Berufsbildung: Projekt „Pospolu“ beendet – kein deutsches System geplant

Offizielle Webseite des Projektes Pospolu

Drei Jahre lang wurde in Tschechien geprobt, wie sich mehr Praxis in die Berufsbildung bringen lässt. Das entsprechende Projekt mit dem Namen „Pospolu“ ist im Herbst zu Ende gegangen. Vor kurzem wurden im Bildungsministerium die Erkenntnisse und Ergebnisse präsentiert. Doch ist damit ein Zukunftsmodell geschaffen worden?

Jaroslav Fidrmuc  (Foto: Archiv des tschechischen Bildungsministeriums)
Auch die diesjährige Umfrage der deutschen Außenhandelskammern in Mittel- und Osteuropa hat es wieder gezeigt: Tschechien muss laut den Investoren dringend seine Berufsbildung verbessern. Hierzulande ist man sich dessen bewusst, deswegen startete das „Nationale Institut für Bildung“ im Dezember 2012 das Projekt „Pospolu“, auf Deutsch „Gemeinsam“. Gemeint war damit, dass die sogenannten mittleren und höheren Fachschulen bei der Ausbildung mit Unternehmen kooperieren. Jaroslav Fidrmuc ist Staatssekretär am Bildungsministerium:

„Insgesamt wurde das Programm mit 100 Millionen Kronen bezuschusst. Beteiligt waren 38 mittlere und höhere Fachschulen mit über 1300 Berufsschülern sowie mehr als 100 Arbeitgeber. Ziel war, die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu testen und neue Formen der Kooperation vorzuschlagen. Daraus sind Empfehlungen hervorgegangen, um diese Zusammenarbeit langfristig zu stützen und damit die Berufsbildung zu verbessern.“

Mindestens zwölf Wochen Praxisteil

Helena Úlovcová  (Foto: Archiv der Friedrich Ebert Stiftung Prag)
Diese Empfehlungen richten sich sowohl an die Schulen und Betriebe als auch an den Gesetzgeber. Helena Úlovcová, kommissarische Leiterin des Nationalen Instituts für Bildung:

„Ein Ziel des Projektes war es, ein Minimum für den Umfang des praktischen Ausbildungsteils zu definieren. Für Abiturfächer sind dies acht Wochen, für Lehrfächer zwölf Wochen. Diese Zeit sollten die zukünftigen Schulabsolventen oder Schüler in einer konkreten Firma oder in einer Model-Firma zubringen, um sich mit der neuesten Technologie vertraut zu machen, mit den Maschinen – und um die gängigen Anforderungen in den Firmen kennenzulernen.“

Illustrationsfoto: Serge Bertasius Photography,  FreeDigitalPhotos.net
Bei manchen der Partnerschaften im Rahmen des Projektes lag der praktische Teil aber auch bei der Hälfte der Ausbildungszeit.

Noch während das Projekt lief, hat die Regierungskoalition steuerliche Vergünstigungen durchgesetzt für Firmen, die Berufsschüler in die Praxis einführen.

„Eine Firma kann von der Steuer-Bemessungsgrundlage verschiedene Beträge abziehen, und zwar bis zu 110 Prozent der Kosten für die Anschaffung von Geräten und Maschinen, an denen solche Schüler ausgebildet werden. Des Weiteren bis zu 200 Kronen je Ausbildungsstunde und Schüler. Und auch die Aufwendungen für die Ausbildungsstipendien, wobei sie den Schülern höherer Fachschulen jeweils ein Stipendium in Höhe von 5000 oder 10.000 Kronen pro Monat gewähren kann“, so Staatssekretär Fidrmuc.

Außerdem musste gesetzlich geregelt werden, dass Praktiker aus den Firmen an den Schulen unterrichten dürfen – denn in der Regel haben sie keine pädagogische Bildung.

Fehlende Facharbeiter

Jindřich Špilar  (Foto: Archiv der Regionale Wirtschaftskammer der Region Plzeň)
All das soll dazu führen, dass Ausbildungsinstitutionen und Betriebe auf Dauer zusammenarbeiten. So wie es bei der Firma Gerresheimer in Horšovský Týn / Bischofteinitz im südlichen Westböhmen schon vor dem Start von „Pospolu“ geschehen ist. Das Unternehmen, das Plastikverpackungen für Medikamente herstellt, pflegt eine Zusammenarbeit mit der Fachmittelschule im nahen Domažlice / Taus. Jindřich Špilar ist Geschäftsführer von Gerresheimer Horšovský Týn:

„Wir sind von den Erfahrungen unserer Schwesterfirma in Deutschland ausgegangen, die schon seit vielen Jahren mit deutschen Berufsschulen zusammenarbeitet.“

Bei der Fachmittelschule in Domažlice hat man sich mittlerweile eingestellt auf die Bedürfnisse dieses wichtigen Arbeitgebers in der Region.

„Die Firma sucht qualifizierte Arbeiter für die Bedienung von Pressen zum Spritzen von Kunststoffen. Als wir im Jahr 2009 unsere Ausbildungspläne erstellt haben, haben wir in das Fach Industriemechaniker den Lernstoff für die Formung und Verarbeitung von Kunststoffen entsprechend aufgenommen“, sagt Schulleiterin Zdeňka Buršíková.

Offizielle Webseite des Projektes Pospolu
Gerade auf solch praktische Ergebnisse haben auch die Macher von „Pospolu“ gesetzt. Denn die Firmen in Tschechien schlagen sich schon seit vielen Jahren damit herum, dass bestimmte Facharbeiter fehlen. Dazu gehören beispielsweise Schlosser oder Schweißer.

Doch wie geht es nach der Beendigung des Projektes weiter? Vor allem mit guten Beispielen aus „Pospolu“ sollen noch mehr Fachschulen und Unternehmen zur Kooperation gebracht werden. Auch das unabhängige Bildungsforschungsinstitut EDUin bewertet „Pospolu“ positiv. Bohumil Kartous ist Sprecher des Instituts:

„Das Projekt ‚Pospolu‘ kann sicher als Modell dafür gelten, wie die Berufsausbildung in Zukunft in Tschechien aussehen könnte. Es hat das richtige Verhältnis erbracht zwischen dem, was die Schulen an theoretischem Stoff und die Betriebe an praktischen Inhalten vermitteln sollten. In diesem Punkt wurde praktisch das duale Bildungssystem übernommen, wie wir es aus Deutschland kennen.“

Nur einzelne Elemente der dualen Ausbildung

Foto: Martin Karlík,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Eine getreue Kopie der Berufsbildung aus dem Nachbarland, die werde es in Tschechien aber nicht geben, betont Staatssekretär Fidrmuc:

„Zurzeit erwägen wir nicht, ein System dualer Ausbildung einzuführen. Aber wir wollen Elemente dieses Systems fest in die Berufsausbildung integrieren.“

Und Helena Úlovcová vom Nationalen Institut für Bildung erläutert weiter:

„Für Inhalte und Qualität der Ausbildung sind im tschechischen Bildungssystem die Schulen verantwortlich. Wir wollen zwar, dass die Schüler am praktischen Training direkt in den Betrieben teilnehmen, aber sie sollen keinen Arbeitsvertrag mit der Firma schließen. Und gerade dies ist ein typisches Element des dualen Bildungssystems in den deutschsprachigen Ländern.“

Bohumil Kartous  (Foto: Marián Vojtek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Stattdessen schließen die Schulen die Verträge mit den Unternehmen. Muster für solche Verträge sollen ab Januar im Internet eingesehen werden können.

Viel wichtiger jedoch scheint ein anderer Unterschied. Und der liegt dort, wo es am meisten wehtut: beim Geld. Bohumil Kartous von EDUin:

„In Deutschland besteht eine größere Beteiligung der wirtschaftlichen Sphäre an der Berufsbildung, es gibt eine breitere Absprache der politischen Wirtschaftsführung mit Industrie und Handel auf der Ebene der einzelnen Bundesländer. Zugleich ist festgelegt, wie viel die Unternehmen aus eigener Tasche in die Berufsbildung investieren müssen. Reell finanzieren sie so den gesamten praktischen Ausbildungsteil. Dass im tschechischen Bildungssystem keine solche vertragliche Übereinkunft besteht, macht es schwer einzuschätzen, ob das Projektmodell ‚Pospolu‘ auf Dauer ins tschechische Bildungssystem übertragbar ist.“

Autor: Till Janzer
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