Bioboom in Tschechien – auch am Stadtrand von Prag
Bauernmärkte in Prag und anderen Städten, der Verkauf vom Hof und weitere Formen der Direktvermarktung: Die Tschechen haben ihre Liebe zu frischen landwirtschaftlichen Produkten entdeckt. In diesem Sog schwimmt auch der Ökolandbau. Noch nie gab es so viele Biobauern in Tschechien wie heute.
Noch ist aber längst nicht soviel bio in Tschechien wie zum Beispiel in den Nachbarländern Österreich oder Deutschland. Lenka Sehnalová koordiniert für das Landwirtschaftsministerium den Monat der Biolebensmittel, das ist seit 2004 jedes Jahr der September. Sie bestätigt, dass das Ministerium auch weiter Biobauern finanziell unter die Arme greifen muss:
„Sie brauchen sicher weiter Unterstützung, es muss weiter aufgeklärt werden. Immer noch gibt es Menschen, die nicht wissen, was ökologische Landwirtschaft und Biolebensmittel sind. Deswegen gibt es solche Veranstaltungen wie den Monat der Biolebensmittel, bei denen weiter aufgeklärt wird.“
60 gesonderte Veranstaltungen zu Ökolandbau und Biolebensmitteln finden nun diesen Monat in ganz Tschechien statt. Dazu hat das Ministerium erstmals auch eine eigene Internetseite in Betrieb genommen.
Auch am Rande von Prag, dort wo die tschechische Hauptstadt schon sehr ländlich ist, wird Ökolandbau betrieben. Im Osten, im Ort Dolní Počernice, liegt der Bio-Landwirtschaftsbetrieb Zelený Dvůr. Ins Deutsche übersetzt heißt das „Grüner Hof“. Helena Davidová ist hier die Verkaufsleiterin. Mit ihr nun ein Interview über verschieden großes Gemüse, dem Grünen Hof und den Bio-Boom in Tschechien.
Frau Davidová, seit wann besteht der Betrieb und was hier angebaut wird?
„Das Unternehmen ist seit zwei Jahren ein ökologischer Landwirtschaftsbetrieb. Wir bauen vor allem Gemüse an, gewöhnliches Gemüse wie Tomaten, Paprika und Gurken, Kraut und Kohl. Aber auch Brokkoli und Mangold, das Sortiment ist groß. Nicht bei jedem Gemüse haben wir denselben Erfolg, von manchem haben wir mehr und von anderem weniger. Wir haben auch Kartoffeln, Frühkartoffeln und ein paar Reben. Beim Obst können wir mit Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren und Stachelbeeren dienen sowie mit Äpfeln, Birnen und Kirschen. Das ist so ungefähr das, was wir hier in Prag haben.“
Ein breites Angebot auf kleinem Raum, Sie haben ja nur rund einen Hektar Fläche. Wie bringen Sie ihre Produkte an den Verbraucher?„Wir haben im vergangenen Jahr begonnen, in Zeitungen zu inserieren und dort unsere Biolebensmittel anzubieten. Darauf haben sich 30 bis 50 Leute gemeldet. Mit diesem Erfolg im Rücken haben wir dann eigene Internetseiten eingerichtet. Weitere Leute haben sich gemeldet oder melden sich weiterhin. Das sind sowohl Verbraucher, als auch Firmen, die unsere Produkte in Geschäften oder auf den Märkten verkaufen wollen. Bisher arbeiten wir mit einer Firma zusammen, der wir unsere Überproduktion geben, die wir nicht direkt an die Kunden bringen können. Diese Firma hat ihren Sitz im Zentrum von Prag und stellt Bio-Lebensmittelkörbe zusammen. Wir haben es Anfang dieses Jahres auch selbst mit solchen Lebensmittelkörben probiert. Dann ist uns aber beim Gemüse das Sortiment ausgegangen und derzeit können wir keine kompletten Körbe mehr zusammenstellen. Wir verkaufen daher nur noch einzelne Sorten. Im Übrigen haben wir noch eine weitere Farm in Südböhmen mit Rinderzucht, daher bieten wir auch Fleisch an.“
Das Landwirtschaftsministerium hat vor kurzem neue Zahlen zum Ökolandbau veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass es einen Boom gibt. Haben Sie diesen Boom auch hier gespürt?„Ja durchaus. Im Vergleich zum vergangenen Jahr, als wir nur an die eine Firma in Prag geliefert haben und keine eigenen Abnehmer hatten, ist die Nachfrage deutlich gewachsen. Wir können die Nachfrage derzeit nicht mehr befriedigen. Insgesamt haben wir etwa 400 Kunden registriert, die gerne regelmäßig unsere Lebensmittelkörbe beziehen würden. Doch das übersteigt unsere Möglichkeiten. Deswegen denken wir daran, die Anbaufläche zu vergrößern. Dieses Jahr können wir die Kundenwünsche sicher nicht mehr vollständig erfüllen, mal schauen, wie es kommendes Jahr wird. Außerdem wenden sich die Veranstalter von Bauernmärkten an uns. Diese Märkte sind ja in Prag jetzt an allen Ecken entstanden. Bisher haben wir aber nicht genügend Angebot, um es auf Märkten zu verkaufen. Aber das hat sicher Zukunft, die Menschen gehen auf diese Märkte, und wenn wir zu viel haben sollten, könnten wir auch dort verkaufen.“
Bestand am Ort des jetzigen Betriebs zuvor ein herkömmlicher Landwirtschaftsbetrieb. Und welche Auflagen müssen nun erfüllt werden, um das Ökolandbau-Zertifikat zu bekommen?„Als das Haus und das Grundstück gekauft wurden, gab es wohl bereits einen Garten. Wahrscheinlich aber nur für den eigenen Bedarf. Als der jetzige Firmenchef das Grundstück kaufte, hat er zuerst auch nur für den Eigenbedarf angebaut und für die Angestellten seiner Firma, einer Marktforschungsagentur. Erst dann haben wir das Zertifikat für Biogemüse erworben. Das heißt, dass wir möglichst keine Pflanzenschutzmittel nutzen, und wenn, dann nur die erlaubten. Kunstdünger darf nicht genutzt werden, wir setzen deswegen höchstens Pferdedung ein. Natürlich ist das dann zu sehen, nicht jedes Stück Gemüse sieht gleich aus. Dafür schmeckt es eben besser.“
Das Landwirtschaftsministerium fördert den Ökolandbau. Haben auch Sie Geld beantragt. Und glauben Sie, dass sich die Farm ohne Fördergelder betreiben ließe?„Ich glaube, ohne Unterstützung geht es bisher noch nicht – und wird es vielleicht auch nie gehen. Wir haben sicher auch Fördergelder beantragt, aber die Verhandlungen laufen noch. Das meiste hier geschieht in Handarbeit, das ist arbeits- und kostenaufwendig. Ich bezweifle, dass das ohne Fördergelder zu schaffen ist.“
Noch einmal zurück zu Ihren Produkten. Wie ist dieses Jahr die Ernte ausgefallen?
„Anfangs war das Problem, dass der Winter so furchtbar lang war. Das heißt, wir haben Salat, Radieschen und weiteres Frühgemüse erst sehr spät aussäen können. Eigentlich dachten wir daran, die Bio-Lebensmittelkörbe bereits im April oder Mai anbieten zu können. Doch der Termin verschob sich bis in den Juni. Dann wuchs alles prächtig, bis die Hitzewelle begann. Das Gemüse war dann überreif, der Salat hat Blüten getrieben. Das hat uns zu schaffen gemacht. Mittlerweile hat sich das Wetter beruhigt. Für den Urlaub war der August zwar nicht geeignet, aber für das Gemüse war es gut, dass es eher feucht war und die Temperaturen im Durchschnitt lagen. Das Gemüse im Herbst wird wohl in Ordnung sein.“