Fairness als Norm: Verkaufszahlen von Fairtrade-Produkten in Tschechien trotzen der Krise

Handtücher aus fair gehandelter Baumwolle haben im vergangenen Jahr den Verkaufsstatistiken von Fairtrade-Produkten in Tschechien einen Schub verliehen. Die Zahlen bewegen sich, trotz Inflation, weiterhin im Plusbereich. Umfragen zeigen zudem, dass Kriterien der Nachhaltigkeit für die Verbraucher hierzulande langsam zur Normalität werden.

Naschkatzen sind in Tschechien die dankbarste Zielgruppe von Produkten mit dem Fairtrade-Label. Denn Kakao verzeichnet seit mehreren Jahren die höchsten Verkaufszahlen aller fair gehandelten Rohstoffe auf dem hiesigen Markt. 2022 waren es mehr als 4,5 Tonnen Kakaobohnen, die in Form von Schokolade, Keksen, Kakaopulver oder auch Brotaufstrichen verkauft wurden. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Anstieg von sieben Prozent.

Illustrationsfoto: Štěpánka Budková,  Radio Prague International

Zwischen 2020 und 2021 hatte allerdings noch ein Zuwachs von 60 Prozent vermeldet werden können. Das zeigt, dass die hohe Inflation auch die Käufer von Fairtrade-Produkten bremst. Dennoch ist es bemerkenswert, dass die Statistiken in Tschechien seit mehreren Jahren fast ununterbrochen eine Aufwärtskurve zeigen. Lubomír Kadaně ist Chef der Organisation Fairtrade Tschechien und Slowakei (FTČS). Anlässlich der Präsentation der aktuellen Zahlen sagte er gegenüber Radio Prag International:

„Wie lange dieser Trend noch anhalten kann, ist schwer vorauszusagen. Wir glauben daran, dass er weiter andauern wird – obwohl man dazusagen muss, dass die Kurve sich langsam abflacht. Dabei schlägt sich auch die aktuelle Entwicklung nieder, also die Inflation und der Krieg in der Ukraine. Sobald die Wirtschaft aber wieder in Gang kommt und die Inflation sinkt, was hoffentlich bald geschieht, dann könnte auch der Verkauf von Fairtrade-Produkten und Rohstoffen erneut stärker nach oben gehen. Im Moment sind wir froh über das aktuelle leichte Wachstum, und zukünftig erwarten wir wieder etwas mehr. Allerdings müssen wir auch immer realistisch bleiben.“

Gabriela Kozlová,  Martina Popenková,  Lubomír Kadaně | Foto: Daniela Honigmann,  Radio Prague International

Die NGO Fairtrade Tschechien und Slowakei ist die Ländervertretung von Fairtrade International und verhandelt die Einführung von zertifizierten Produkten auf dem Markt in beiden Ländern. Dafür arbeitet sie ebenso mit großen Supermarkt- oder Tankstellenketten zusammen wie mit lokalen Schokoladenherstellern oder natürlich Kaffeeröstereien.

Denn mit den koffeinhaltigen Bohnen aus den Ländern des Globalen Südens nahm die Fairhandelsbewegung einst in den Niederlanden ihren Anfang. Kaffee steht in Tschechien auch immer noch an zweiter Stelle der Fairtrade-Verkaufsrangliste. Im vergangenen Jahr wurden hierzulande 1,4 Tonnen grüne, also ungeröstete Bohnen importiert, das waren sechs Prozent mehr als noch 2021. Bei welchem Rohstoff es den höchsten Anstieg gab, verrät FTČS-Verkaufsleiterin Gabriela Kozlová:

Gabriela Kozlová | Foto: Fairtrade Tschechien und Slowakei

„Zum Vorreiter unter den Fairtrade-Rohstoffen wurde 2022 Baumwolle. Sie hat um 205 Prozent zugelegt. Insgesamt sind im vergangenen Jahr 529.000 Kilogramm fair gehandelter Baumwolle in Tschechien produziert worden. Die Gründe dafür sind, dass erstens Handtücher aus zertifizierter Baumwolle hierzulande nun in großem Stile verkauft werden und allgemein zu haben sind. Der zweite Trend ist die Einführung von Einkaufstaschen aus Fairtrade-Baumwolle in Supermarktketten. Und außerdem versorgt das internationale Unternehmen L'Oréal Professionnel seine Kunden in Kur- und Kosmetikeinrichtungen jetzt mit Fairtrade-Handtüchern.“

Und bei einem weiteren klassischen Fairtrade-Produkt könnten schon jetzt deutlich steigende Verkaufszahlen für das laufende Jahr erwartet werden, fährt Kozlová fort:

Illustrationsfoto: Matt Hampel,  Flickr,  CC BY-NC 2.0

„Die Bananen bereiten mir Freude, auch wenn die Zahlen nicht so gut wie im Jahr davor aussehen. 2022 kam es zu einem Anstieg von nur vier Prozent. Aber bisher gab es auch nur einen großen Player auf dem hiesigen Markt, nämlich Kaufland. Da ist es nun zu einer Veränderung gekommen. Im Februar 2023 hat auch Lidl Tschechien Bio-Fairtrade-Bananen eingeführt. Daher lässt sich erwarten, dass die Zahlen bis zum nächsten Jahr sehr deutlich ansteigen werden. Außer bei Kaufland und Lidl sind Fairtrade-Bananen hierzulande etwa beim Online-Händler Rohlik.cz zu haben oder in den Läden der Firma Country Life.“

Fairtrade-Prämie als Indikator für Dynamik des einheimischen Marktes

Die Zertifizierung mit dem Fairtrade-Label, das eine winkende Person vor blaugrünem Hintergrund darstellt, erfordert die Einhaltung bestimmter Standards. Dazu gehören faire Löhne, die Beachtung der Menschen- und Arbeitsrechte, das Verbot von erzwungener Kinderarbeit oder auch umweltschonende Anbaumethoden. Die Handelspartner im Globalen Norden zahlen dafür einen garantierten Mindestpreis sowie eine zusätzliche Abgabe, die den Landwirten im Globalen Süden als sogenannte Fairtrade-Prämie zur Verfügung gestellt wird. Dieses Geld wird dann in den Dörfern für die Einrichtungen von Schulen oder Gesundheitszentren genutzt oder aber in die Weiterentwicklung der Bio-Landwirtschaft investiert.

Illustrationsfoto: lilivanili,  Flickr,  CC BY 2.0

2022 seien durch die Verkäufe in Tschechien knapp 45 Millionen Kronen (1,9 Millionen Euro) an Prämie eingenommen worden, berichtet Gabriela Kozlová:

„Die Fairtrade-Prämie ist eine Größe, mit der wir quasi die Leistung und die Dynamik des einheimischen Marktes messen. Es gibt ja ganz verschiedene Fairtrade-Rohstoffe und -Produkte. Daher brauchen wir eine übergeordnete Kategorie, die den Markt komplett erfasst, und da bietet sich die Prämienzahlung an. Diese wächst zum Glück dauerhaft an. Zwar ist die Dynamik nicht mehr so ausgeprägt wie in den vergangenen Jahren – und dafür gibt es ganz objektive Gründe wie die Inflation und die Wirtschaftskrise. Der Trend ist aber trotzdem ansteigend, und dies hauptsächlich dank der Verpflichtungen bezüglich einer gesellschaftlichen Verantwortung, die große Firmen immer öfter übernehmen.“

Gesellschaftliche Verantwortung ist in den letzten Jahren auch in Tschechien zu einem Schlüsselbegriff geworden für Firmen, die sich für soziale und ökologische Nachhaltigkeit einsetzen wollen. Die Assoziation für gesellschaftliche Verantwortung (Asociace společenské ospovědnosti) verleiht etwa seit 2017 jährlich die SDG-Preise, die an den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung ausgerichtet sind. Sich der Fairtrade-Bewegung anzuschließen, ist dabei eine der Möglichkeiten, die internationale wie auch kleine tschechische Unternehmen immer öfter nutzen.

Illustrationsfoto: Dace Praulins,  ELTpics,  Flickr,  CC BY-NC 2.0

Dies werde von den Verbrauchern hierzulande nicht nur registriert, sondern auch gutgeheißen, sagt Martina Popenková vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos. Auf der Jahrespressekonferenz von FTČS stellte sie einige Ergebnisse einer langfristig angelegten Studie vor:

„Das Thema gesellschaftliche Verantwortung ist für die Menschen grundsätzlich sehr wichtig. Sie meinen, dass diese in der DNA größerer Unternehmen enthalten sein und zu den Grundwerten jeder Firma gehören sollte. In Tschechien äußern dies 74 Prozent der Befragten. In der Slowakei liegt die Zahl sogar noch etwas höher, dort sind es acht von zehn Verbrauchern.“

Für den aktuellen 13. Durchgang dieser Studie hat Ipsos im Dezember 1037 Menschen in Tschechien und im Januar 1004 Menschen in der Slowakei befragt. Demnach sehen die Verbraucher hierzulande Nachhaltigkeitsprinzipien bei Produkten nicht mehr als Bonus, sondern zunehmend als Normalität an. Darum würde ihre Bereitschaft, einen Aufpreis für Sonderzertifizierungen wie etwa das Fairtrade-Label zu zahlen, dauerhaft sinken, schildert Popenková. Und weiter:

„Wichtig ist zu erwähnen, dass der Großteil der Menschen erwartet, dass die Firmen ihnen helfen, sich nachhaltig zu verhalten. Das Angebot soll also von den Unternehmen kommen, und gleichzeitig soll es den Menschen helfen, Geld zu sparen.“

Fairtrade-Produkte sind nicht mehr viel teurer als konventionelle Ware

Die Ergebnisse der Ipsos-Umfrage könnten eine Erklärung dafür sein, warum es in Tschechien nur noch sehr wenige Weltläden gibt – in Prag etwa sind es zwei. Die hiesigen Verbraucher lassen sich in größerer Zahl offenbar vor allem durch Angebote in Supermarkt- und Drogerieketten ansprechen. Darin zumindest sieht Lubomír Kadaně einen der Gründe für den anhaltenden Positivtrend:

Lubomír Kadaně | Foto:  Fairtrade Tschechien und Slowakei

„Hinter dem Anstieg, der trotz der aktuellen Inflationslage anhält, sehen wir zwei Faktoren: Erstens ist dies das immer stärkere Engagement großer Firmen als unsere Handelspartner. Und zweitens sind Fairtrade-Produkte inzwischen nicht mehr so viel teurer als konventionelle Waren.“

Erklärend sollte allerdings angemerkt werden, dass der Anteil der Fairtrade-Produkte am gesamten tschechischen Markt immer noch gering ist und deswegen ein Zuwachs immer noch einen deutlichen Ausschlag in den Statistiken darstellt. Die Menge von 1,4 Tonnen fair gehandeltem Kaffee, der 2022 in Tschechien verkauft wurde, entspricht knapp 4,5 Prozent aller Kaffeeverkäufe im Land. Bildlich gesprochen hat jeder Mensch in Tschechien im vergangenen Jahr 16 Tassen Fairtrade-Kaffee getrunken.

Während national mitunter noch kleine Brötchen gebacken werden, lebt die Fairtrade-Bewegung vor allem durch ihre internationale Vernetzung – schließlich geht es dabei auch um den Welthandel. Derzeit sind fast zwei Millionen Landwirte und Produzenten aus 70 Ländern des Globalen Südens in das Zertifizierungssystem eingebunden. Und in 143 Staaten der Welt gibt es mehr als 37.600 verschiedene Fairtrade-Produkte zu kaufen. Lubomír Kadaně:

Illustrationsfoto: cocoparisienne,  Pixabay,  Pixabay License

„In einer idealen Welt wäre eine solche Zertifizierung nicht nötig. Leider leben wir bisher nicht in einer idealen Welt, aber Fairtrade hat darin seinen unersetzbaren Platz. In letzter Zeit hat sich dies mehr als zuvor bestätigt, indem wir nämlich die Pandemie durchgemacht haben und nun die Inflation erleben. Die Preise gehen nicht nur bei uns im Globalen Norden nach oben. Auch die Produzenten haben mit steigenden Kosten zu tun. Und nicht zuletzt gibt es die Klimakrise, die sich leider am meisten auf jene Menschen auswirkt, die sie am wenigsten mitverursachen.“

Mit Blick auf eine EU-weite Regulierung der Lieferketten im Welthandel verweist Kadaně noch darauf, dass die Prinzipien, auf die sich das Fairtrade-Label stützt, langsam auch in der Gesetzgebung verankert würden. Bis sie aber zur Norm würden, bliebe noch viel zu tun, so der Chef von FTČS.