sind unterschiedlich. Beim Aushandeln der jeweiligen nationalen Rahmenpläne werden diverse Parameter mit einkalkuliert. Es soll, mit Rücksicht auf die verschiedenen Ausgangssituationen und auf den bereits existierenden Anteil an erneuerbaren Energien, eine gerechte Aufteilung geben. Die Mitgliedstaaten müssen die Vorschläge der Europäischen Kommission bezüglich ihrer Anteile an erneuerbaren Energiequellen erst absegnen. Das hat Kommissionspräsident Barroso eindeutig bestätigt, und ich glaube, das ist für uns ein großer Erfolg. Wir sind mit dieser Formulierung zufrieden."
Zustimmung für das generelle 20-Prozent-Ziel also, aber noch keine Festlegung auf den eigenen Beitrag. Ein Ergebnis, das Topolanek daheim sicher besser verkaufen kann als verbindliche Zusagen. Der mögliche Anteil an erneuerbarer Energie liege in Tschechien nämlich weit unter dem EU-Gesamtziel, meint Topolanek:"Derzeit liegt dieser Anteil bei etwa 4,5 Prozent, und unser Potenzial wird auf ungefähr acht Prozent geschätzt. Wir können ja nur schwer neue Möglichkeiten für Wasserkraftwerke erschließen, und auch Windkraft ist für uns hinsichtlich ihrer technischen und ökonomischen Effektivität eine eher komplizierte Angelegenheit. Einen gewissen Spielraum gibt es bei der Biomasse - aber auch der ist natürlich begrenzt - und bei der Sonnenenergie. Das Niveau, das wir selbst mithilfe massiver Subventionen erreichen können, liegt also irgendwo um die acht Prozent, und ganz sicher nicht bei zwanzig."
Berliner Erklärung, Klimabeschluss. Was beide Punkte gemeinsam haben, ist ihre Vorläufigkeit. Den Text der Berliner Erklärung gibt es - wenigstens offiziell - noch nicht. Und die Entscheidung, gemeinsam den Klimawandel bekämpfen zu wollen, muss sich erst noch an der Bereitschaft der einzelnen Staaten bewähren, einen gerechten Teil zum Gesamterfolg beizutragen.
Für den tschechischen Premierminister Mirek Topolanek ist dieses Ergebnis im Großen und Ganzen tatsächlich ein Erfolg. Einflussreiche Vertreter seiner Demokratischen Bürgerpartei, allen voran Staatspräsident Vaclav Klaus, sind betont EU-skeptisch, während die Wähler der Partei als überwiegend EU-freundlich gelten und ihr Land gerne im europäischen Mainstream sehen. Für beide Gruppen hat Topolanek vorerst gute Nachrichten - oder wenigstens keine Hiobsbotschaften - im Gepäck.
Aber auch der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg, der für die Grünen Koalitionspartner in der Regierung sitzt, war nach dem Ende des Klima-Gipfels guter Dinge:
"Ich kann nur sagen, dass der deutsche Vorsitz sehr gut für den Rat war. Kanzlerin Merkel hat den Rat sehr zielbewusst und energisch geführt und hatte für unsere Wünsche absolut Verständnis. Wir haben unsere Ansinnen größtenteils durchgesetzt und können mit dieser Tagung wirklich sehr zufrieden sein", so Schwarzenberg kurz vor seiner Abreise aus Brüssel.