Besiedelte Höhlen und Burgstätten im Böhmischen Karst

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"Böhmischer Karst". Der Begriff dürfte unseren regelmäßigen Hörerinnen und Hörern bekannt vorkommen. Denn wir haben schon in unserer letzten Sendung über dieses an Höhlen reiche Landschaftsschutzgebiet ausführlich berichtet. Heute besuchen wir ein zweites Mal das "Museum des Böhmischen Karstes" in Beroun und werden uns diesmal dafür interessieren, wie es mit der Besiedlung dieser Region in der längst vergangenen Geschichte aussah. Das wird im Museum in der archäologischen Sammlung gezeigt, durch die uns die Archäologin Irena Benkova begleitet. Die heutige Ausgabe von "Reiseland Tschechien" wurde von Markéta Kachlíková gestaltet.

Nicht nur die Funde und Fotos einzelner Fundstätten mit Karten und erklärendem Text werden in der Ausstellung gezeigt, sondern auch die Arbeit und die Methoden der Archäologen den Interessenten näher gebracht. Die Archäologin des Museums Irena Benkova, die uns durch die Ausstellung geführt hat, haben wir bei ihrer Arbeit nicht in einem Büro, sondern direkt vor Ort, bei der Erforschung von Ausgrabungen gefunden.

"Ich forsche momentan direkt im Museumshof. Wir haben einen Aushub auf der Grenzlinie zwischen mittelalterlichen Parzellen einzelner Bürgerhäuser. Die Archäologie zeigt, dass die Bebauung von Beroun noch im 13. Jahrhundert verstreut war. Seit dem Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhundert sieht die Parzellierung der Stadt wie heute aus."

Die Archäologie-Ausstellung des Museums gilt allerdings nicht direkt der Stadt Beroun, sondern dem Gebiet des Böhmischen Karstes. Wie fast das ganze Gebiet der Tschechischen Republik ist auch der Kreis Beroun ein Gebiet mit vielen archäologischen Funden. Die Ausstellung will dabei nicht die berühmtesten Fundstätten der Region, sondern ihre wichtigsten Spezifika zeigen:

Hostim  (Foto: Jan Rosenauer)
"Die Auswahl ist zwar chronologisch gereiht, von der ältesten Besiedlung bis zum frühen Mittelalter. Es handelt sich aber um die Auswahl von nur zwei spezifischen Phänomenen auf dem Gebiet des Böhmischen Karstes. Das sind erstens die Höhlen, die natürlich von Menschen besiedelt und genutzt wurden. Und das andere Phänomen sind Burgstätten, weil die Landschaft des Böhmischen Karstes sehr gegliedert ist und das Terrain dafür sehr geeignet ist. Es kam hier zu einer Anhäufung der befestigten Höhensiedlungen, die man als Burgstätten bezeichnet. Diese Ausstellung gilt daher den Höhlen und den Burgstätten des Böhmischen Karstes."

Eine interessante Besiedlung des Böhmischen Karstes ist die aus der Zeit des Paläolithikums.

"Die Forschung entdeckte ein Lager der Pferdejäger. Sie bauten Zeltwohnungen und gebrauchten Instrumente aus Feuerstein wie Messer und Schaber. Es ist eine Zeit der Jäger und Sammler. Sie produzierten noch keine Keramik, konnten aber bereits Naturformen nutzen, wie etwa diese Steinschale."

In diesem Zusammenhang wird die Fundstätte Hostím/Sanuv kout gezeigt. Ein Unikum stellt dort die sog. übertragbare Kunst dar.

"Wir sehen hier ein Radierbild eines Pferdes auf einer Schieferplatte. In ganz Böhmen - ich unterstreiche in Böhmen, denn in Mähren sah die Lage zu jener Zeit anders aus - gibt es zwei Funde dieser Kunst, beide bei uns im Böhmischen Karst. Dieses Pferd und weiter noch eine Radierung eines Steinbocks, auch auf einer Schieferplatte, aus der Höhle Deravá auf Kotíz."

Am Beispiel von Hostím wird auch gezeigt, dass die Archäologen verschiedene Methoden bei der Suche nach Spuren der entfernten Vergangenheit nutzen:

"Wir wollten hier zeigen, dass ein Archäologe bei seiner Arbeit nicht nur die Kenntnisse des Terrains und materielle Funde wie etwa Scherben, sondern auch kartografische Unterlagen nutzt. Interessant an der ausgestellten Katasterkarte ist, dass die Grundstücke im unteren Teil auf einmal ihre Richtung völlig ändern. Etwas stand ihnen im Wege. Später haben wir festgestellt, dass ein System der Parzellierung genau dort endet, wo sich ein Burgwall befand. Dort beginnt ein anderes System, das wieder bis zum nächsten Burgwall gilt. Auch danach kann man also den Umfang der Burgstätte erkennen."

In der heutigen Zeit seien die Archäologen vor allem mit sog. Rettungsarbeiten im Zuge von gegenwärtigen Bauvorhaben beschäftigt, beschwert sich Irena Benkova. Es bleibe ihnen leider keine Zeit mehr, einen Ort auszuwählen und bloß aus wissenschaftlichen Gründen zu erforschen. Die bisher letzte archäologische Forschung verlief auf dem Hügel Bacín, wird aber leider nicht mehr fortgesetzt:

Tetín  (Foto: Adriana Krobová)
"Dort wurde eine Karstschrunde erforscht, in der mehrere Schichten nicht nur von Keramik, sondern auch von menschlichen Knochen gefunden wurden. Der Forschungsleiter bevorzugt daher die Interpretation, dass es sich um einen Opferplatz handelt. Das Symbol der Kluft, die nach unten in die Finsternis führt, hatte man als Symbol für die jenseitige Welt verstanden. Es wurden dort auch Menschen geopfert."

Der letzte Ort bei unserer Besichtigung der archäologischen Ausstellung in Beroun und fiktiven Reise zu Burgstätten des Böhmischen Karstes ist Tetín:

"Tetín ist mit unserer ältesten Geschichte eng verbunden, und zwar mit der Heiligen Ludmila. Es handelt sich wieder um eine Burgstätte aus der Urzeit, die im frühen Mittelalter zu einer frühmittelalterlichen Burgstätte erweitert wurde. Es ist der Ort, an den sich Fürstin Ludmila zurückzog, nachdem sie von ihrer Schwiegertochter Drahomíra aus der Prager Burg vertrieben wurde, um durch ihre christliche Erziehung ihren Enkel Václav nicht zu beeinflussen. Hier auf Tetín wurde sie von gedungenen Mördern erdrosselt."

Heilige Ludmila
Die Archäologen bemühen sich seit Jahren, den Ort zu identifizieren, an dem Ludmilas Hof lag.

"Dies ist bisher nicht gelungen und wahrscheinlich wird es auch nicht gelingen, weil dieser Teil von Alt-Tetín bis heute kontinuierlich besiedelt ist, und die neuen Häuser die archäologischen Fundstätten darunter vernichten. Bisher wurden nur die äußeren Befestigungstmauern der Burgstätte identifiziert, über die Gebäude innen können wir nicht vieles sagen."

Heute ist vor allem eine Burgruine auffallend, die auf einem Felsen über dem Tal des Flusses Berounka ragt. Diese liegt aber schon außerhalb der alten Burgstätte:

"Die Burgruine stellt eine weitere Etappe der Geschichte von Tetín nach der Burgstätte dar. Die Burgstätte war noch im 11. Jahrhundert wesentlich wichtiger als Beroun. In Quellen wird eine Siedlung an der Furt bei Tetín angeführt. Im 13. Jahrhundert änderte sich die Lage, wobei bereits Tetín bei Beroun erwähnt wird. Die Rolle der Burgstätte endet, es kommt zu einem Schnitt, und dann, Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts beginnt das Kapitel der Burg, die eine wichtige Verwaltungsrolle in der Herrschaft von Karlstein spielt."

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